Die Allianz-Gruppe verschärft ihre Klimastrategie und will deutlich schneller als zuvor angekündigt aus Öl und Gas raus. Das teilte der Versicherer am Donnerstag per Pressetext mit. „Das Unternehmen wird die Treibhausgasemissionen (THG) seiner Standorte und Geschäftsaktivitäten in über 70 Märkten bis 2030 auf null reduzieren, anstatt wie ursprünglich geplant bis 2050“, schreibt der Versicherer. Hier geht es um die Emissionen des eigenen Unternehmens.

Anzeige

Allianz will schon 2023 im Neugeschäft raus aus Öl und Gas: wenn auch nicht vollständig

Ein weiterer Schritt hin zu mehr Klimaschutz: Auch das Engagement in Öl und Gas will die Allianz schneller und umfassender reduzieren, als es die ursprünglich artikulierte Klimastrategie vorsah. Doch hier lohnt ein genauer Blick auf die Formulierung. Denn keineswegs soll das Engagement hier ganz beendet werden. Die Allianz schreibt: „In der Kapitalanlage von Versichertengeldern und der Schaden- und Unfallversicherung wird die Allianz ab dem 1. Januar 2023 keine Einzelprojekte für neue Öl- und Gasfelder, Öl- und Gasaktivitäten in der Arktis und Antarktis sowie Schwerstöl- und Ultra-Tiefseerisiken finanzieren oder diese versichern“.

Was das bedeutet, kommentiert Regine Richter von der Umweltschutz-NGO Urgewald: „Die Allianz hat eine lobenswerte neue Öl- und Gasrichtlinie verabschiedet. Lobenswert, weil sie die Versicherung neuer, auch konventioneller Öl- und Gasfelder ausschließt. Aber sie greift zu kurz, wenn es um Gas geht: Die Richtlinie schließt Midstream-Gasinfrastruktur wie Flüssigerdgas-Terminals sowie Gas-Kraftwerke oder Fracking-Gas nicht aus, die alle verheerend für das Klima sind“. Flüssiggas und Fracking-Gas, beide umstritten und für viele Umweltschäden verantwortlich, sollen also weiterhin Bestandteil des Portfolios sein.

Allerdings zeige die neue Richtlinie jedoch, „dass die Versicherungsbranche endlich die Klimabedrohung durch die Expansion von Öl und Gas erkannt hat“, ergänzt Richter. Die Allianz sei die zehnte große Versicherungsgesellschaft, die Öl- und Gasbeschränkungen für das Versicherungsgeschäft und Investitionen einführe. Zu den anderen Anbietern gehören etwa die Swiss Re und Hannover Re.

Schmaler Grat zwischen Umwelt-Engagement und Versorgungssicherheit

Günther Thallinger, Mitglied des Vorstandes Allianz SE und unter anderem zuständig für nachhaltiges Investment, deutet in seinem Statement zumindest an, dass die Strategie auch eine des Abwägens ist. Zwar spricht er den Ukraine-Krieg nicht direkt an, verweist aber auf die „aktuelle geopolitische Lage“.

Die Situation: Deutschland will unabhängig werden von russischem Öl und Gas, mit erneuerbaren Energien allein wird das -noch- nicht gelingen. Ein Grund, weshalb Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im März nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate reiste, um dort für Flüssiggas-Lieferungen zu werben. Auch Fracking-Gas soll vermehrt importiert werden. All diese fossilen Energien müssen versichert und finanziert werden: noch sind sie wichtig für die Versorgungssicherheit.

Nun sagt Allianz-Vorstand Thallinger konkret: „Angesichts der aktuellen geopolitischen Lage muss die zuverlässige Energieversorgung von Haushalten und Unternehmen kurzfristig neu priorisiert werden. Die Politik muss jetzt mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, um Rahmenbedingungen für die langfristige Planung zu definieren und den Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit zu beschleunigen. Wir sollten jedoch die schwerwiegenden Folgen des Klimawandels nicht aus den Augen verlieren. Mit ihren neuen Richtlinien bekräftigen wir als Allianz unser Versprechen, zu einer geordneten Dekarbonisierung der Wirtschaft beizutragen“. Die Allianz wolle nun noch stärker in erneuerbare Energien investieren und diese auch versichern.

Anzeige

Darüber hinaus will die Allianz auch den Druck auf die Firmen der Branche erhöhen, damit sie mehr auf umweltfreundliche Technik umsteigen. "Ab 1. Januar 2025 werden wir nur noch solche Öl- und Gasunternehmen versichern und finanzieren, die sich verpflichten, bis 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen in Übereinstimmung mit wissenschaftlich fundierten 1,5°C-Pfaden und in allen drei Bereichen (Scopes) von Treibhausgasemissionen zu erreichen. Dies gilt für große Öl- und Gasunternehmen mit einer Produktion von mehr als 60 Millionen Barrel Öläquivalent im Jahr 2020, die schätzungsweise 85 Prozent der Kohlenwasserstoffproduktion der Öl- und Gasindustrie insgesamt ausmachen", schreibt der Versicherer. Auch wolle man keine Unternehmen mehr ab 2025 versichern, die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus Ölsand gewinnen. Aus der Kohle will der Versicherer bis 2040 aussteigen.