Was bringt der Koalitionsvertrag für Sparer und Anleger?
Der Koalitionsvertrag enthält durchaus spannende und ambitionierte Punkte. Ein Teil davon befasst sich mit der Altersvorsorge der Deutschen. Robert Peres gründete 2016 gemeinsam mit anderen Privatanlegern die Initiative Minderheitsaktionäre, die sich um einen Dialog mit dem Gesetzgeber bemüht und sich für die Rechte von Anlegern einsetzt. In einem Gastkommentar erklärt er, was die Pläne der Ampel-Koalition für die Altersvorsorge der Deutschen bedeuten.
- Was bringt der Koalitionsvertrag für Sparer und Anleger?
- Klare Reformbereitschaft in der Bevölkerung
Die neue Regierung ist nun seit wenigen Tagen im Amt. Sie hat sich mit vielen aktuellen Problemen wie der Omikron-Variante, dramatischen Migrationsbewegungen oder außenpolitischen Spannungen zu beschäftigen. Ein Thema, das zwar keine Tagesaktualität hat, aber alle Bürger in Deutschland berührt, ist die Altersvorsorge. Hierzu hat man während der Regierungsbildung sehr wenig gehört. Der allgemeine Tenor speziell der SPD war, dass das Rentenniveau unangetastet bleibt und kein Grund zur Sorge besteht. Doch gerade die gesetzliche Rente läuft aufgrund der demografischen Entwicklung in ein Riesenproblem.
Anzeige
Der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung übersteigt in diesem Jahr bereits die 100 Milliarden Euro Marke. In wenigen Jahren werden zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen. Wie kann man einer drohenden Rentenlücke für die nächste Generation von Rentnern, den sogenannten Boomern, entgehen? Die Politik hat als Lösung die Einbeziehung von Aktien in der gesetzlichen Rente vorgeschlagen. Die FDP hat durchgesetzt, dass zunächst ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro an der Börse investiert wird. Diese doch sehr geringe Summe soll sich langfristig erhöhen. Eine solches, teilweise kapitalgedecktes System würde mittelfristig zu einer Entlastung der Umlagefinanzierung führen und damit eine wichtige Rolle zur Sicherung des Rentenniveaus leisten.
Eine zukunftsfähige Lösung für das Problem liegt tatsächlich in Aktien, da diese eine der wenigen Anlageklassen mit einem echten effektiven Inflationsschutz darstellen. So lassen sich in der anhaltenden Phase niedriger und zum Teil negativer Zinsen auskömmliche Renditen fast nur noch mit Aktien erzielen. Die durchschnittliche Aktienrendite des DAX für den Zeitraum 1980 bis Ende 2020 liegt bei über acht Prozent. Ein Wert, der für viele alternative Sparprodukte nahezu unerreichbar ist. Eine internationale Betrachtung der Aktienindizes kommt auch für längere Zeiträume auf durchschnittliche Aktienrenditen von sechs bis neun Prozent. Aus diesem Grund sind Aktien ein wichtiges Instrument für Sparer sowohl zum Aufbau als auch zum Erhalt von kleinen und großen Vermögen und könnten für das Modell der kapitalgedeckten Altersvorsorge zum entscheidenden Puzzleteil in Deutschland werden.
Die geplante Einführung einer Aktienrente ist daher absolut der richtige Schritt zur Reformierung unseres in der aktuellen Form nicht zukunftsfähigen Rentensystems. Leider werden die in den Raum gestellten 10 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen, um das Problem zu lösen. Zusätzlich sollte zukünftig ein fester Prozentsatz der Rentenversicherungsbeiträge der Bürger verpflichtend in einen Aktienfonds eingezahlt werden.
Anzeige
Wie ein Turnaround in der Altersvorsorge gelingen kann, zeigen Länder wie Schweden und Norwegen eindrucksvoll. Sie verfügen bereits über erfolgreiche kapitalgedeckte Vorsorgemodelle und sind Deutschland damit schon jetzt um Jahre voraus. Der deutsche Staat muss dabei helfen, dass die Bürgerinnen und Bürger einen gesicherten Ruhestand erleben können, ohne dabei Abstriche an ihrem erzielten Lebensstandard machen zu müssen. Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Thema Altersvorsorge in der Bevölkerung noch einmal an Relevanz hinzugewonnen. So hat sich die Teuerungsrate in Deutschland im September auf ein Niveau von rund vier Prozent erhöht, was zuletzt 1993 beobachtet wurde. Ob die aktuelle Inflation nur vorübergehend ist, also lediglich mit dem Mehrwertsteuereffekt und den höheren Energiepreisen zu erklären ist oder aber eine neue Realität darstellt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Ein Instrument, um gegenzusteuern sind Wertpapiere. Doch ist die Bevölkerung offen dafür?
