Die Versicherer leiden unter den extrem hohen Schäden, die durch Naturkatastrophen entstehen und durch den Klimawandel begünstigt werden. Darauf macht GDV-Präsident Wolfgang Weiler bei einer Podiumsdiskussion aufmerksam, die bei der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft am Mittwoch stattfand. Der Klimawandel sei auch in Deutschland angekommen, allein bei der Flutkatastrophe an Ahr und Erft sei den Versicherern im letzten Jahr ein Schaden von acht Milliarden Euro entstanden. Weitere 1,4 Milliarden Euro Kosten hätten die Winterstürme im Februar verursacht.

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Manche Schäden bald nicht mehr versicherbar?

Weiler warnte davor, dass die Versicherer für bestimmte Schäden bald schon keinen umfassenden Schutz mehr bieten könnten. Naturkatastrophen nähmen auch in Deutschland zu, die volkswirtschaftlichen Schäden steigen rasant an. „Wir Versicherer können das nicht so hinnehmen“, sagte der 69-Jährige. „Risiken zu versichern ist unsere Kernkompetenz, und hier droht etwas unkalkulierbar und damit unversicherbar zu werden. Wir wollen und müssen daher unseren Beitrag leisten zur Bekämpfung des Klimawandels: Nachhaltigkeit ist Kernelement unseres Geschäftsmodells.“

Das stärkste Mittel bei der Bekämpfung des Klimawandels und für Nachhaltigkeit seien die Kapitalanlagen der Versicherer. Diese beziffern sich allein in Deutschland auf mittlerweile 1,8 Billionen Euro, wie Weiler berichtete: eine Zahl mit 12 Nullen. „Unser Ziel ist, dass die Kapitalanlage bis 2050 vollständig klimaneutral ist“, so der GDV-Präsident. „Schon 2025 wird es dabei messbare Fortschritte geben“. Die Branche wolle zum Ende des Jahres einen „Carbon-Footprint“ herausgeben, der Aufschluss über die Fortschritte bei der Kapitalanlage gibt.

Aktuell gibt es hier noch Nachholbedarf. Im Februar hatte die NGO Urgewald anlässlich einer Studie bemängelt, dass die Versicherer immer noch immense Summen in Kohle investiert haben: allen voran die Allianz, mit 9,4 Milliarden US-Dollar in den weltweiten Top-20 der größten Kohle-Investoren. Das liegt vor allem an US-Töchtern wie PIMPCO, die nach wie vor an Kohle festhalten: auch wenn die Allianz hier Änderungen für die Zukunft versprochen hat.

Vor diesem Hintergrund ist auch eine Aufschlüsselung des Statistischen Bundesamtes interessant, die in dieser Woche vorgestellt wurde. Demnach sind konventionelle Energieträger wie Kohle, Erdgas und Atomkraft die wichtigste Energiequelle für Deutschlands eingespeisten Strom: Ihr Anteil ist 2021 sogar deutlich gestiegen, von 52,9 Prozent im Vorjahr auf nun 57,6 Prozent. Die Kohle ist mit 30,2 Prozent der wichtigste Energieträger für deutschen Strom. Tendenz steigend: Strom aus Kohlekraftwerken verzeichnete 2021 gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 24,9 Prozent.

Anteilig wenig Geld in grünen Bonds und erneuerbaren Energien

Laut Weiler legen die deutschen Versicherer 82 Prozent der direkt und indirekt gehaltenen Kapitalanlagen nach Nachhaltigkeitskriterien an: ohne, dass er ins Detail geht, was das bedeutet und welche Kriterien hier zugrunde liegen. Aber erst 0,7 Prozent der Anlagen seien als dezidierte Green-Bonds angelegt, erst 0,3 Prozent als Social-Bonds. Auch die erneuerbaren Energien bilden nur einen Bruchteil der investierten Gelder ab: hier stecken 0.6 Prozent der Kapitalanlagen drin. Der GDV-Präsident bemängelt, dass es an verlässlichen Standards für nachhaltige Kapitalanlagen fehle - und auch an einem ausreichenden Angebot, damit die Versicherer darin investieren können.

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Druck kommt auch von Seiten der EU. Ab August 2022 sollen Vermittlerinnen und Vermittler ihre Kundschaft auch über Nachhaltigkeitskriterien informieren und sie dazu befragen, wenn sie bestimmte Anlageprodukte vermitteln: so sieht es eine delegierte Verordnung der Europäischen Union vor. Entsprechend wurde auch die IDD-Richtlinie angepasst, die Regeln für den Versicherungsvertrieb festschreibt. Doch hierfür fehlen verbindliche technische Regulierungsstandards (RTS), wie Vermittler-Verbände beklagen. Soll heißen: Bisher ist ungeklärt, welche Produkte überhaupt die Nachhaltigkeit-Kriterien erfüllen und welche nicht.