Lebensversicherung: Die Solvenzquoten der Platzhirsche
Lebensversicherer verkehrten bei ihren Solvenzquoten zwischen 2020 und 2021 die Verhältnisse: im Krisenjahr 2020 konnten nur dreizehn Unternehmen ihre Quote verbessern, während sich über achtzig Prozent der Branche verschlechterten. In 2021 war es genau anders herum: Nun verbesserten über 80 Prozent ihre Quote, während sich nur 13 Unternehmen verschlechterten. Wie aber schnitten die Marktführer in 2021 ab? Versicherungsbote hat sich Kennzahlen angesehen.
- Lebensversicherung: Die Solvenzquoten der Platzhirsche
- Zurich noch nicht wieder auf altem Niveau
- Die Solvenzquoten der drei Marktführer
2020: Das Krisenjahr
Das Jahr 2020 setzte den Solvenzquoten der Lebensversicherern arg zu: Die durchschnittliche Nettoquote des Marktes sank um 45,82 Prozentpunkte (auf 210,10 Prozent), die Bruttoquote mit Volatilitätsanpassung und Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen ging um 38,09 Prozentpunkte zurück (auf 390,01 Prozent). Siebzehn Versicherer konnten keine Nettoquote von 100 Prozent erreichen und waren nur noch mit Übergangsmaßnahmen ausreichend solvent.
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Hiervon mussten sogar 15 Unternehmen in die „enge Manndeckung“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), da auch mit Hilfe der Volatilitätsanpassung die Quote nicht die notwendigen 100 Prozent erreichte: Sie müssen gesonderte Maßnahmen bei der Behörde vorlegen, um die Finanzstabilität zu verbessern – und die Aufsichtsbehörde prüft den Erfolg. Erst 2021 klarte sich die Aussicht der Lebensversicherer auf die Solvenzquoten wieder auf.
2021: Die Aussicht klart wieder auf
Denn statt siebzehn Lebensversicherern erreichten in 2021 nur noch acht Unternehmen keine Nettoquote von 100 Prozent mehr. Und nur fünf Unternehmen konnten auch über die Volatilitätsanpassung die Quote nicht auf 100 Prozent hebeln – nur fünf Unternehmen verbleiben also in Manndeckung der BaFin. Auch die Durchschnittswerte der Branche machen sichtbar, dass es 2021 wieder aufwärts ging: Die Nettoquote stieg nun wieder um 58,76 Prozentpunkte an (auf nun 268,86 Prozent), die Bruttoquote kletterte sogar um 90,44 Prozentpunkte nach oben (auf 480,45 Prozent).
Wie aber schnitten die Marktführer der Lebensversicherung bei ihren Solvenzquoten ab? Vorausgesetzt werden muss: Die Solvenzquote bzw. SCR-Quote gibt an, ob die Unternehmen über genügend Eigenmittel verfügen, um eine mit 0,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit eintretende Wirtschaftskrise zu bewältigen. Bei einer Quote von mindestens 100 Prozent schafft dies ein Unternehmen aus eigener Kraft.
Bis Ende 2031 ermöglichen aber Übergangsmaßnahmen noch, die Anforderungen zu erfüllen:
- Paragraf 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ermöglicht die Volatilitätsanpassung (VA): Sie erhöht die SCR-Quote der Unternehmen 2021 um durchschnittlich 19,9 Prozentpunkte.
- Paragraf 351 VAG ermöglicht eine Maßnahme für risikofreie Zinssätze – diese wurde bisher aber nur wenig genutzt (2020 von der Credit Life und der WWK).
- Und Paragraf 352 VAG ermöglicht Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (Ü). Hierbei handelt es sich um die wirkungsvollsten Hilfen: Sie erhöhen die Quoten 2021 um durchschnittlich 191,7 Prozentpunkte.
Aufgrund dieser Hilfsmaßnahmen können aufsichtsrechtlich drei Quoten unterschieden werden:
- Netto- oder SCR-Quote: ist jene Quote, die ein Versicherer ohne Übergangshilfen und Volatilitätsanpassung errechnet.
- Bruttoquote: In der Übergangszeit bis 2031 ist allerdings die Bruttoquote für die BaFin relevant – das ist die Quote, in die alle Maßnahmen (VA, Zinsmaßnahme, Ü) eingeflossen sind. Wie groß der Unterschied zur Nettoquote sein kann, veranschaulicht 2021 die PB Lebensversicherung AG – sie hat eine Nettoquote von 40 Prozent und eine Bruttoquote von hohen 837 Prozent.
- Nettoquote plus VA: Allerdings entscheidet sich dennoch bereits an der Nettoquote viel. Denn sobald Nettoquote und Volatilitätsanpassung (SCR+VA) keinen Wert von mindestens 100 Prozent erreichen, geraten Unternehmen in enge BaFin-„Manndeckung“ (so einst Aufsichtschef Frank Grund). Das bedeutet: Das Unternehmen muss Maßnahmen bei der Behörde vorlegen, um die Finanzstabilität zu verbessern – und die Aufsichtsbehörde prüft den Erfolg.
