bAV: Regierung braucht Mut zu unpopulären Entscheidungen
Zukunftsorientierung, Flexibilität, Schlankheit der Strukturen und Effizienz: Das waren die Maßstäbe, an denen das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Aon die betrieblichen Altersversorgungssysteme von acht Ländern untersuchte. Zu welchen Ergebnissen das führte.
Die schlechte Nachricht zuerst: „Bei der Betrachtung der Länder haben wir nicht die eine Blaupause für Deutschland gefunden, die einfach kopiert werden könnte. Jedes Land braucht seine eigenen Lösungen“, so Carsten Hölscher, Partner bei Aon. Das Unternehmen hat die bAV-Modelle von Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und den USA untersucht und mit Deutschland verglichen.
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Doch auch, wenn eine Blaupause fehlt, kann die Aon-Untersuchung Orientierung bieten: „Uns kommt es darauf an, gangbare Wege aus dem bAV-Dschungel zu zeigen, die sich in vergleichbaren Ländern bereits bewährt haben“, so Hölscher.
Und von diesen gangbaren Wegen stellt der Ländervergleich einige vor: So gelingt in Großbritannien beispielsweise durch ein Opt-out-System eine hohe Beteiligung von Arbeitnehmern (91 %) an der betrieblichen Altersversorgung. Unkomplizierte Teilnahmeoptionen und einfache Standardlösungen machen es möglich. Ein solches Opt-out-System wurde auch mehrfach für Deutschland diskutiert, um die Marktdurchdringung zu erhöhen. Bislang konnten sich solche Modelle hierzulande (noch) nicht durchsetzen.
Auch die ‚Mitnahmefähigkeit‘ von betrieblichen Rentenansprüchen ist ein altbekanntes Problem in Deutschland. In der Schweiz, den Niederlanden oder auch den USA seien die Angebote viel besser auf Portabilität ausgerichtet, so die Studie.
bAV muss besser auf Niedrigzins reagieren können
Ebenfalls besser als in Deutschland: Die Reaktionsfähigkeit der bAV-Systeme auf Herausforderungen von außen. Wie zum Beispiel die Niedrigzinsphase. In anderen Ländern fielen Zinsgarantien weg. Im Gegenzug wurden den Arbeitnehmern Wahlmöglichkeiten eingeräumt. Je nach persönlicher Risikoneigung konnte das Investment angepasst werden. Das war laut Aon-Studie in Großbritannien, Frankreich und den USA der Fall.
Generell stellt die Studie fest, dass sich Flexibilität der Produkte positiv auf die Verbreitung betrieblicher Altersversorgung auswirkt. Das gelte sowohl bei den Auszahlungsformen als auch bei Beitragshöhen, die individuellen Lebensphasen angepasst werden können, so Aon.
Tatsächlich erweist sich das deutsche System noch an anderen Stellen als unflexibel. So schreibt Aon in seiner Studien-Auswertung, dass woanders selten so umfassende Besitzstandsregelungen wie in Deutschland anzutreffen seien. Beispielhaft verweist Aon wieder auf die Niederlande. Dort sind für künftige Dienstzeiten ab 2026 nur noch Pensionspläne zulässig, bei denen der Arbeitgeber die Beiträge und nicht mehr die Leistungen garantiert. In Deutschland können hingegen einmal getroffene Regelungen auch für künftige Dienstzeiten kaum noch geändert werden.
Carsten Hölscher, Partner bei Aon, kann aus den Studienergebnissen vielleicht keine Blaupause ableiten. Einen Wunsch an die politisch Verantwortlichen aber schon: „Wir brauchen dringend einen arbeitsrechtlichen Rahmen, der die Anpassung unserer bAV-Modelle an aktuelle Entwicklungen wie Niedrigzins und Demographie zulässt. Darüber hinaus muss auf vielen Ebenen Komplexität abgebaut werden, um bAV für alle zugänglicher zu machen. Unsere Studie zeigt, dass zum Beispiel der Wegfall von Garantien in vielen Fällen Vorteile für die Arbeitnehmer bringt. Wir hoffen, dass die nächste Bundesregierung den politischen Mut aufbringen wird, auch Veränderungen auf den Weg zu bringen, die auf den ersten Blick unpopulär erscheinen.“
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In der Aon-Studie schneidet das niederländische Betriebsrenten-Modell als besonders zukunftsfähig ab. Ein Ergebnis, zu dem auch andere Ländervergleiche in der Vergangenheit kamen. Im Melbourne Mercer Global Pension Index, einem Ranking weltweiter Rentensysteme, konnten sich die Niederländer bereits mehrfach den ersten Rang sichern.