Gerhard Schröder ist Lobbyist für einen Versicherungsmakler
Altkanzler Gerhard Schröder tritt weiter als Lobbyist in Erscheinung: doch diesmal nicht für Wladimir Putin und das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, sondern für einen Versicherungsmakler aus Würzburg. Im Auftrag der Maklerfirma soll er laut einem Medienbericht sogar bei Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgesprochen haben, um über die Zukunft der Rente zu reden.
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) sorgte in den letzten Monaten vor allem durch kauzige Auftritte bei Social Media für öffentliches Interesse. Als „Welterklärer in Daunenweste“, wie der Deutschlandfunk pointiert, bietet er Einblicke in seine Wohnung und in seinen Garten. Er brät Bratkartoffeln, erklärt seiner Frau Soyeon die Vorzüge von Hagebutten (eignen sich hervorragend für Tee und Juckpulver) und erkundet die Pflanzen auf einem Golfplatz. Das alles kommt sehr schräg, aber auch sympathisch und menschlich rüber.
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Dass Schröder immer noch im Hintergrund Machtpolitik betreibt, zeigt nicht nur sein Engagement für das Erdgasprojekt Nord Stream 2, dessen Gesellschafterausschuss er vorsitzt. Im Sinne von Russlands Präsident Wladimir Putin und dem Staatskonzern Gazprom beeinflusst er hierbei die EU-Politik. Nach Recherchen von ZEIT und abgeordnetenwatch.de soll er sich darüber hinaus als Lobbyist für einen Versicherungsmakler aus Würzburg verdingen. Für diese Tätigkeit nutzt er demnach seinen guten Draht in die Politik: achtmal habe er allein seit Anfang 2020 mit Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefoniert. Auch mit dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz soll er gesprochen haben. Und mit Hubertus Heil: beides seine Parteifreunde bei den Sozialdemokraten. Das Thema: eine mögliche Reform der Rente?
“Altersvorsorgekanzler“, pointiert die ZEIT
Konkret soll der Altkanzler nun für die BVUK tätig sein: eine Abkürzung für „Betriebliche Versorgungswerke für Unternehmen und Kommunen e.V.“. Dabei handelt es sich um einen Lobbyverband, der von dem gleichnamigen Spezialmakler aus Würzburg ins Leben gerufen wurde: der Versicherungsmakler BVUK GmbH. Spezialisiert ist der Makler auf Berufsunfähigkeit und Altersvorsorge, wobei man sich vorwiegend an große Gewerbekunden wendet. Durchaus ein honoriger Anbieter. Zu den Referenzen der Bayern zählen Firmen wie OBI, Henkel, der SWR oder das Deutsche Rote Kreuz. 4,7 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete der Makler im letzten Geschäftsjahr: vornehmlich mit Betriebsrenten.
Seit dem Januar 2020 ist Gerhard Schröder Vorstandsmitglied in dem Lobbyverein, berichtet die ZEIT. Vorsitzender des Verbandes ist Michael Reizel, der auch die Maklerfirma leitet. Aber laut dem Medienbericht ist Gerhard Schröder vor allem gefragt, um seine Kontakte in die Politik spielen zu lassen: quasi als Türöffner zu den aktuellen Entscheidungsträgern. Bereits sechs Wochen, nachdem er ehrenamtlich bei dem Verein anheuerte, habe Schröder um ein Abendessen mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gebeten, berichtet die „ZEIT“. Das gehe aus internen Unterlagen der Bundesregierung hervor. Auch mit dem angehenden Bundeskanzler Olaf Scholz habe er sich in diesen Monaten zum Essen verabredet. Und mit Angela Merkel telefoniert.
Lobbyismus, vom Steuerzahler finanziert
Eingefädelt hat die Kontakte das Altkanzlerbüro Schröders im Bundestag, schreibt die „ZEIT“. Finanziert wird dieses vom Steuerzahler in Höhe von 400.000 Euro pro Jahr. Und nachdem die Gespräche im November 2020 zunächst geendet seien, habe der der Altkanzler wenige Tage nach der Bundeskanzlerwahl erneut den Kontakt mit Olaf Scholz gesucht - am 6. Oktober habe es unter anderem ein einstündiges Treffen im Dienstzimmer des zukünftigen Bundeskanzlers gegeben.
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Über was in den Treffen konkret geredet wurde, können ZEIT und Lobbywatch nicht belegen. Keiner der Beteiligten habe sich zu den Gesprächen äußern wollen. Man beruft sich in dem Artikel unter anderem auf mehrere Stellungnahmen des BVUK-Interessenverbandes, in denen beklagt wird, dass wichtige Reformen von der scheidenden schwarz-roten Regierung versäumt worden seien, um die Betriebsrente zu stärken oder Hürden für eine weitere Verbreitung abzubauen. Immerhin eine Position, bei der sich Versicherungswirtschaft und Verbraucherschutz einig sind, wenn auch ihre Reformvorschläge recht verschieden sein mögen: Union und SPD haben es in dieser Legislaturperiode nicht verstanden, die Betriebsrente attraktiver zu machen.