Streit um Zinsanpassungsklauseln: Sparkassen und Genossenschaftsbanken streiten gemeinsam gegen BaFin
Im Streit um falsch berechnete Zinsen machen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken nun gemeinsame Sache: Um eine BaFin-Anordnung abzuwenden, die sie verpflichtet hätte, Kundinnen und Kunden aufzuklären. Dabei haben die Institute erst jüngst eine Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erlitten.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versucht, Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken per Allgemeinverfügung zur Nachzahlung zu niedrig berechneter Zinsen zu zwingen. Mit guten Argumenten: Erst kürzlich hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Regeln zur Zinsanpassung bei langfristigen Sparverträgen, wie sie etwa bei Sparverträgen wie ‚Prämiensparen flexibel‘ verwendet werden, unwirksam sind und Verbraucherinnen sowie Verbraucher unrechtmäßig benachteiligen. Doch nun machen die Finanzinstitute gemeinsame Sache, um sich gegen die BaFin zu wehren.
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Wie das „Handelsblatt“ (Montag) berichtet, haben die Institute einen Widerspruch hunderter Geldhäuser gebündelt, um mit einem Musterverfahren die BaFin-Verfügung abzuwenden. Das gehe aus einem Schreiben des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) hervor. Demnach seien drei Sparkassen und drei Volks- und Raiffeisenbanken als Beschwerdeführer benannt worden, um die Allgemeinverfügung abzuwenden. Das Musterverfahren solle stellvertretend die einzelnen Widersprüche gegen die BaFin vereinen.
Viel Widerspruch gegen Allgemeinverfügung
Mit der Allgemeinverfügung hatte die BaFin die betroffenen Sparkassen und genossenschaftlichen Banken im Juni 2021 unter Druck gesetzt, um durchzusetzen, dass Sparerinnen und Sparer wohl zu niedrig berechnete Zinsen in langfristigen Sparverträgen zurückerhalten. Die Banken sollten die Inhaber dieser Verträge aktiv anschreiben, um sie über die Unwirksamkeit von Klauseln zu informieren: und Geld nachzuzahlen. Setzen die Institute die Vorgaben nicht um, kann das als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Laut „Handelsblatt“ haben bisher 1.156 Institute Widerspruch gegen die Klausel eingelegt.
Konkret geht es um langfristige Prämiensparverträge, die vor allem von öffentlichen Banken zwischen 1990 und 2010 vertrieben wurden: im großen Stil und durchaus erfolgreich. Geschätzt eine Million Kundinnen und Kunden sollen solche Angebote abgeschlossen haben, berichtet das „Handelsblatt“ und beruft sich auf Finanzkreise.
Die Verträge sehen vor, dass das Institut dem Kunden zusätzlich zum Zins eine Prämie bzw. einen Bonus zahlt: gestaffelt nach Laufzeit. Bis zu 100 Prozent zusätzlich zur jährlich eingezahlten Sparleistung waren so möglich. Doch in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen fiel es auch den Bankhäusern schwer, das zusätzliche Geld zu erwirtschaften. Sie nutzten eine Klausel in den AGB, um niedrige Zinsen am Kapitalmarkt einseitig an Kundinnen und Kunden weiterzugeben: teilweise erhielten sie nur noch 0,01 Prozent extra. In mehreren Gerichtsurteilen seit 2004 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Klauseln für unwirksam erklärt.
Musterverfahren angestrebt
Mit dem Musterwiderspruch wollen die Geldhäuser nun Zinsrückzahlungen an Kundinnen und Kunden verhindern. Und das kommt laut „Handelsblatt“ der BaFin durchaus entgegen: auch, um unzählige Einzelverfahren abzuwenden. Die Finanzaufsicht habe angekündigt, „über einzelne Widersprüche vorrangig zu entscheiden, um anschließend verwaltungsgerichtliche Musterverfahren zu führen“, zitiert das Magazin aus dem Schreiben. Das könnte den Verfahrensweg abkürzen. Im Gegenzug hat bereits die Verbraucherzentrale Sachsen im Auftrag mehrerer enttäuschter Sparer eine Musterfeststellungsklage gegen u.a. die Sparkasse Leipzig angestrengt. Auch der Dachverband der Sparkassen habe bestätigt, man bemühe sich um wenige Musterverfahren, um nicht 1.100 Verwaltungsverfahren durchlaufen zu müssen.
Die Geldinstitute monieren, dass die BaFin mit ihrer Allgemeinverfügung einer höchstrichterlichen Entscheidung zuvorkomme. Doch aktuell sieht es nicht gut aus für sie. Erst vor wenigen Tagen hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut entschieden, dass die Zinsanpassungsungsklauseln aus den Sparverträgen unwirksam sind. Zinsanpassungsklauseln wurden vom Bundesgerichtshof (BGH) seit 2004 in mehreren Urteilen für unwirksam erklärt: Sie seien schlicht nicht transparent genug. Die Sparer könnten damit weder mögliche Zinsänderungen kalkulieren noch Anpassungen nachprüfen. Auch haben die Institute zu Unrecht kurzfristige Zinsen in die Sparverträge eingerechnet: zum Nachteil der Kundinnen und Kunden. Bei langen Sparverträgen müssen die Geldhäuser auch einen langfristigen Referenzzins beachten. Unklar blieb, wie die Zinsen nun konkret angepasst werden müssen.
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Dass sich die Banken nun querstellen, ist auch aus Sicht des Verbraucherschutzes ein Ärgernis. Denn trotz der BGH-Urteile muss jeder Sparer bzw. jede Sparerin individuell vor Gericht um das zu wenig gezahlte Geld streiten. Die Verbraucherzentrale Bayern hat anhand tausender Fälle ausgerechnet, dass die Geldhäuser im Schnitt rund 4600 Euro zu wenig zahlten.