Axa erleidet erneut Niederlage wegen vermeintlich ungültiger Beitragsanpassungen
In einem nicht rechtskräftigen Urteil muss die Axa erneut eine Niederlage wegen unwirksamer Beitragsanpassungen einstecken. Das Landgericht Berlin stellte fest, dass die Prämienanpassung unwirksam war, weil der klagende Kunde nicht ausreichend über die Gründe informiert wurde (Urteil vom 21.04.2022, Az. 4 O 138/21).
Treuhänderstreit und kein Ende: Erneut muss die Axa Krankenversicherung eine Schlappe vor Gericht einstecken. Demnach urteilte das Landgericht Berlin, dass Prämienerhöhungen des Versicherers vom 01. Januar 2018 bis 31. Dezember unwirksam seien und der Kläger nicht den Erhöhungsbetrag zahlen müssen. Auf das Urteil macht aktuell die Kanzlei AKH-H Rechtsanwälte aus Esslingen aufmerksam, die den Klagenden vor Gericht vertrat.
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Im konkreten Rechtsstreit ging es um den Tarif 541-N, den der Klagende vom 1. März 2012 bis 31. Dezember 2019 bei der Axa unterhielt. In der Zeit wurde der Beitrag mehrfach zum Jahresanfang erhöht, worüber der Versicherer durch Schreiben im November informiert hatte. Um diese Mitteilungsschreiben ging es in der juristischen Auseinandersetzung. Sie sind nach Ansicht des Landgerichts Berlin unwirksam, weil sie die formellen Anforderungen nicht erfüllen.
Minimalanforderungen nicht erfüllt
Konkret bezog sich das Landgericht Berlin auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Demnach werden Prämienanpassungen erst wirksam, wenn sie in den verpflichtenden Schreiben ausreichend begründet werden. Das sieht unter anderem § 203 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vor.
Demnach muss sich die Mitteilung der Beitragserhöhung darauf beziehen, bei welcher Rechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beiden – eine „nicht nur vorübergehende und den festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung eingetreten ist“, wie der BGH hervorhob. Eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genüge danach nicht. Hier hatte die Axa nach Interpretation der Karlsruher Richterinnen und Richter nur Standardschreiben versendet, ohne klar zu kommunizieren, weshalb der Beitrag angehoben werden muss (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. IV ZR 314/19).
Auslösende Faktoren: Prämienanpassung muss begründet werden
Der Hintergrund: Ein privater Krankenversicherer darf die Prämien -stark vereinfacht- nur in zwei Fällen anheben: Wenn die Ausgaben die einkalkulierten Kosten um mindestens zehn Prozent übersteigen. Und wenn die Lebenserwartung der Versicherten stärker steigt als kalkuliert, weil dann im Schnitt auch die Gesundheitskosten sich verteuern. Hierbei spricht man von sogenannten auslösenden Faktoren. Die Versicherer müssen ihren Kundinnen und Kunden mitteilen, auf welcher Basis sie den Beitrag in einem Tarif raufsetzen.
Die Informationen zur Beitragsanpassung seien bei dem Axa-Schreiben derart aufgebaut, dass nicht deutlich unterschieden werde, welche Berechnungsgrundlagen ein Anpassungsverfahren auslösen können und welche weiteren Faktoren darüber hinaus bei der Beitragsbestimmung zu berücksichtigen seien. Dieser Wertung habe sich das Landgericht Berlin bei den übermittelten Mitteilungsschreiben für die Beitragserhöhungen angeschlossen, berichtet nun die Kanzlei. Es handelt sich um Beitragsanpassungen aus dem Jahr 2015. Der Grund der Erhöhung sei für den Versicherten nicht erkennbar, die Beitragsanpassungen somit unwirksam. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.
Die Axa teilt dem Versicherungsboten in einem Statement mit: "Mit den Entscheidungen von 2020 hatte der Bundesgerichtshof im Interesse aller Beteiligten konkretisiert, welche formellen Anforderungen eine Mitteilung zur Beitragsanpassung für Versicherte erfüllen muss. Die Mitteilungen zur Beitragsanpassung, die Aax versendet, erfüllen diese Anforderungen bereits seit 2017. In weiteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich auch die formelle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen aus den Jahren 2008, 2009, 2012 und 2013 festgestellt. Zudem hat der BGH am 17.11.2021 zur Frage der Verjährung entschieden, dass für etwaige Rückforderungsansprüche eine Verjährungsfrist von drei Jahren gilt. Damit hat der BGH allen Beteiligten Rechtssicherheit in dieser hochkomplexen Frage gegeben und die Gemeinschaft aller Versicherten gestärkt, zu deren Lasten eine Rückerstattung von Beiträgen an einzelne klagende Versicherte gehen würde.“
Versicherungsnehmer dürfen keinen Einblick in Tarifkalkulation nehmen
In vielerlei Hinsicht war das BGH-Urteil, auf dem nun auch dieses Urteil des Landgerichtes Berlin fußt, für die Versicherten jedoch enttäuschend. Denn die Mitteilungspflicht habe nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen, wie es im Urteil heißt. Das bedeutet: Der Versicherer muss nicht vorrechnen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage konkret verändert hat. So bleiben Prämienanpassungen weiterhin für den Versicherungsnehmer eine Black Box: in die konkreten Entwicklung seines Tarifes erhält er keinen Einblick. Prämienanpassungen können zudem nachgeholt werden: wenn auch nicht rückwirkend.
Entsprechend zwiespältig fiel die Einschätzung von Experten aus. Zwar können Versicherte die Erhöhungsbeträge zunächst zurückfordern, wenn die Gründe für die Erhöhung unvollständig mitgeteilt wurden, gibt der Bund der Versicherten (BdV) zu bedenken. Im Gegenzug würden dann aber die zukünftigen Beiträge besonders stark steigen: im Zweifel ein Nullsummenspiel.
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In einer anderen Sache konnte sich die Axa hingegen 2018 vor Gericht durchsetzen. So seien Zivilgerichte nicht dafür zuständig, die Unabhängigkeit von Treuhändern zu überprüfen: selbst wenn sie einen Großteil ihres Einkommens von einem Versicherer beziehen, damit Zweifel an ihrer Unabhängigkeit bestünden. Sie müssen die Prämienanpassungen bewilligen. Es genüge die Prüfung bei der Bestellung des Treuhänders durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).