Verkauf der Maklerfirma: Millennial und ausgebrannt?
Die Generation der Millennials müsste zu den Glücklichen gehören. Um die Jahrtausendwende geboren. Mit Smartphone und Internet aufgewachsen. Unbegrenzte Möglichkeiten, die Welt kennenzulernen. Unendliche Perspektiven für Ausbildung und Berufswahl. Und doch leiden viele an Überforderung. Darunter auch Maklerinnen und Makler dieser Generation. – Eine Kolumne mit der Suche nach Antworten.
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- Rückkehr zur Off-The-Clock-Arbeit
Es mag Zufall sein, aber in meiner Beratungspraxis häufen sich die Fälle, in denen Millennials – die um die Jahrtausendwende geboren sind – verstärkt auf ihren beruflichen Alltag und ihr Leben reflektieren. Private Probleme, Schlaflosigkeit, nicht mehr zu bewältigender Stress oder sogar Zeichen von Burnout erfassen immer mehr die Gedanken, die sich spiralförmig bei den Betroffenen verstärken. Die Aufgabe des eigenen Unternehmens und die Suche nach Alternativen sind die Folge.
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Keine einfache Suche nach Ursachen
Die Generation der Millennials - besonders unter den Versicherungsmaklern - ist vielfach durch Ehrgeiz, Perfektionismus, Innovationsfreude und dem Drang nach schnellem Erfolg geprägt. Über Jahrzehnte etablierte Abläufe in Maklerunternehmen müssen neu gestaltet werden. Auf gewohnte Routinen der Vorbesitzer oder Eltern will und kann man nicht mehr zurückgreifen. Allein die Möglichkeiten der Digitalisierung haben viele Geschäftsabläufe komplett verändert und die andauernde Pandemie hat die Veränderungsprozesse beschleunigt.
Der daraus entstehende Druck wird durch dauerhaft höheren Basisdruck der medialen Überreizung, extrem gestiegener Serviceerwartungen und veränderter Kommunikationsformen mit Kunden, Freunden und in der Familie verstärkt. Die Betroffenen stellen sich im Gefühl des Ausgebrannt-Seins die Frage nach den Ursachen. „Ich arbeite doch die ganze Zeit und schaffe dennoch nicht das, was ich will. Sind die Erwartungen an mich zu hoch? Hat sich in meinem Alter alles noch verstärkt?“
In der Folge steigen Ungeduld und Konflikte in der Familie, in der Firma und auch mit Kunden. Die Gefahr des Zusammenbruchs durch Überarbeitung und Stress steigt. Und die Sehnsucht nach Veränderung wird selbst bei erfolgreichen prämierten Jungmakler in der Aussage deutlich: Ich sehne mich nach der 3-Tage Woche.
Detaillösungen helfen nicht weiter
Die Suche nach Lösungen beginnt: Was machen ich falsch? Wie kann ich mehr Zeit für mich gewinnen? Muss ich mehr Aufgaben delegieren? Brauche ich mehr Mitarbeiter? Muss ich einen Timer für meine Anwesenheit in sozialen Medien einführen?
Der @AssekuranzDoc
Der @AssekuranzDoc
Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.
Jeder mögliche Lösungsweg, der mit den aufgeführten Fragen zusammenhängt, greift, allein für sich, zu kurz. Natürlich kann man sich den Tag besser organisieren, wenn man beispielsweise einen Timer für die Zeit bei Instagram, Facebook oder anderen sozialen Medien schaltet, um sich hier nicht zu verlieren.
Doch beginnen sollte man mit grundsätzlichen Fragen: Was sind meine Ziele? Wie will ich diese erreichen? Welchen Zeitaufwand will ich investieren?
Die Überforderung oder, anders formuliert, die Identitätskrise, ist häufig der Endpunkt von früheren Fehlentwicklungen als Unternehmer und Führungskraft. Handwerkszeuge wie die Fähigkeit zur Delegation, der Koordination oder Kooperation fehlen und bauen sich immer stärker zu einer Komplexitätskrise aus, aus der der Unternehmer oder die Unternehmerin keinen Ausweg mehr sieht.
Greifen wir ein Beispiel auf: Nicht wenige Makler der Millennium-Generation führen das Unternehmen eines Elternteils weiter. Wie bei früheren Generationen wird erwartet, dass es der nächsten Generation besser gehen soll. Der Erfolg der Vorjahre „muss“ nicht nur wiederholt, sondern noch gesteigert werden. Die Methoden und Mittel bleiben oft gleich, passen aber nicht mehr in die Zeit.
Diese Erwartungshaltung an ständiges Wachstum blendet aus, dass fortschreitende Deregulierung der Wirtschaft, die stärkere Regulierung des Finanzsektors in der EU, die anhaltende Finanzkrise sowie die fortschreitende Digitalisierung viel Stabilitätsfaktoren der Vergangenheit angegriffen haben. Auch die Aussichten der Demografie in Deutschland, zur Entwicklung des Mittelstandes und der zukünftigen Altersversorgung hinterlassen ihre Spuren bei dieser Generation.
