Allianz-Studie: Verunfallte Motorradfahrer häufig ohne moderne Sicherheitstechnik unterwegs
Wenn Motorräder in einen Unfall verwickelt werden, sind die Maschinen im Schnitt schon älter und verfügen nicht über moderne Sicherheitstechnik. Das zeigt eine Auswertung der Unfallforscher von der Allianz. Im Frühjahr ereignen sich besonders viele Motorradunfälle mit schweren Folgen.
Motorradfahrer sind statistisch besonders bedroht, durch einen Unfall eine schwere Verletzung zu erleiden oder gar zu sterben. Das nahm das Allianz Zentrum für Technik (AZT) zum Anlass, das Unfallgeschehen der der zwölf Monate von Dezember 2020 bis November 2021 (472 Getötete, 7870 Schwerverletzte) auszuwerten.
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Im Frühjahr besonders viele Motorrad-Unfälle
Eine Erkenntnis daraus: besonders viele Unfälle ereignen sich in den Frühjahrsmonaten März bis Mai. Hier kamen je 25 Prozent der Schwerverletzten und Getöteten in den erfassten Monaten zu Schaden (116 Getötete, 1950 Schwerverletzte). Im Frühjahr leide bei vielen Motorradfahrern nach monatelanger Abstinenz die Vertrautheit mit der Maschine, und es fehle die erforderliche Fitness, geben die Unfallforscher als Ursache an. Auch steige in den Freizeitregionen das Verkehrsaufkommen, etwa aufgrund von Ausflügen.
Zur Opferbilanz tragen überdurchschnittlich viele Alleinunfälle bei. 35 Prozent der Motorradunfälle mit Personenschaden ereignen sich demnach ohne Beteiligung eines Dritten. In 56 Prozent ist der Motorradfahrer Hauptverursacher. 44 Prozent (517) aller Getöteten bei Motorradunfällen (Fahrer, Mitfahrer, Dritte) begründeten sich 2020 dadurch, dass die Motorradfahrenden die Kontrolle über ihr Fahrzeug ohne Zutun anderer Verkehrsteilnehmer verloren (sog. Fahrunfälle), oft durch nicht angepasste Geschwindigkeit.
Verzicht auf moderne Sicherheitstechnik erhöht Unfallgefahr
Die detaillierte Auswertung der Unfälle zeigt einige interessante Erkenntnisse. So verfügten wenige der Unfallopfer über moderne Sicherheitstechnik an ihren Bikes, die die Unfallgefahr zumindest reduzieren könnten. Das zeigt die Analyse von 500 zufällig ausgewählten Motorradunfällen aus dem Untersuchungszeitraum: einschließlich Sach- und Personenschaden.
Die Analyse zeigt, dass die Motorräder nur zu einem Drittel mit ABS ausgestattet waren. 13 Prozent der leichten und 10 Prozent der schweren Krafträder hatten eine Kombinationsbremse. Ein kurventaugliches ABS war in knapp sechs Prozent der verunfallten Motorräder verbaut. Und auch das Durchschnittsalter der Maschinen war beachtlich: Es betrug über zwölf Jahre, das der Zweiräder ohne ABS gar über 20 Jahre. Seit 2017 ist ABS für neu zugelassene Motorräder Vorschrift, für Zweiräder bis 125 ccm wahlweise eine Kombinationsbremse.
„Unsere Schadendaten zeigen, dass die verunfallten Motorräder im Schnitt deutlich älter sind als Pkws“, so Christoph Lauterwasser, Leiter des AZT. „Die überwiegende Nutzung der Motorräder als Freizeit- und Sportgerät bewirkt, dass die Fahrzeuge noch immer viel zu selten mit modernen Bremssystemen oder Assistenzfunktionen wie Schlupf- oder Abstandskontrolle ausgestattet sind.“
Mehrheit der Unfälle innerorts
Als Klischee entpuppt sich hingegen, dass die meisten Motorradfahrer auf der Landstraße oder Autobahn schwer verunglücken: auch, wenn hier die Unfallfolgen aufgrund der hohen Geschwindigkeiten oft am schwersten sind. Laut Allianz-Schadenanalyse ereigneten sich mit 59 Prozent die meisten Unfälle innerorts, typisch waren Front-Heck-Kollisionen (Auffahrunfälle). 44 Prozent der Verunglückten (Fahrer, Mitfahrer, Dritte) entfielen auf die Ortslage innerorts, darunter jeder dritte Schwerverletzte.
Sorge bereitet dem AZT die Verletzungsschwere der Biker. 2021 betrug laut Bundesstatistik der Anteil der Schwerverletzten an allen Verunglückten (getötet, schwerverletzt, leicht verletzt) 33 Prozent. Bei Krafträdern mit Versicherungskennzeichen und bei Fahrrädern waren es je 18 Prozent. „Unsere Studie zeigt, dass die Schwerverletztenrate der Motorradfahrer seit 20 Jahren steigt, bei allen anderen Verkehrsteilnehmern sinkt sie. Die Ursachen hierfür bedürfen der näheren Untersuchung“, sagt Unfallforscher Jörg Kubitzki, Verfasser der Studie.