Der Gastronom Josef Krätz ist eine Münchener Wirtslegende: von 1995 bis 2013 war er Wiesnwirt des Hippodrom, ein Zelt mit 3.300 Sitzplätzen. Nachdem er Ärger wegen Steuerhinterziehung hatte und sich zunächst zurückzog, betreibt seine Familie aktuell das Restaurant „Andechser am Dom“, wo es zünftige Küche von Obazda bis hin zu Pfleischpflanzerl und Haxerl gibt. „Er ist bekannt wie ein bunter Hund in dieser Stadt: geliebt, geachtet, gefürchtet“, eröffnet die Abendzeitung ein Porträt über ihn. Seine Lokalitäten seien Promi-Hotspots.

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Doch als Corona kam, musste auch die Familie Krätz ihr Restaurant im Lockdown schließen. Und streitet deshalb mit ihrem Betriebsschließungs-Versicherer, weil dieser nicht voll für den Ausfall zahlen will, als keine Gäste mehr kommen durften. Mit Erfolg, wie aktuell die Münchener Lokalredaktion der BILD berichtet. Demnach habe sich die Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft bereit erklärt, große Teile der versicherten Summe zu erstatten. 180.000 Euro will die Wirtsfamilie einklagen.

6859 Euro Jahresprämie

Laut BILD hatte die Wirtsfamilie seit 2016 eine Betriebsschließungs-Police (BSV) bei dem Schweizer Versicherer. Und zahlte auch ordentlich Beitrag dafür. 6.859 Euro Jahresprämie habe man zuletzt dafür gezahlt: fast 572 Euro im Monat. Für maximal 60 Tage Betriebsausfall sei eine Versicherungssumme von 3.000 Euro pro Tag vereinbart gewesen.

Doch für die Monate im Lockdown 2020 wollte der Versicherer laut dem Bericht nicht zahlen. Weil Corona nicht explizit im Vertrag als versicherte Krankheit genannt werde. Was logisch ist: Als er abgeschlossen wurde, gab es Covid-19 noch gar nicht. Daraufhin klagte der Wirt.

Das Landgericht München I sieht ihn im Vorteil: „Die AGBs waren nicht vollständig, wir tendieren in Richtung des Klägers", zitiert die BILD die Vorsitzende Richterin. Sie habe einen Vergleich vorgeschlagen, wonach zwei Drittel der eingeklagten Summe gezahlt werden sollen. Auch Wiesn-Wirt Krätz soll dahin tendieren, auf den Vergleich einzugehen.

Imageschaden nicht auszuschließen

Auch andere Münchener Gastronomen, die eng mit dem Oktoberfest verknüpft sind, haben schon erfolgreich gegen ihren Versicherer geklagt. Unter anderem konnte sich die Ochsenbraterei gegen eine Axa-Tochter durchsetzen und bekam 513.000 Euro zugesprochen: auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Allein vor den Münchener Landgerichten I und II wurden und werden laut dem "Münchener Merkur" 166 Rechtsstreite zur Betriebsschließung verhandelt.

Das Nein vieler Versicherer dürfte der Branche einen Image-Schaden beschert haben. Die Assekuranzen wurden in der Pandemie wiederholt mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie ihre Gewerbekunden im Stich lasse: und sich mit fragwürdigen Begründungen um ihre Leistungspflicht drücke. Nicht nur Gewerbeverbände wie die lokalen DEHOGAs äußerten sich entsprechend. Ein Sketch zu dem Thema schaffte es sogar in die ZDF "Heute Show", auch die BILD berichtete wiederholt prominent zu den Rechtsstreiten. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Guidewire hat sich die Zahl der Menschen, die von der Versicherungswirtschaft eine negative Meinung haben, in Coronazeiten nahezu verdoppelt.

Unterschiedliche Urteile

Aktuell streiten sich weitere Gastronomen mit ihrem Versicherer vor Gericht. Bei den bisherigen Urteilen zeigte sich eine deutliche Tendenz: Gute Chancen auf die volle Versicherungssumme hatten die Klagenden dann, wenn die Klauseln in den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) verweisen und die dort aufgeführten Krankheiten den Eindruck erwecken, dass sie beispielhaft aufgeführt sind - und nicht abschließend. Wird jedoch explizit darauf verwiesen, dass der Versicherer nur bei Betriebsschließungen aufgrund der im Vertrag genannten Krankheiten zahlt, konnten sich bisher die Versicherer durchsetzen. Ein Urteil in höchster Instanz steht noch aus.

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Doch Pandemierisiken werden künftig ohnehin nicht mehr im Rahmen eines Betriebsschließungs-Vertrages versicherbar sein. Die Assekuranzen haben ihren Gewerbekunden im Herbst 2020 bereits Änderungskündigungen geschickt, wonach Schließungen im Rahmen einer entsprechenden Allgemeinverfügung explizit ausgeschlossen sind. Wer die Bedingungen nicht akzeptiert, wird fristgerecht aus dem Vertrag entlassen. Das bedeutet jedoch nicht, dass bei Corona grundsätzlich kein Schutz mehr besteht. Mitversichert ist Covid-19 in der Regel bei Einzelverfügungen: Wenn also ein konkreter Krankheitsfall im Betrieb selbst auftritt und deshalb geschlossen werden muss.