Teslas Autoversicherung könnte zum Vorbild für andere Autobauer werden
Der Tech-Konzern Tesla bietet eigene Kfz-Versicherungen für seine PKW an: und könnte damit den Markt für solche Policen umkrempeln. Denn andere Autobauer könnten dem Beispiel folgen und für ihre Modelle ebenfalls selbst als Versicherer einspringen, argumentiert die Rating-Agentur Moody’s. Beispiele für entsprechende Pläne sind aber noch nicht bekannt.
- Teslas Autoversicherung könnte zum Vorbild für andere Autobauer werden
- Niedrigere Kosten aufgrund hoher Markenbindung
Der Autobauer und Tech-Konzern Tesla will auch ein erfolgreicher Versicherer werden: Das ist kein Geheimnis. In fünf US-amerikanischen Bundesstaaten bieten die Texaner bereits ihr Kfz-Versicherungen an, eine Versicherungs-Niederlassung für Deutschland wurde auch bereits mit Sitz im brandenburgischen Grünheide angemeldet. „Wir bauen ein großartiges, bedeutendes Versicherungsunternehmen auf“, sagte Firmenchef Elon Musk 2019 vor Investoren.
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Welche Folge der Markteintritt von Tesla für die Versicherungsbranche haben könnte, damit hat sich nun die US-amerikanische Ratingagentur Moody’s auseinander gesetzt. Mit dem Ergebnis, dass bei einem Erfolg des Modells eine wachsende Bedrohung für die etablierten Autoversicherer entstehen könnte.
„Tesla’s insurance venture puts incumbents under added pressure to innovate“ ist der Bericht des Ratinghauses betitelt, der aktuell im US-amerikanischen Branchenmagazin insurancejournal.com vorgestellt wird. Der Report will die potentiellen Wettbewerbsvorteile des Tech-Konzerns herausstellen. Und er stellt die These auf, dass das Versicherungs-Modell auch für andere Autobauer attraktiv sein könnte, die dann Versicherer aus dem Markt drängen.
Daten erlauben Safety Score
Als wichtigen Vorteil von Tesla hat Moody’s die enorme Datenmenge ausfindig gemacht, über die der Autobauer verfügt. Er kann das Fahrverhalten der Tesla-Fahrerinnen und -fahrer überwachen: ohne hierfür extra Technik installieren zu müssen. Das Auto misst ohnehin ständig sensible Daten. Damit ist der Konzern in der Lage, sicheren Fahrern erhebliche Prämieneinsparungen zu bieten. Im Schnitt verspricht Tesla bei vorsichtiger Fahrweise Prämieneinsparungen von 20 bis 40 Prozent, im Idealfall gar bis zu 60 Prozent.
Das erlaubt es Tesla, die Prämie des Autofahrers quasi in Echtzeit anhand der Fahrtdaten zu berechnen - und auch das individuelle Unfallrisiko genauer prognostizieren zu können. Der monatliche „Sicherheits-Score“ ist hierbei Schlüsselfaktor für die monatliche Prämie. Hierfür sind die Texaner nicht auf klassische Tarifmerkmale gebunden, wozu in den USA etwa auch die Kreditwürdigkeit zählt. Stattdessen werden laut Tesla-Webseite fünf Faktoren berücksichtigt:
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- “Auffahrwarnungen per 1.000 Meilen“: Stark vereinfacht misst das Fahrzeug die Zahl von Warnungen, wenn ein Zusammenprall zum Beispiel mit einem anderen Fahrzeug droht, etwa bei zu dichtem Auffahren.
- “Hartes Bremsen“: Wenn ein Fahrer plötzlich oder abrupt abbremst, wird das nach einer bestimmten Formel negativ gewertet - solange sich der Fahrer nicht im Autopilot-Modus bewegt.
- “Aggressives Abbiegen“: plötzliche Links-/ Rechtsbeschleunigungen werden ebenfalls negativ gewertet
- “Unsicheres Folgen“: Der Tesla misst seine eigene Geschwindigkeit, die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs und den Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen. Auf der Grundlage dieser Messungen berechnet das Fahrzeug die Anzahl der Sekunden, die der Fahrer zum Reagieren und Anhalten benötigt, wenn das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich zum Stehen kommt. Das „unsichere Folgen“ wird laut Hersteller nur ab einer Geschwindigkeit von 50 Meilen pro Stunde (etwas über 80 km/h) erfasst.
