Value Investing: Substanzwerte haben wieder eine Zukunft
In den vergangenen Jahren stand das Growth Investing im Fokus vieler privater und professioneller Investoren. Die Wachstumsgeschichten vor allem von US-Technologieunternehmen haben die Attraktivität des Investmentstils gefördert. Doch zuletzt ist es zu einem Mentalitätswandel gekommen: Es hat eine Neuorientierung auf Substanzwerte stattgefunden. Damit steht das Value Investing vor einer Renaissance, und Finanz-/Versicherungsberater und -vermittler tun gut daran, ihren Kunden solche Angebote zu eröffnen. Davon ist Goran Vasiljevic, Chief Investment Officer bei Lingohr & Partner, überzeugt. Der unabhängige Asset Manager hat sich auf Value Investing in Form von institutionellen Mandaten und Publikumsfonds spezialisiert.
Ob Apple oder Microsoft, ob Netflix oder Tesla, ob Amazon oder Nvidia: Viele Technologieunternehmen vor allem US-amerikanischer Herkunft haben in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Wachstumsgeschichte hingelegt. Tesla beispielsweise hat in drei Jahren fast 1900 Prozent zugelegt, Apple immer noch mehr als 250 Prozent. Das bedeutet: Growth-Aktien, also Wertpapiere von Unternehmen, deren Wachstumsrate deutlich über dem Durchschnitt im Branchenvergleich liegt, waren in den vergangenen Jahren der Heilsbringer für viele Portfolien. Wachstumsinvestoren suchen in der Regel nach Investitionen in schnell wachsenden Branchen oder sogar ganzen Märkten, in denen neue Technologien und Dienstleistungen entwickelt werden, und wollen Gewinne durch den Verkauf ihrer Aktien erzielen.
Anzeige
Aus diesem Grund stand das Growth Investing in den vergangenen Jahren im Fokus vieler privater und professioneller Investoren. Zugleich hat dieser Investmentstil das traditionsreiche Value Investing aus der Gunst der Anleger verdrängt. Das Value Investing versteht die Aktie in ihrer ursprünglichsten Funktion als verbrieften Anteil an einem Unternehmen, an dessen Kapital und Wachstum man langfristig teilhaben kann. Es geht nicht um das Verständnis als kurzzeitiges Spekulationsobjekt.
Value Investing folgt nicht dem Herdentrieb an den Kapitalmärkten
Warren Buffett, Benjamin Graham, David Dodd, Charlie Munger, Christopher Browne, Seth Klarman: Diese Investment-Größen sind allesamt Verfechter des Value Investing als Anlagestrategie, bei der Aktien ausgewählt werden, die unter ihrem inneren Wert oder Buchwert gehandelt werden. Value-Investoren suchen also aktiv nach Aktien, von denen sie auf Basis professioneller Finanzanalysen meinen, dass der Aktienmarkt sie unterbewertet. Sie folgen nicht dem Herdentrieb an den Kapitalmärkten und wollen auf diese Weise langfristig in Qualitätsunternehmen investieren.
Das folgt dem Ansatz: Der Aktienkurs eines Unternehmens kann sich ändern, auch wenn der Wert oder die Bewertung des Unternehmens gleichgeblieben ist. Es existieren bei Aktien Phasen mit höherer und niedrigerer Nachfrage, was zu Preisschwankungen führt. Daher ist die langfristige Orientierung beim Value Investing besonders wichtig. Diese langfristige Ausrichtung verhindert den Fehler in ein Segment zu investieren, das bereits seinem inneren Wert enteilt ist. Denn dann ist die Gefahr groß, dass zufällige Ereignisse oder bereits geringfügige Verschlechterungen in der Geschäftsentwicklung deutliche Preisreduktionen verursachen können. Es reicht also nicht aus, die Zukunft aus der Preisentwicklung in der Vergangenheit abzuleiten, sondern es ist notwendig, immer auch den inneren Wert einer Unternehmung im Blick zu behalten. Und dieser ist von den zukünftigen Gewinnen abhängig.
Value-Investoren kaufen Wertpapiere aus Überzeugung
Dieser Fehler wird vermieden, wenn Anleger antizyklisch vorgehen. Sie laufen dann nicht einem Trend permanent hinterher. Value-Investoren wissen, dass eine überdurchschnittliche Performance langfristig wesentlich leichter zu erreichen ist, indem substanzstarke Aktien und Fondsanteile gekauft werden, wenn sie niedrig bewertet sind. Value-Investoren kaufen somit Wertpapiere (auch solche, deren innerer Wert möglicherweise wenig Wachstum in der Zukunft beinhaltet) aus Überzeugung, dass der aktuelle Wert im Vergleich zum derzeitigen Preis höher liegt.
Damit positionieren sich Anleger mit der Value-Philosophie auch gegen die allgemeine Marktmeinung. Dafür bedarf es einer stabilen inneren Haltung, Widerstandsfähigkeit gegen die am Markt vielgesehene Trendfolge und den Mut, in schwierigen Situationen gezielt zu investieren. Die Zahlen sprechen dafür: Nach nunmehr über einer Dekade Value-Underperformance sind die Gewinnerwartungen von Value-Aktien in den USA sind seit 2016 um 42 Prozent gestiegen, die Kurse hingegen um „nur“ 50 Prozent. Growth-Aktien hingegen erlebten einen Anstieg der Gewinnerwartungen von 68 Prozent verbunden mit einer Kurssteigerung von 173 Prozent.
Zukünftige Renditen aussichtsreich für den opportunistischen Value-Investor
Die besten Kaufgelegenheiten für Value-Aktien bieten sich erfahrungsgemäß immer dann, wenn der Markt sehr pessimistisch ist. Das haben wir in der Finanzkrise 2009, der Rezession 2011, dem Crash zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 und nach dem Brexit gesehen. Zu diesen Zeitpunkten war die Gefühlslage der Anleger pessimistisch, die Bewertungen waren am Tiefpunkt und damit gleichzeitig die zukünftigen Renditen sehr aussichtsreich für den opportunistischen Value-Investor. Die derzeitige Krise in Folge des Kriegs in der Ukraine zeigt die gleichen Tendenzen, weshalb das aktuelle Marktumfeld dem disziplinierten Value-Anleger nach langer Dursttrecke gute Gründe bietet, optimistisch für die Renaissance des Value Investing zu sein.
Anzeige
Finanz-/Versicherungsberater und -vermittler tun gut daran, ihren Kunden solche Angebote zu eröffnen, um sich frühzeitig für die kommende Stärke der Substanzwerte zu positionieren. Ein Value-Konzept bietet eine gute Ergänzung zu einer wachstumsorientierten Anlagestrategie, da es Anlageportfolien für einen neuen Zyklus fit macht und dadurch bei sich verändernden Marktlagen für positive Ergebnisse sorgen kann.