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Der höhere Anspruch, perfekt zu sein, braucht eine tragfähige Basis, die sich aus den selbst definierten Zielen ergibt. Eine Maklerin, die in zweiter Generation den umfassenden Kunden- und Vertragsbestand des Vaters mit mehreren tausend Verträgen betreut, braucht wohl eher weniger Social-Media-Präsenz mit dem adäquaten Zeitaufwand auf Instagram, Facebook oder LinkedIn als ein Jungmakler mit Orientierung auf neue Online-Kunden, für den die gesamte Einkommensquelle darin besteht, selbst online zu performen und zu vermitteln.
Rückkehr zur Off-The-Clock-Arbeit
Besonders die Millennium-Generation unterliegt den Möglichkeiten und der Gefahr, die Grenzen zwischen Arbeit und Vergnügen aus den Augen zu verlieren. Es gehört zu den starken Möglichkeiten und Gefahren dieser Zeit den Markt zu beobachten, die eigene Marke im Markt zu vertiefen und sich selbst besser zu vermarkten. Und gleichzeitig Zeit zu verlieren, die für Regeneration, sportliche Betätigung, Familie und Freunde sinnvoll zu verwenden wäre.
Besonders der Aufstiege und die Verbreitung de Smartphones haben diesen fließenden Übergang von Arbeit, Beruf, Spaß und Spiel gefördert. Smartphones können alles - und die Möglichkeit, alles und jedes zu posten fördert Abhängigkeiten, erhöht den Basisdruck und führt nicht selten dazu, dass es physisch und psychisch keine Ruhephasen mehr gibt.
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Deshalb gilt es, zum jeweils selbst definierten beruflichen Ziel den passenden persönlichen Workflow zu finden und das persönliche Zeitmanagement zu organisieren. Gerade ein gutes und nachhaltiges Zeitmanagement ermöglicht es, zum Off-The-Clock-Arbeiten zurückzukehren. Jeder sei sich dessen bewusst, dass die Abhängigkeiten, die sich aus dem Verschwimmen der Grenzen zwischen der Arbeit und dem Privaten ergeben, gefährlich werden können.
Es gehören Konsequenz, Standhaftigkeit und Regeln dazu, sich nicht im 24-Stunden-Tag den berechtigten Themen oder dem weniger notwendigen Zeitdruck durch Kunden hinzugeben. Die Gefahren einer Überlastung, eines Burnouts, sind nicht zu unterschätzen. Der Psychoanalytiker Josh Cohen wird bei buzzfeednes.com dazu so zitiert:
„Die Erschöpfung beim Burnout kombiniert eine intensive Sehnsucht nach diesem Zustand der Vollendung mit dem quälenden Gefühl, dass es nicht erreicht werden kann, dass es immer eine gewisse Nachfrage oder Angst oder Ablenkung gibt, die nicht zum Schweigen gebracht werden kann…
Sie fühlen sich Burnout, wenn Sie alle Ihre internen Ressourcen erschöpft haben, können sich aber nicht von dem nervösen Zwang befreien, trotzdem weiterzumachen.“
Wege als aus der Überlastungs-Situation
Zunächst sollten die Signale des Körpers bewusst wahrgenommen und erkannt werden. Schlafstörungen, Reizbarkeit, Kopfschmerzen und Differenzen im Sozialleben gehören ebenso zu den Anzeichen für Überlastung wie steigende Arbeitszeiten und ein Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse und Interessen. Paart sich dies mit körperlichen Beschwerden, dann ist der Punkt für professionelle medizinische Hilfe erreicht, die aber hier nicht mein Thema sein kann.
Neben einer guten Therapie gilt es den beruflichen und persönlichen Alltag so zu gestalten, dass das Arbeitsaufkommen so gestaltet wird, dass der damit verbundene Zeitaufwand genügend Zeit für Ausgleich, Familie und eigene Interessen lässt. Eine Veränderung des Zeitmanagements und des Lebensstils muss folgen. Medizinische Spezialisten gehen davon aus, dass das Verlassen gewohnter stressiger Pfade zirka sechs Wochen dauert, ehe der Organismus zur Ruhe kommt. Dann sollte das neue Zeitmanagement starten.
Als Unternehmensberater schauen wir uns dazu die Zeitfresser und die Möglichkeiten zur Zeitersparnis an. Allein durch eine bessere Arbeitsorganisation, durch Arbeitsteilung und Reduzierung der Tätigkeiten auf Kernkompetenzen kann die ständige Überbeanspruchung des Nervensystems reduziert werden. In „Neuer Kurs für Maklerunternehmen“ schreibe ich dazu:
„Es kann nicht das Ziel sein, dass der Vermittler aus einer 40- oder 50-Stunden-Woche dauerhaft eine 60-Stunden-Woche macht. Die Umstellung von immer mehr Teilen des Arbeits- und Lebensprozesses auf digitale Basis hilft Zeit zu sparen. Es gilt aber auch einen Plan für Prioritäten aufzustellen und konsequent umzusetzen.“
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Persönliche Prioritäten festlegen bedeutet zu wissen, was zählt. Alles Lebensbereiche stehen in Wechselwirkung zusammen. Betone ich die eine Seite des Lebens mit meiner Energie, dann steht diese für andere Bereich nicht zur Verfügung. Das persönliche Gleichgewicht gerät aus den Fugen und so mancher Makler sieht dann nur noch den Notausgang: Weg mit dem Bestand, weg mit der Firma – ich will raus.
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