Versicherer schätzen Schadenkosten des Sommer-Hochwassers auf 8,2 Milliarden Euro
Die verheerende Flutkatastrophe Mitte Juli an Ahr und Erft wird die deutsche Versicherungswirtschaft nach aktuellen Schätzungen 8,5 Milliarden Euro kosten. Ein Drittel der versicherten Schäden sei bisher ausgezahlt worden, berichtet die Versicherer-Verband GDV in einer aktuellen Meldung. Sturzflut Bernd war somit das teuerste Naturschaden-Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik. Allein 180 Menschen verloren dabei ihr Leben.
Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021, die in Deutschland vor allem an Ahr und Erft schwere Schäden verursacht hat, ist für die private Versicherungswirtschaft bisher das teuerste Naturkatastrophen-Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik. Das berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an Dienstag in einem Pressetext. Mit 8,2 Milliarden Euro geschätzten Kosten verweist er das August-Hochwasser von 2002 auf Rang zwei, das damals 4,7 Milliarden kostete. Bereits das frühere Schadenereignis wurde zum damaligen Zeitpunkt in den Medien als „Jahrhundertflut“ eingeordnet.
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„An unsere Kunden wurden bereits über drei Milliarden Euro ausgezahlt, um die Schäden an Hausrat, Wohngebäuden, Betrieben und Fahrzeugen zu beheben“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in Berlin. Das sei etwas mehr als ein Drittel der versicherten Schäden. Asmussen erklärte auch, warum bisher nur ein Teil erstattet werden konnte: “Die Versicherer zahlen nicht pauschal eine Summe aus, sie bezahlen ganz konkret den Wiederaufbau eines Gebäudes“. Das geschehe so zügig wie möglich. „Aber bis alle stark geschädigten Gebäude wieder aufgebaut sind, dauert es noch. Und erst dann sind alle Mittel geflossen”, sagte der 55jährige Verbandschef.
Steigende Nachfrage nach Elementarschaden-Policen
Die Hochwasserkatastrophe im Juli hat die Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen ansteigen lassen, wie der GDV bereits vor drei Wochen berichtet hat. Allein im dritten Quartal 2021 seien etwa 400.000 Neuverträge für Wohngebäude neu registriert worden. Dennoch ist bundesweit noch immer mehr als jedes zweite Gebäude nicht gegen Naturgefahren versichert.
Um mehr Hausbesitzer zu erreichen, fordert der GDV in einem Positionspapier, dass jede Wohngebäudeversicherung im Neugeschäft mit einem Elementarschaden-Baustein angeboten werden soll, somit auch Risiken wie Hochwasser und Starkregen abgesichert sind. Die Eigentümer sollen den Baustein dann per Opt-out abwählen können. Die Vorschläge der Branche unterscheiden sich aber stark von einer Versicherungspflicht gegen Elementarschaden, wie sie die Verbraucherschutzzentralen befürworten. Denn der GDV besteht weiterhin darauf, dass die Versicherer in besonders gefährdeten Regionen deutlich höhere Versicherungsprämien verlangen zu können, statt das Kostenrisiko auf mehr Schultern zu verteilen.
Wie unterschiedlich Schäden durch Naturgefahren auf die 16 Bundesländer verteilt sind und wie hoch die Versicherungsdichte mit Elementarschutz ist, zeigt eine tabellarische Übersicht auf der Webseite 'heim-und-immobilie.de'. Die Auswertung zeigt: Bayern ist das Bundesland, in dem sich die höchste Schadensumme durch Elementargefahren ansammelte. 96 Millionen Euro kamen 2020 im größten Flächenland Deutschlands zusammen. Dennoch ist die Versicherungsdichte mit Elementarschutz in Bayern unterdurchschnittlich: Laut GDV verfügen etwa 45 Prozent aller Hausbesitzer in Deutschland Versicherungsschutz mit Elementarbaustein. In Bayern sind es gerade mal 36 Prozent.
“Versicherungswirtschaft nimmt Pflichten ernst“
Asmussen trat auch Gerichten in sozialen Medien entgegen, wonach die Versicherer ihre Kundinnen und Kunden in den betroffenen Gebieten nicht entschädigen würden. „Die Versicherungswirtschaft nimmt ihre Verpflichtungen sehr ernst“, versicherte er. Allein in die am schwersten betroffenen Regionen in Nordrhein-Westfalen seien 1,7 Milliarden Euro geflossen, an Versicherungskunden in Rheinland-Pfalz 950 Millionen Euro. Weitere 350 seien nach Bayern und Sachsen gegangen. Die Zahlen basieren auf der aktualisierten GDV-Statistik zum Stand der Schadenregulierung nach dem verheerenden Tiefdruckgebiet „Bernd“.
Laut dem Verbandschef hat die Versicherungswirtschaft in den vergangenen Wochen und Monaten große Anstrengungen unternommen, um den Wiederaufbau der zerstörten Landstriche voranzutreiben und die Betroffenen zu unterstützen. „Es ist verständlich, dass die Menschen so schnell wie möglich wieder in ihre Häuser und in ein normales Leben zurückkehren wollen“, sagte der GDV-Hauptgeschäftsführer.
Kritik an Politik und Behörden
Jörg Asmussen nutzte die Bühne auch für Kritik an Politik und Behörden. „Von der öffentlichen Hand hätten wir uns aber klare Aussagen gewünscht, an welche behördlichen Präventionsauflagen der Wiederaufbau geknüpft ist“, sagte er. Das betreffe vor allem das Ahrtal, wo neue Gefahrenkarten der Landesregierung den Eindruck vermittelt hätten, man habe für künftige Katastrophen ausreichend vorgesorgt. Das sei eine verpasste Chance für eine bessere Hochwasservorsorge - die Versicherer setzten sich bereits vor den Ereignissen im Sommer für strengere Bauvorgaben ein, wonach in besonders bedrohten Gebieten erst gar keine Häuser entstehen sollen.
Bereits unmittelbar nach den Unwettern im Juli hatte der GDV-Geschäftsführer in einem Interview mit "Welt am Sonntag" die Politik zum Umdenken aufgefordert. Noch immer werde in Überschwemmungsgebieten gebaut, würden Flächen ungehindert versiegelt und stauten sich auf kommunaler Ebene Investitionen in Präventionsmaßnahmen, klagte er. "Hier gilt es umzusteuern, sonst setzt sich eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden in Gang, die erst teuer und irgendwann unbezahlbar wird", mahnte er auch angesichts des Klimawandels zu strengeren Vorgaben.
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Seriöse Kritik hatte es jedoch auch an der Versicherungswirtschaft selbst gegeben. Laut „Handelsblatt“ sei eine Reihe von Unternehmen aus den von Hochwasser betroffenen Regionen an den den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHK) herangetreten, weil sie sich nicht mehr versichern könnten. Das gehe aus einem Schreiben des Gesamtverbands der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) hervor. Für die Firmen gehe es teils um die Existenz: neben dem fehlenden Versicherungsschutz erhielten sie auch keine Bankkredite für notwendige Investitionen mehr.