Wie Roboter die Rente retten sollen
Der Ökonom Thomas Straubhaar übt Kritik am ständigen Mantra vieler seiner Kollegen, dass nur eine längere Lebensarbeitszeit die Rente retten könne. Auf die Länge der Arbeit komme es gar nicht an – sondern auf die Produktivität der Wirtschaft. Mit Hilfe der Digitalisierung könne da sogar eine kürzere Arbeitszeit denkbar sein.
Sollen die heutigen Beschäftigten länger arbeiten – und dabei noch deutlich niedrige Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) akzeptieren müssen? Das ist eine häufige Forderung speziell arbeitgebernaher Institute – aber auch Gundula Roßbach, Präsidentin der DRV, zeigt sich für eine längere Lebensarbeit offen, wie sie der BILD in einem Interview sagte.
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Die Argumente sind bekannt: Spätestens 2025, wenn viele Babyboomer in den Ruhestand wechseln, gerate das Umlageverfahren der Rente stark unter Druck. Dann geht die sogenannte Babyboomer-Generation in Rente: folglich die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre, die dazu beitragen werden, dass das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern in Zukunft sich weiter verschärfen wird. Nach Prognosen des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) Köln kommen im Jahr 2030 auf einen Rentner nur noch 1,5 Beitragszahler. Die Forderung: Das Rentenalter muss rauf bzw. an die längere Lebenserwartung der Deutschen angepasst werden. Eine „Rente mit 70“ ist kein Tabu mehr.
“Intellektuell armselig“
In einem bemerkenswerten Kommentar für die Tageszeitung „WELT“ meldet sich nun Thomas Straubhaar zu Wort, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Er bezeichnet das ständige Mantra seiner Kollegen, das Rentenalter müsse rauf, als „intellektuell armselig“. Die Vision, ständig länger arbeiten zu müssen, sei nicht nur für die jungen Generationen wenig attraktiv. Sie verschärfe auch ohnehin bestehende soziale Unwuchten. Denn jene, die einen körperlich anstrengenden Knochenjob haben, sterben teils deutlich früher, wie der Hansestädter argumentiert. Sie zahlen also Beitrag für eine Rente, die sie gar nicht lang erhalten werden. Zahlen nennt er an dieser Stelle nicht: aber unter anderem hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gezeigt, dass Arbeiter eine um fünf Jahre geringere Lebenserwartung haben als Gutverdiener oder Beamte.
Aus Sicht der Sozialkassen gehe es aber gar nicht um die Arbeitszeit jenseits des 65. Geburtstags, sondern um die gesamte Lebensarbeitszeit, argumentiert Straubhaar. „Wäre es da nicht klüger, ab 2022 schon mehr aus dem Arbeitsleben der hochleistungsfähigen 20- bis 65-jährigen herauszuholen anstatt künftig Seniorinnen noch länger zu Tätigkeiten zu zwingen, die weder altersgerecht sind noch gut bezahlt werden?“, fragt der Ökonom. Hier gebe es auf dem Arbeitsmarkt bereits große Potentiale. Gerade Frauen und Zuwanderer würden oft mehr arbeiten wollen, als ihnen erlaubt sei. Deren Arbeitszeit solle zuallererst aktiviert und ausgeschöpft werden.
In einem zweiten Schritt aber hebelt Straubhaar auch das Argument aus, es ginge bei einer zukunftsfähigen Rente um die Lebensarbeitszeit. Das Einzige, was zähle, sei die Produktivität: also, was an ökonomischen Mehrwert während der Arbeitszeit erwirtschaftet werde. Die Forderung, länger zu arbeiten, führe da sogar in die Irre. Auch aufgrund physischer Grenzen des Menschen: wer (zu) lange arbeite, sei ausgebrannt, müder und mache mehr Fehler. Mit anderen Worten: Er ist weniger produktiv.
Die Antwort liegt in der Digitalisierung
Statt länger zu arbeiten, gelte es folglich, die Produktivität während der Arbeitszeit zu steigern, um das Umlagesystem der Rente zu finanzieren, argumentiert Straubhaar. Hier sei der Fokus auf Jüngere zu richten. Mit weniger Arbeitsstunden solle mehr Wertschöpfung erreicht werden.
Hier hat der Ökonom die Digitalisierung im Blick. Es gelte, die Arbeit der jungen Menschen mit Robotern bzw. anderen digitalen Techniken zu unterstützen: „Je mehr Arbeit von Automaten erledigt wird, umso höher wird die Arbeitsproduktivität der Beschäftigten und mit umso weniger menschlicher Arbeitszeit wird umso mehr geschaffen“. Doch das erfordere auch, dass die von Maschinen geleistete Arbeit zur Finanzierung der Rente mit herangezogen würden. „Wenn Maschinen Menschen die Arbeit abnehmen, müssen sie anstelle der Beschäftigten zur Sozialkasse gebeten werden“.
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Wie das aussehen kann, diese Antwort bleibt Straubhaar in seinem Kommentar schuldig. Merkt aber an, dass dies einen neuen Generationenvertrag erfordere – und folglich auch eine neues Modell, wie Rentenansprüche erworben und finanziert werden. Es ist eine sehr optimistische Zukunftsvision. Denn eine andere Gefahr wäre: Dass viele Arbeitsplätze schlicht durch Maschinen ersetzt werden.