Können höhere Krankenkassenbeiträge doch vermieden werden?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Krankenkassen-Beiträge anheben und arbeitet schon an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Doch ausgerechnet aus dem Kreis der Krankenkassen selbst kommen nun Vorschläge, wie sich höhere Beiträge vermeiden ließen. Dringender Reformbedarf wird auch da gesehen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Krankenkassen-Beiträge anheben und neue Reformen im gesetzlichen Gesundheitssystem anstoßen: Das gab er diese Woche in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ bekannt. Notwendig sei dies, weil schon im Jahr 2023 ein Finanzloch bei den gesetzlichen Krankenversicherern von 17 Milliarden Euro drohe. Doch Vorstände der Krankenkassen machen nun Vorschläge, wie höhere Beiträge unter Umständen vermieden werden können.
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Die angekündigten Beitragserhöhungen lösen sich weitestgehend vermeiden, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er nannte hierfür Bedingungen: Dafür müsste die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken und die Gesundheitsversorgung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern vollständig gegenfinanzieren. Aktuell beträgt die Mehrwertsteuer auch auf Medizin 19 Prozent: Die Pharmabranche und auch Krankenversicherer fordern bereits seit Langem, dass sie auf sieben Prozent reduziert wird.
Auch, dass die Gesundheitskosten gesetzlich versicherter Hartz-IV-Empfänger mehrheitlich den Krankenkassen-Beitragszahlern aufgebürdet werden, ist eine häufig zu vernehmende Kritik. „Die Krankenkassen bekommen über die Agentur für Arbeit nicht annähernd einen kostendeckenden Betrag zurück“, kritisierte Sigrid König, Vorständin BKK Landesverband Bayern, im letzten Jahr in einem Interview mit Versicherungsbote. Nach ihrer Ansicht sind diese Ausgaben sozialversicherungsfern: und müssten stärker von der Allgemeinheit geschultert werden.
Allein die Kosten für ALG-II-Empfänger gegenzufinanzieren, würde aber richtig teuer: Wie der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes der FAZ erklärt, brächten die vorgeschlagenen Maßnahmen 15 Milliarden Euro in die Kasse. Er forderte eine „ordnungspolitisch saubere Lösung und keinen jährlichen Finanzierungspoker“.
AOK-Chefin Carola Reimann nennt Details
Karl Lauterbach wollte im Interview mit der „NOZ“ noch nicht genau verraten, was das Bundesgesundheitsministerium plant. "Es wäre unprofessionell, würde ich Ihnen hier aus den laufenden Gesprächen berichten“, sagte er. Doch Details werden aus einer Stellungnahme deutlich, die Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, bereits wenige Tage vor Lauterbachs Interview veröffentlicht hat.
“Mit einem Bündel an unterschiedlichen Maßnahmen will das Bundesgesundheitsministerium die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stützen“, schreibt der AOK-Bundesverband auf seiner Webseite. Das gehe aus dem Referentenentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hervor, der noch nicht mit dem Kanzleramt und dem Bundesfinanzministerium abgestimmt sei.
Hierzu lässt sich Reimann folgendermaßen zitieren: “Allen Akteuren im Gesundheitswesen ist klar, dass in der aktuellen Situation eine gemeinsame Kraftanstrengung zur nachhaltigen Absicherung der GKV-Finanzen unumgänglich ist. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass die Preis- und Ausgabenspirale im Arzneimittelbereich wieder etwas zurückgedreht werden soll und dass hier mit dem verlängerten Preismoratorium, erhöhten Apothekenabschlag, der Anhebung des Herstellerrabatts und der Geltung des Erstattungspreises ab dem siebten Monat nach Marktzugang sinnvolle Einsparungen geplant sind. Auch die angekündigte Absenkung der Umsatzsteuer in diesem Bereich ist zielführend.“
Beim sogenannten Preismoratorium handelt es sich um ein Regulierungsinstrument, wonach einseitig bestimmte Preissteigerungen der pharmazeutischen Unternehmer nicht zulasten der Krankenkassen abgerechnet werden dürfen. Aktuell gilt dieser Kostendeckel bis Ende 2022: offenbar will Karl Lauterbach die Frist verlängern, wie aus dem Statement hervorgeht.
Eine ähnliche Funktion hat der Apothekenabschlag. Erstatten die Krankenkassen eine Rechnung binnen zehn Tagen nach Eingang, erhalten sie für Fertigarzneimittel aus Apotheken einen Abschlag von derzeit 1,77 Euro je Arzneimittel. Reimanns Äußerungen lassen darauf schließen, dass hier höhere Abschläge durchgesetzt werden sollen. Und tatsächlich scheint das Bundesgesundheitsministerium nun der Forderung Folge zu leisten, die Umsatzsteuer auf Medizin herabzusetzen. Das könnte auch für die Krankenkassen die Preise drücken.
Maßnahmenpaket - und Krankenhausreform?
AOK-Chefin Reimann bezweifelt in ihrem Statement jedoch, dass die geplanten Maßnahmen ausreichen, um den Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro auszugleichen. Die geplanten 5 Milliarden Euro Bundeszuschuss seien nicht genug - auch sie fordert, dass die Kosten von ALG-II-Empfängern komplett durch Steuerzuschüsse gestemmt werden. „Die Anhebung der Beiträge kann dagegen nur das letzte Mittel sein“, sagte sie diese Woche in Berlin.
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Tatsächlich hat auch Karl Lauterbach ein paar Eckpunkte seiner Reform zumindest angedeutet. "Wir müssen an vier Stellschrauben drehen: Effizienzreserven im Gesundheitssystem heben, Reserven bei den Krankenkassen nutzen, zusätzliche Bundeszuschüsse gewähren, und die Beiträge anheben“, sagte er der NOZ. Und auch eine Krankenhaus-Reform soll es geben: Hierfür will er in wenigen Wochen eine Expertenkommission benennen.