IDD und MiFID II: Übersetzungsfehler der EU verschärft Nachhaltigkeits-Vorgaben bei Finanzberatung unfreiwillig
Ab August 2022 sollen Vermittlerinnen und Vermittler ihre Kundschaft auch über Nachhaltigkeitskriterien informieren und sie dazu befragen, wenn sie bestimmte Anlageprodukte vermitteln. Doch bei der Übersetzung der entsprechenden Delegierten Verordnung vom Englischen ins Deutsche passierte ein Übersetzungsfehler, wie nun der Votum Verband informiert.
Die EU will die Finanzbranche zu mehr Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit zwingen. Das betrifft auch Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler. Wenn sie Versicherungsanlageprodukte vertreiben, etwa Fondspolicen und kapitalbildende Lebensversicherungen, müssen sie ihre Kundinnen und Kunden künftig danach fragen, ob und in welchem Umfang sie Nachhaltigkeits-Aspekte bei der Auswahl ihrer Altersvorsorge berücksichtigt haben wollen. Diese Beratungspflichten sollen ab dem 02. August 2022 gelten.
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Entsprechend wurden die Richtlinien MiFID II und IDD angepasst: sowie die entsprechenden Verordnungen. Doch bei der deutschen Übersetzung des englischen Originialtextes ist ein dummer Fehler passiert, wie aktuell der VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen informiert. Einer, der deutschen Vermittlerinnen und Vermittlern weit engere Grenzen setzt, als dies ursprünglich von den EU-Gesetzgebern angedacht war.
Fehlerhafte Übersetzung lässt weniger Produktauswahl
Konkret geht es um die Delegierte Verordnung 2021/1253, mit der unter anderem festgelegt wird, wie Nachhaltigkeitsfaktoren in der Beratung zu berücksichtigen sind. In der deutschen Übersetzung heißt es: „‚Nachhaltigkeitspräferenzen‘ meinen die Entscheidung eines Kunden oder potenziellen Kunden darüber, ob und, wenn ja, inwieweit eines der folgenden Finanzinstrumente in seine Anlage einbezogen werden soll […]“. Damit unterscheidet sich der deutsche Text aber deutlich vom Original. Dort ist von „one or more of the following financial instruments“ die Rede. Es folgen in der Verordnung dann drei Kategorien von Finanzinstrumenten, die Nachhaltigkeitskriterien verschieden streng berücksichtigen.
Was das Problem bei der fehlerhaften Übersetzung ist, erklärt Votum-Chef Martin Klein im Interview mit cash-online.de. Es entstehe der Eindruck, „dass sich Kunde und Vermittler im Beratungsprozess auf eine der drei vorgegebenen Gestaltungsalternativen für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen festlegen müssen. Mit der korrekten Übersetzung ergibt sich ein deutlich breiter gefasster Beratungshorizont. Durch die nun bestehenden Kombinationsmöglichkeiten entsteht natürlich eine größere Vielfalt in der Produktauswahl“, so Klein. Denn in der englischen Version heiße es ganz eindeutig „eines oder mehrere Finanzinstrumente“, sodass sich in der Beratung nicht auf eine der drei Kategorien festgelegt werden müsse.
Fehler werde bereits korrigiert
Rechtsbindend sei aber die britische Originalfassung, berichtet Klein weiter. Auch sei man bereits dabei, den Fehler zu korrigieren. "Schon im September letzten Jahres wurde im Europäischen Amtsblatt eine entsprechende Berichtigung veröffentlicht", sagt er Cash Online. Die Änderung sei aber noch nicht in die offizielle EUR-Lex Datenbank übernommen worden, auch wurde die Öffentlichkeit nicht informiert.
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Ein weiteres Problem: Wenn die Berater schon rechtssicher zum Thema Nachhaltigkeit informieren sollen, fehlen verbindliche technische Regulierungsstandards (RTS) noch: Diese sollen erst 2023 kommen. Eine rechtssichere Beratung sei aber vorher den Vermittlern gar nicht möglich, gibt der Votum Verband zu bedenken. Er fordert deshalb in einem offenen Brief an die Europäische Kommission, den Start der Abgabepflicht zu verschieben.