Klare Reformbereitschaft in der Bevölkerung
Die Deutschen sind zweifelsohne bereit für eine Modernisierung des Altersvorsorgesystems, das zeigt eine von der forsa Politik- und Sozialforschung GmbH im Auftrag der Initiative Minderheitsaktionäre durchgeführte repräsentative Umfrage zur Altersvorsorge und Aktienrente. Über die Hälfte der Befragten (58 %) befürwortet den Vorschlag der Einführung einer Aktienrente als Bestandteil der gesetzlichen Rente. Zudem hält eine knappe Mehrheit der Befragten (51 %) Aktien, Aktienfonds beziehungsweise ETFs als Instrumente zur Absicherung im Alter für geeignet. Unter ihnen sind insbesondere Jüngere zwischen 18 und 45 Jahren.
Die Umfrage spiegelt ein großes Interesse in der deutschen Bevölkerung an der Aktie im Allgemeinen und an einer fixen aktienbasierten Rentenkomponente im Besonderen wider. Und insbesondere unter jüngeren Befragten scheint sich eine vielversprechende Aktienkultur zu entwickeln. Wichtig wird sein, dieses Momentum richtig zu nutzen und den Aktienbesitz für die Allgemeinheit als attraktives Instrument der Vermögensbildung zu etablieren. Die Einführung kapitalgedeckter Elemente bei der gesetzlichen Rente ist da sicher hilfreich. Der Staat kann aber noch viel weitergehende Unterstützung leisten, in dem er für transparentere Aktienmärkte sorgt und die Rechte von Aktionären besser schützt. Wirecard ist da nur ein warnendes Beispiel. Leider haben sich hier die Aufsichtsbehörden nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Anzeige
Sparerfreibetrag und Spekulationsfrist verbessern
Wichtig, um die Altersvorsorge zu erleichtern, wäre die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist für private Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren. Das bedeutet, dass beispielsweise Kursgewinne von Aktien nach einer Haltedauer von einigen Jahren steuerfrei sein sollten. Das würde Privatanleger einen wichtigen Anreiz geben, überhaupt Aktien zu erwerben und sie darüber hinaus über einen längeren Zeitraum zu halten – und eben nicht nach kürzester Zeit wieder zu verkaufen. Die Ergebnisse der forsa-Umfrage bestätigen diese Einschätzung: So wäre es für eine Mehrheit der Befragten (58%) ein Anreiz, verstärkt in Aktien, Fonds, ETFs oder Anleihen zu investieren, wenn diese nach einer Haltedauer von mindestens fünf Jahren steuerfrei wären. Überproportional groß ist die Gruppe der Befürworter dieser Steuerfreiheit bei den 18- bis 29-Jährigen (75%).
Zudem sollte die Politik die Anlegerrechte konsequent stärken – hier legt die forsa-Umfrage, wie oben dargelegt, den Finger in die Wunde: Die Aktionärsrechte in Deutschland sind noch immer unzureichend ausgestaltet – dies drückt sich vor allem in einem mangelnden Mitspracherecht von Minderheitsaktionären aus, die auch die niedrige Zahl an Aktionären hierzulande erklären könnte. Mit dem steigenden Interesse und möglicherweise zukünftigem Zugang der Gesamtbevölkerung zu den Kapitalmärkten, ist eine Stärkung von Anlegerrechten in Deutschland unabdingbar.
Anzeige
Und zu guter Letzt könnte die Erhöhung des Sparerfreibetrags von derzeit 810 EUR pro Jahr auf beispielsweise 3.000 EUR an Aktien interessierte Deutsche zum Kauf bewegen. Immerhin ist dieser seit über zwölf Jahren unverändert und liegt heute sogar niedriger als vor 30 Jahren. Insbesondere für die zusätzliche private Altersvorsorge könnte ein höherer Sparerfreibetrag eine entlastende Wirkung zeigen. Dabei haben alle finanzpolitischen Maßnahmen eines gemeinsam: Die Umsetzung sollte besser heute als morgen erfolgen.
- Was bringt der Koalitionsvertrag für Sparer und Anleger?
- Klare Reformbereitschaft in der Bevölkerung