Der ADAC ist nicht nur Deutschlands bekanntester Automobilklub: Er bietet auch viele weitere Services und Produkte an, unter anderem Versicherungen. Das hat den Konzern nun für Impfgegner interessant gemacht. Genauer gesagt eine Klausel in den Unfallversicherungs-Bedingungen. Dort heißt es, „Schäden aufgrund angeordneter Massenimpfungen“ seien explizit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Bei Twitter und Facebook wird der ADAC nun deshalb zum vermeintlichen Zeugen dafür, dass eine Corona-Schutzimpfung mehr Schaden als Nutzen bereite bzw. potentiell tödlich sei. Die Behauptung: Die Klausel sei erst kürzlich ergänzt worden, weil der ADAC nicht für Coronaimpfungen haften wolle und nun eine Impfpflicht drohe.

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Prominente "Impfskeptiker" verbreiten Behauptung weiter

Einer, der dazu beitrug, dieses Gerücht zu verbreiten, war der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg. Allein bei Twitter hat er fast 64.000 Follower. Er wurde für Impfgegner und Coronaleugner mit seinen Behauptungen eine Art Ikone, da Homburg als emeritierter Ökonomie-Professor und Statistiker sich stets mit Zahlen befasste. Am 20. Januar verbreitete in einem Tweet einen Screenshot von der Webseite des ADAC, in dem auf den Ausschluss aufmerksam gemacht wird. Dazu schrieb er: „Der ADAC hat seine Klauseln angepasst. Wer das nicht versteht, dem ist nicht zu helfen“. Dieser Tweet wurde bis heute mehr als 4.700mal geliked und fast 2.000mal geteilt. Auch Tom Bohn, ein „Tatort“-Regisseur und Drehbuchschreiber, verbreitete den Tweet weiter.

Aber auch bei Facebook nahmen Impfgegner den ADAC unter Beschuss. So zitiert der „Bayerische Rundfunk“ einen beispielhaften Kommentar: "Ich hoffe mal, dass die Enthusiasten der Corona-Impfung gecheckt haben, dass sogar der ADAC nicht bereit ist C-Impfschäden mit der hauseigenen Unfallversicherung abzudecken. Sie müssen wohl mehr wissen als die verstrahlten Corona-Jünger bereit sind, zuzugeben - oder sie wissen gar nichts." Die Versicherer müssen nun als vermeintlicher Beleg dafür herhalten, dass es besser sei, sich nicht impfen zu lassen: angeblich, weil sie ein Wissen haben, das der Bevölkerung vorenthalten werden soll.

ADAC verwendet Impfklausel bereits seit 2007

Doch der ADAC wehrt sich – und verweist darauf, dass besagte Klausel bereits seit 2007 Bestandteil der Unfallversicherung sei. „Der hier mehrfach geteilte Passus aus der ADAC Unfallversicherung wurde nicht wegen der aktuell diskutierten Corona-Impfpflicht aufgenommen. Er ist bereits seit 2007 Bestandteil der Versicherungsbedingungen“, positionierte sich der Klub ebenfalls bei „Twitter“. Dem Recherchenetzwerk „correktiv.org“ schicke Sprecher Alexander Machowetz zudem eine Kopie des alten Bedingungswerkes aus besagtem Jahr. Aus diesem gehe hervor, dass die Klausel damals bereits Teil der Verträge war, berichtet das Netzwerk. Die aktuellen Versicherungsbedingungen, die der ADAC auf der Webseite zur Einsicht bereit hält, sind auf dem Bearbeitungsstand von Juni 2018.

Anlass, diese Klausel vor 15 Jahren in den Vertrag aufzunehmen, sei im Gegenteil gewesen, dass man Impfschäden in den Unfallschutz aufgenommen habe, berichtet Machowetz weiter. „Vorher waren sie, wie seinerzeit üblich, gar nicht versichert“, zitiert ihn correctiv.org. Wenn ein Impfschaden auftrete, würden diese vom Versicherer individuell geprüft – das gelte auch für Corona-Impfungen. Tatsächlich aber seien Impfungen, für die es „eine staatliche verfügte Impfpflicht gibt, die sich an einen breiten Personenkreis richtet“, vom Versicherungsschutz seit jeher ausgeschlossen. Denn für diese hafte der Staat.

Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) positioniert sich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk, dass Infektionsschäden bei Unfall-Policen in der Regel ausgeschlossen seien. Das ergibt sich bereits aus der Definition des Unfallbegriffes: ein "Plötzlich von außen unfreiwillig auf den Körper einwirkendes Ereignis". Impfungen sind demnach weder plötzlich noch unfreiwillig, auch wirken sie im Inneren des Körpers. Im welchen Umfang dennoch Schutz besteht, hängt schlicht von den jeweiligen Vertragsbedingungen ab. Manche Versicherer führen Impfungen, für die Schutz besteht, zum Beispiel namentlich in den Bedingungen auf: etwa für Windpocken oder Diphterie.

Private Krankenversicherung: höhere Prämien für Ungeimpfte im Gespräch

Tatsächlich gibt es in der Versicherungsbranche auch genau gegenteilige Bestrebungen: Ungeimpfte bei bestimmten Versicherungsarten mehr zur Kasse zu bitten. So hat R+V-Chef Norbert Rollinger im Oktober 2021 vorgeschlagen, dass Corona-Impfverweigerer in der privaten Krankenvollversicherung höhere Prämien zahlen müssen.

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“Ich sage es einmal deutlich: Impfverweigerer zeigen ein sozial schädliches Verhalten – wenn es nicht gute medizinische Gründe gibt, die im Einzelfall gegen eine Impfung sprechen“, argumentierte Rollinger in einem Interview mit t-online.de. Der Vorstand begründet dies mit dem individuell höheren Risiko zu erkranken. Das seien schließlich Kosten der Gemeinschaft: Wenn jemand wegen Corona auf der Intensivstation lande, sei das deutlich teurer als eine Impfung. Mit anderen Worten: Wer auf Impfschutz verzichtet, kostet die Krankenversicherer im Zweifel mehr Geld.