Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat sich in ihrem Magazin „Aktuar Aktuell“ (Ausgabe 56, Dezember 2021) erneut dazu zu Wort gemeldet, wie große Beitragssprünge in der privaten Krankenversicherung vermieden werden können. Dabei gehen die Aktuare davon aus, dass die Prämien in den letzten zehn Jahren bei den privaten Krankenversicherern weniger stark angestiegen seien als in der gesetzlichen Krankenversicherung. „So liegt die durchschnittliche Beitragserhöhung je Versicherten der letzten zehn Jahre in der GKV bei 3,3 und in der PKV bei 3,0 Prozent pro Jahr“, heißt es im Artikel.

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Was die Aktuare nicht erwähnen: Dass die Beiträge in der GKV steigen, ist plausibel. Sie orientieren sich an den Bruttolöhnen, die -abgesehen vom Coronajahr 2020- ebenfalls in den letzten Jahren anstiegen. Zudem handelt es sich bei den 3,0 Prozent Anstieg bei den Privatversicherern um einen Durchschnittswert. Schon länger werden die Privatversicherer mit dem Vorwurf konfrontiert, dass zumindest einige Anbieter ihre Prämien in Alttarifen stark anheben, um damit neue Kundinnen und Kunden mit günstigen Tarifen anzulocken. Es bestehe die Gefahr, “dass geschlossene Tarife mit zumeist alten Versicherten die aktuellen Tarife mit zumeist jungen Versicherten subventionieren”, kritisierte erst kürzlich Verbraucheranwalt Knut Pilz anlässlich eines Rechtsstreits mit der Axa: und forderte mehr Transparenz bei der Kalkulation.

Schwellen für Prämienanpassungen zu hoch

Aus Sicht der Aktuare resultieren hohe Prämiensprünge in der PKV daraus, dass -stark vereinfacht- Privatversicherer die Beiträge nur zu wenigen Anlässen überprüfen und anheben dürfen. „Die PKV-Beiträge entwickeln sich häufig nicht gleichmäßig, sondern weisen für Versicherte und die Öffentlichkeit nur schwer erklärbare Sprünge auf“, heißt es in dem Bericht. Entscheidend für die Prämie seien die zugrundeliegenden Rechnungsgrundlagen: die Versicherungsleistungen, die Lebenserwartung der Versicherten sowie der Rechnungszins. Sofern sich diese nicht ändern würden, weise das Kalkulationsmodell in der PKV grundsätzlich lebenslang konstante Beiträge auf.

Möglich sei das auch durch die Alterungsrückstellungen. In den ersten Vertragsjahren liegt der zu zahlende Beitrag über den einkalkulierten Leistungen. Aus der Differenz wird die sogenannte Alterungsrückstellung mit aufgebaut. Wenn die Ausgaben für Gesundheitsleistungen die einkalkulierten übersteigen, werde die erforderliche Differenz aus dieser Reserve entnommen. Allerdings verändern sich die Rechnungsgrundlagen im Laufe der Zeit. „Steigende Leistungsausgaben infolge des medizinisch-technischen Fortschritts, höhere Lebenserwartung und sinkende Rechnungszinsen müssen im Rahmen von Beitragsanpassungen in der Kalkulation berücksichtigt werden, um so das über die gesamte Vertragslaufzeit erforderliche Gleichgewicht zwischen Leistungen und Beitrag aufrechtzuerhalten“, heißt es in dem Text.

Der Gesetzgeber räumt den Versicherern deshalb die Möglichkeit ein und verpflichtet sie auch dazu, die Beiträge zu überprüfen und anzupassen. Doch hierbei ist nur der Bezug auf zwei maßgebliche Rechnungsgrundlagen vorgesehen: die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeit. Hier seien die Schwellenwerte, ab denen ein Tarif angepasst und die Prämien entsprechend erhöht werden dürfen, viel zu hoch angesetzt, bemängelt die DAV.

Denn ein privater Krankenversicherer darf die Prämien -stark vereinfacht- nur in zwei Fällen anheben: Wenn die Ausgaben die einkalkulierten Kosten um mindestens zehn Prozent übersteigen. Und wenn die Lebenserwartung der Versicherten stärker steigt als kalkuliert, weil dann im Schnitt auch die Gesundheitskosten steigen: hier liegt der Schwellenwert bei fünf Prozent. Bei diesen Voraussetzungen spricht man von sogenannten auslösenden Faktoren.

