Die Generali hält bisher 38,5 Prozent am russischen Versicherer Ingosstrakh: das ist ein Schwergewicht auf dem heimischen Markt, viertgrößter Versicherer Russlands. Besonders im See-, Luftfahrt- und Transport-Bereich ist der Moskauer Konzern stark engagiert, aber auch im Leben- und Sach-Bereich. Und diese Anteile werden nun für beide Seiten zum Problem. Um es mit einem Song von The Clash auszudrücken: „Should I Stay or Should I Go?“ Trouble in in jedem Fall garantiert.

Anzeige

Wie auch andere Versicherer hat die Generali angekündigt, beim Russland-Geschäft die Reißleine ziehen zu wollen. Doch von den Ingosstrakh-Anteilen trennen sich die Italiener vorerst nicht. Man prüfe eine derartige Option, berichtet „Versicherungswirtschaft Heute“. Aus dem Verwaltungsrat der Moskauer hat sich die Generali bereits vor einer Woche zurückgezogen und ihr Büro in der russischen Hauptstadt ebenfalls geschlossen.

Doch mit dem Rückzug könnte die Existenz des russischen Versicherers auf dem Spiel stehen. Und damit ein Anbieter, der zum Beispiel für den weltweiten Lebensmittel-Handel von Bedeutung ist. Dieser kam mit dem Ukraine-Krieg weitestgehend zum Erliegen, was auch den Wert des russischen Versicherers -vorerst- pulverisiert haben könnte.

Wichtiger Versicherer für den Lebensmittel-Handel

Benjamin Hatton, Analyst beim Londoner Beratungshaus GlobalData, berichtet gegenüber der britischen „Actuarial Post“: “Das Schwarze Meer ist ein wichtiger Standort für die weltweite Verschiffung von Mais und Weizen, der durch die anhaltende Krise in der Ukraine völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist und die Risiken der Geschäftstätigkeit in diesem Gebiet enorm erhöht hat. Viele westliche Schifffahrtsunternehmen haben ihre Aktivitäten in der Region inzwischen eingestellt, was erhebliche Auswirkungen auf Ingosstrakh gehabt haben könnte.“

Will die Generali nun ihre Anteile abstoßen, könnte das nur unter erheblichen Verlusten geschehen: wobei die Generali groß und diversifiziert genug ist, mögliche Einbußen aufzufangen. Zudem ist die Bedeutung von Russland als Lebensmittel-Exporteur nicht zu unterschätzen. Fast 30 Prozent der weltweiten Weizen-Exporte stammten bisher aus Russland und der Ukraine, berichtet der Deutschlandfunk. Auch bei Gerste, Mais und Sonnenblumenöl hielten die Republiken bisher hohe Weltmarkt-Anteile. Speziell in Ländern Nordafrikas und im Mittleren Osten drohe durch den Ukraine-Krieg eine Hungersnot.

Ingosstrakh war hier ein wichtiger Akteur, um die Risiken der Lebensmittel-Exporte abzusichern: und damit auch wichtig für die Reedereien. Fraglich ist, ob langfristig auf Russland und die Ukraine als eine Kornkammer der Welt verzichtet werden kann. Aktuell hat Russland einen befristeten Exportstopp für mehrere Getreide-Sorten verhängt, der vorerst bis zum 30. Juni gelten soll.

Versicherer dürften weiter kooperieren

Fakt ist: Will die Generali die Anteile halten, muss sie derzeit keinen Ärger fürchten. Das Versicherungs-Geschäft ist nicht direkt von den westlichen Sanktionen gegen Russland erfasst, die Assekuranzen dürften deshalb weiter mit Firmen aus der Föderation kooperieren. Viele Versicherer ziehen sich bisher freiwillig aus dem Riesenreich zurück: auch, weil sie einen Imageschaden fürchten bzw. den Krieg selbst verurteilen.

Probleme könnte jedoch von russischer Seite geben. Auf die harten Sanktionen vieler Staaten dieser Welt hat Putin ebenfalls mit Gegensanktionen reagiert. Bis vorerst 31. Dezember 2022 soll es russischen Versicherern verboten sein, Geschäfte mit Versicherern, Rückversicherern und Versicherungsmaklern aus „unfreundlichen Staaten“ zu tätigen, berichtet "Versicherungswirtschaft Heute“. Fraglich ist, ob das auch für bestehende Kooperationen gilt. Putin drohte westlichen Firmen, die ihr Russland-Geschäft aufgeben, sogar mit Verstaatlichung des russischen Besitzes.

Anzeige

Doch eine mögliche Abwicklung der Ingosstrakh-Anteile erschweren auch die Sanktionen gegen großrussische Banken, die vom globalen Finanzzahlungssystem SWIFT abgekoppelt wurden, erklärt Analyst Hatton der "Actuarial Post". Denn über ebenjene Banken müsste das Geschäft wohl laufen. Im Jahr 2020 erzielte der russische Versicherer Prämien-Einnahmen von umgerechnet 910,1 Millionen US-Dollar, während die Generali im abgelaufenen Geschäftsjahr 75,8 Milliarden Euro an Beitragseinnahmen (83,26 Milliarden US-Dollar) erlösen konnte. Schon dieser Zahlen-Vergleich zeigt, dass die Ingosstrakh-Anteile eher keine große Nummer für die Generali sind.