Altbestände in der Schaden-/Unfallversicherung: Systemkomplexität und Kostenproblematik
Versicherer mit Altbeständen befinden sich zumeist in einem Dilemma. Neben enormen Management- und Ressourcenaufwand, ist Unwirtschaftlichkeit ein weiteres Problem, vor dem Versicherer stehen. Legacy Portfolio Partners (LPP), ein Tochterunternehmen der msg, und Swiss Re beschreiben vor welchen Herausforderungen die Versicherer mit Altbeständen stehen, aber auch welche nachhaltige und innovative Lösung es gibt. Dieser Gastbeitrag basiert auf einem Vortrag, den Anita Wackerl (Swiss Re) und Dr. Ralph Altenburger (LPP) auf der 7. InnoVario der V.E.R.S. Leipzig GmbH am 16./17. November 2021 in Siegburg/Bonn halten werden.
In der Lebensversicherung bezieht sich Altbestand auf den Bestand an Versicherungsverträgen, die vor dem 29.Juli 1994 abgeschlossenen wurden. In der Schaden-/Unfallversicherung gibt es keine vergleichbare zeitliche Einordnung. Oft ist in dieser Sparte bei Altbestand die Rede von Policen, welche in der Vergangenheit gezeichnet wurden und mittlerweile nicht mehr im strategischen Fokus der Gesellschaft liegen. Dennoch sind entsprechende Policen in der Regel bis dato nicht gekündigt worden und werden stetig zu gleichen oder ähnlichen Konditionen erneuert, allerdings nicht mehr aktiv vertrieben. Im Gegensatz zum Run-off werden also nach wie vor Beiträge verbucht.
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Ein häufig beobachtetes Merkmal von Altbeständen ist, dass die Bestandsverwaltung über veraltete bzw. nicht moderne IT-Systeme erfolgt, da im Zuge von IT-Erneuerungen der Altbestand bei der Migration aus wirtschaftlichen Gründen oft ausgeklammert wird. Der Anteil von Altbeständen in der Branche wird auf fünf bis zehn Prozent der gesamten Beitragseinnahmen der privaten Schaden-/Unfallversicherer in Deutschland geschätzt.
Altbestände haben unterschiedlichste Ursprünge und Ursachen. Allen voran hat der starke Konsolidierungstrend in der Versicherungsindustrie zu einer gewissen Doppelspurigkeit von Tarifen und IT-Systemen in den von Unternehmenszusammenschlüssen und -käufen betroffenen Gesellschaften geführt, was in den meisten Fällen auch letztendlich die Entstehung von Altbeständen zur Folge hatte.1 Altbestände resultierten aber auch aus neuen Produktrategien, IT-Transformationsprojekten, Änderungen in der Distribution und sonstigen Strategiewechseln. Sofern dann nicht kontinuierlich auf ein neues, einheitliches System migriert wurde, entstand als Folge von Altbeständen auch eine gestiegene Systemkomplexität.
Versicherer mit Altbeständen befinden sich zumeist in einem Dilemma. Zum einen ist eine Migration des stetig abnehmenden Bestands auf ein modernes Bestandsverwaltungssystem oft unwirtschaftlich, zum anderen verursacht der Weiterbetrieb der veralteten Plattformen überproportionale IT- und Verwaltungskosten und die Stückkosten steigen mit abnehmender Bestandsgröße weiter an. Laut McKinsey's Insurance 360 ° können Versicherer mit einer modernen IT-Infrastruktur von einer mehr als halbierten IT-Kostenquote im Vergleich zu Versicherern mit einer komplexen Legacy-Landschaft profitieren. Zudem benötigen Altbestände trotz ihres geringen strategischen Werts einen nicht zu vernachlässigenden Management- und Ressourcenfokus, um den Betrieb am Leben zu halten.
Die klassischen Handlungsoptionen von Versicherern im Umgang mit Altbeständen sind jedoch mit Nachteilen und Risiken verbunden. Eine Kündigung kommt aus rechtlichen oder strategischen Gründen aber auch angesichts von Reputationsbedenken oft nicht infrage. Die Incentivierung der betroffenen Versicherungsnehmer, diese durch Rabatte auf neue(re) Tarife umzustellen, birgt neben Reputationsrisiken die Gefahr, dass trotz hoher Investitionen einige Policen nicht umgestellt werden und sich somit die Kostenproblematik womöglich noch verschlimmert. Gegen einen Verkauf des entsprechenden Altbestands spricht neben dem Reputationsrisiko auch der Verlust der Kundenbeziehung und das Argument, dass der Wettbewerb nicht gestärkt werden soll. Neue und innovative Konzepte im Umgang mit Altbeständen sind daher von großem Wert.
In einem gemeinsamen Vortrag auf der diesjährigen InnoVario, am 16. und 17. November 2021 in Siegburg/Bonn, mit dem Titel „Innovation und Altbestände – kein Widerspruch.“, stellen Anita Wackerl, Senior Transactions Manager bei Swiss Re, und Dr. Ralph Altenburger, Managing Director bei Legacy Portfolio Partners GmbH, die gemeinsam entwickelte nachhaltige und innovative Lösung für Erstversicherer im Umgang mit Versicherungsaltbeständen vor. Die InnoVario ist eine Innovationsmesse für die Versicherungsbranche die das Ziel hat, den Austausch untereinander und den Dialog miteinander zu fördern. Neben einem klassischen Ausstellerbereich, gibt es auf der InnoVario verschiedene Fachvorträge zu dem aktuellen Konzept. Mehr dazu finden Sie unter www.vers-innovario.de.
Autoren:
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Anita Wackerl (Swiss Re)
Dr. Philipp Schaper (Swiss Re)
Dr. Ralph Altenburger (Legacy Portfolio Partners)
Cathleen Wolf (V.E.R.S. Leipzig GmbH)