- “Erzwungene Deaktivierung des Autopiloten“: Das Autopilot-System schaltet sich für den Rest der Fahrt ab, nachdem der Fahrende drei akustische und optische Warnungen gesendet hat: zum Beispiel, weil der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt oder unaufmerksam reagiert
Während einer Telefonkonferenz zum Ende des dritten Quartals 2021 sagte Teslas Finanzchef Zach Kirkhorn, dass bereits 150.000 Fahrzeuge den "Sicherheits-Score" nutzen würde. Diese hätten im Schnitt ein um 30 Prozent niedrigeres Unfallrisiko, wie die Auswertung von 100 Millionen Meilen an Fahrdaten gezeigt habe. Nach einer bestimmten Gewichtung und zu einem bestimmten Prozentsatz rechnet Tesla die Zahl der Vorfälle in den Sicherheits-Score ein.
Niedrigere Kosten aufgrund hoher Markenbindung
Die Analysten von Moody’s machen laut dem Insurance Journal einen weiteren Vorteil aus: man könne von niedrigeren Kosten für das Marketing und die Schadenabwicklung profitieren. Denn die Markenbindung sei bei den Nutzern der Fahrzeuge hoch, und die Sensor- und Kameradaten würden helfen, etwa Schadenskosten zu berechnen oder den Unfallverlauf zu rekonstruieren - wofür bei externe Versicherern Gutachter notwendig sind. Auch hier sehen die Analysten einen Vorteil.
Dennoch sei Tesla keine direkte Bedrohung für die Versicherungsbranche, weil das Versicherungsmodell eben auf die Halter der eigenen Autos beschränkt bleibt. Das könnte sich für die Kfz-Versicherungsbranche aber dann ändern, wenn weitere Autobauer dem Vorbild des texanischen Vorreiters folgen. Auch sie könnten aufgrund der Vorteile, die dieses Versicherungsmodell bietet, geneigt sein, eigene Kfz-Policen zu offerieren.
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"Obwohl Faktoren wie eine hohe Kapitalbelastung und dünne Margen andere "datenreiche Tech-Konzerne" wie Amazon und Google aus dem Versicherungsgeschäft herausgehalten haben, haben Autohersteller bereits ihre Zehen in Versicherungsgewässer getaucht - mit Captives, die Autofinanzierung und Garantien anbieten, was die Autoversicherung zu einem nächsten logischen Schritt macht", schreibt das Insurance Journal.
Versicherungsschutz in Echtzeit: um welchen Preis?
Wer den „Safety Score“ im Netz sucht, wird aber auch Forenbeiträge finden, in denen sich Nutzer der Tesla-Versicherung über den berechneten Score beschweren: und damit für sich beanspruchen, dass sie vorsichtiger fahren, als es die Prämie widerspiegelt. Ein genaues Bild zeigt sich aber noch nicht, da die Zahl der Bewertungen und Wortmeldungen zum Versicherungsangebot der Texaner bisher sehr gering ist.
Tatsächlich warnt aber auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen davor, dass bei -ähnlich funktionierenden- Telematik-Tarifen der gemessene Score von der Fahrsituation beeinflusst wird. Wer häufig im Stau steht und entsprechend abbremsen muss, kurvenreiche Gebirgsstraßen fährt oder zur Nachtschicht, hat unter Umständen einen schlechteren Score als jemand, der derartigen Situationen nicht ausgesetzt ist. Langfristig könnten stark individualisierte Tarife sogar dazu führen, dass bestimmte Fahrergruppen gar keinen Schutz mehr finden, warnt die Verbraucherzentrale.
Das Problem falsch bewerteter Daten betrifft auch direkt Tesla. Kelly Funkhouser, Telematik-Expertin bei der US-amerikanischen Verbraucher-Organisation Consumer Reports, berichtet auf der Webseite des Verbandes, dass bei einer Testfahrt mit dem Model Y der Safety Score für unsichere Vollbremsungen mitunter überschritten worden sei, wenn das Fahrzeug im normalen Tempo an einem Stoppschild hielt: fälschlicherweise.
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Die Verbraucherschützerin begrüßt zwar grundsätzlich den sicherheitsorientierten Ansatz des Autobauers. Gibt aber zu bedenken, dass er auch den gegenteiligen Effekt haben könnte. Der Versuch, mit Blick auf eine niedrige Prämie eine Vollbremsung zu vermeiden, könnte dazu führen, dass Fahrer eine Kreuzung im Leerlauf durchfahren oder für einen Fußgänger nicht zum Stehen kommen. "Das Problem ist, dass Tesla anscheinend einige der falschen Metriken verwendet", sagt sie. "Ohne mehr Kontext könnten die Daten, die Tesla sammelt und auswertet, falsche Anreize schaffen."
- Teslas Autoversicherung könnte zum Vorbild für andere Autobauer werden
- Niedrigere Kosten aufgrund hoher Markenbindung