Reform der auslösenden Faktoren notwendig

Ein Grund für hohe Beitragssprünge sei, dass die Privatversicherer aufgrund der Zehn-Prozent-Hürde die Prämien lange Zeit nicht anheben dürften, dann aber umso sprunghafter, argumentiert die DAV. Sie setzt sich dafür ein, dass die PKV-Unternehmen die Beiträge schon dann anheben können, wenn die Gesundheitskosten um 5 Prozent stärker steigen als ursprünglich veranschlagt. Das würde zu einem gleichmäßigeren Anwachsen der Prämien führen - und folglich zu weniger starken Prämiensprüngen.

Aber auch der Rechnungszins müsse bei der Berechnung der Schwellenwerte berücksichtigt werden. Der niedrige Zins am Kapitalmarkt trägt dazu bei, dass auch die Alterungsrückstellungen schwieriger zu bilden sind: Hierfür ist der Rechnungszins eine entscheidende Größe. Stark vereinfacht erzielen die Versicherer geringere Zinsen für ihre eingesammelten Beiträge. Das erschwert es auch, aus den Beiträgen Alterungsrückstellungen zu bilden. Die Versicherer müssen also folglich die Prämien erhöhen, um den geforderten Kapitalpuffer für das Alter anzusparen.

Die bestehenden beitragsstabilisierenden Maßnahmen zielen darauf ab, die Beitragserhöhungen ab dem Alter 65 abzumildern, berichtet die DAV. Die hierfür erforderlichen Mittel setzen sich zusammen aus der Beteiligung der Versicherten an den Zinsüberschüssen sowie aus dem gesetzlichen Zuschlag von zehn Prozent auf den Beitrag, den die Versicherten spätestens von Alter 21 bis 60 entrichten. Gezielt werden zudem Mittel aus den Rückstellungen für die Beitragsrückerstattung eingesetzt, um höhere Prämien im Alter abzufedern. Das aktuelle System trage jedoch dazu bei, dass Frauen und Männer im Alter von 60 Jahren aktuell im Schnitt die höchsten Versicherungsbeiträge zahlen müssten.

Höherer gesetzlicher Zuschlag

Die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt tragen nun dazu bei, dass aus den Zinsüberschüssen weniger Mittel zur Beitragsentlastung zur Verfügung stehen. Andererseits gewinnen die Mittel aus dem gesetzlichen Zuschlag an Bedeutung. Zum Hintergrund: Seit dem 1.1.2000 müssen Neuversicherte in der PKV einen Zuschlag von zehn Prozent auf den Beitrag zahlen, um die Beiträge ab dem 65. Lebensjahr konstant zu halten. Versicherte, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine private Vollversicherung hatten, können per Widerspruchsrecht entscheiden, ob sie auch den Zuschlag zahlen wollen. Er wurde 2001 mit zwei Prozent eingeführt - und jährlich bis zum Erreichen von zehn Prozent Bruttoprämie um zwei Prozentpunkte angehoben.

Die Lösung der Aktuare: Hier solle der gesetzliche Zuschlag erhöht und auch länger gezahlt werden, um die Prämien zu verstetigen. „Die Verwendung der angesparten Mittel sollte zeitlich so gestreckt werden, dass die angestrebte Beitragsglättung auch noch in höheren Altern erreicht werden könnte. Auch hierbei sind verschiedene Ansätze denkbar, die jedoch alle Änderungen an der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz erfordern würden“, schreibt der Verband.

Tarifwechsel: Anrechnung der Alterungrückstellungen begrenzen?

Darüber hinaus will die DAV auch beim Tarifwechsel Einschnitte vornehmen. "Das Tarifwechselrecht ist generell ein sinnvolles Instrument zur Beitragssenkung. Sehr starke Beitragsreduzierungen führen jedoch dazu, dass es bei anschließenden Beitragsanpassungen zu sehr hohen prozentualen Beitragssteigerungen kommen kann. Dies könnte verhindert werden, indem beim Tarifwechsel die beitragswirksame Anrechnung der Alterungsrückstellung begrenzt würde", schreibt der Verband.

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Die nicht berücksichtigten Alterungsrückstellungen könnten nun verwendet werden, um künftige Beitragserhöhungen abzumildern oder die Prämien im Alter zu stabilisieren. Auch hierfür wäre eine Änderung der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung erforderlich.