Die Solvenzquoten der Marktführer
Auch die Marktführer verbesserten – durchweg – 2021 wieder die Quoten. Nicht alle Unternehmen aber schafften es, das alte Niveau von 2019 wieder zu erreichen. Im folgenden werden die Marktführer sowohl mit ihrem Marktanteil für 2021 als auch mit ihren Quoten vorgestellt.
Zu bedenken ist: Die Versicherer weisen Zahlen nach Rechtsform getrennt aus. So enthalten Zahlen der R+V Leben zum Beispiel nicht die Werte der R+V Lebensversicherung a.G. oder der Condor, Werte der Generali beinhalten nicht die Zahlen für die Dialog oder die Zahlen der Cosmos. Unter dieser Prämisse werden die Solvenzquoten im Folgenden vorgestellt.
Neuntgrößter Lebensversicherer: Proxalto Lebensversicherung AG
Kein Run-Off der letzten Zeit sorgte für so viele Schlagzeilen wie der Verkauf der Generali Leben an den Bestandsabwickler Viridium. Die Run-Off-Experten verwalten die Policen nun unter der „Proxalto Lebensversicherung AG“ – Generali ist mit 10,1 Prozent an Proxalto beteiligt. Obwohl bei dem Run-Off-Versicherer ein Bestandsrückgang durch fehlendes Neugeschäft zu erwarten ist, hält Proxalto in 2021 noch 2,37 Prozent des Marktes (minus 0,12 Prozentpunkte gegenüber 2020).
Proxalto hatte – anders als die meisten Versicherer – in 2020 zunächst Glück mit der Nettoquote: sie stieg von 195 Prozent auf 296 Prozent. Allerdings nahm die Quote in 2021 wieder ab – auf 243 Prozent (Rang 40 bei den Nettoquoten).
Für die Bruttoquote nutzt Proxalto sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangsmaßnahmen nach Paragraf 352 VAG. Hier zeigt sich ein anderer Dreischritt: Von 497 Prozent in 2019 auf 525 Prozent in 2020 auf 536 Prozent in 2021.
Achtgrößter Lebensversicherer: Axa Lebensversicherungs AG
Achtgrößter Lebensversicherer ist die Axa durch einen Marktanteil von 2,71 Prozent in 2021 (-0,06 Prozentpunkte gegenüber 2020). Hier konnte das Corona-Tief noch nicht wieder ausgeglichen werden: Die SCR-Nettoquote sank von 218 Prozent auf 158 Prozent in 2020 und stieg 2021 wieder leicht auf 164 Prozent (Rang 60 bei der Nettoquote).
Für die Bruttoquote nutzt die Axa nur die Volatilitätsanpassung, nicht aber die wirkungsvolleren Übergangsmaßnahmen. Die Quote sank von 374 Prozent in 2019 auf 332 Prozent in 2020, um dann nochmals abzunehmen – auf 284 Prozent in 2021.
Siebtgrößter Lebensversicherer: Alte Leipziger Lebensversicherung a.G.
Mit einem Marktanteil von 2,96 Prozent (plus 0,14 Prozentpunkte gegenüber 2020) nimmt die Alte Leipziger Rang sieben bei den Lebensversicherern ein. Der Versicherer mit Sitz in Oberursel nutzte 2019 und 2020 keine Hilfsmaßnahmen: Die Netto- entsprach folglich der Bruttoquote. In 2019 lag sie bei 377 Prozent und sank in 2020 auf 300 Prozent.
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In 2021 steigerte sich die Nettoquote wieder leicht – auf 311 Prozent (= Rang 25 bei Nettoquoten). In 2021 nutzte die Alte Leipziger erstmals die Volatilitätsanpassung, die allerdings nur wenige Prozentpunkte brachte: Die Bruttoquote liegt bei 317 Prozent.
Zurich noch nicht wieder auf altem Niveau
Sechstgrößter Lebensversicherer ist die Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG – mit einem Marktanteil von 3,30 Prozent in 2021 (plus 0,03 Prozentpunkte gegenüber 2020). Die SCR-Nettoquote sank in 2020 von 182 Prozent auf 167 Prozent, stieg dann 2021 auf ein leicht erhöhtes Niveau von 190 Prozent (Rang 52 bei den Nettoquoten).
Für ihre Bruttoquote nutzt die Zurich sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangshilfen nach § 352 VAG. Die Quote sank von 416 Prozent auf 347 Prozent in 2020, konnte in 2021 mit 355 Prozent aber das alte Niveau noch nicht wieder aufholen.
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Fünftgrößter Lebensversicherer: Bayern Lebensversicherung AG
Das Unternehmen der Versicherungskammer Bayern ist fünftgrößter Lebensversicherer Deutschlands durch einen Marktanteil von 3,57 Prozent in 2021 (plus 0,16 Prozentpunkte gegenüber 2020). Die Nettoquote rutschte in 2020 deutlich ab – von 340 Prozent auf 127 Prozent. In 2021 aber ist mit 325 Prozent fast wieder das alte Niveau erreicht (Rang 21 der Branche).
Die Bruttoquote 2021 übertrifft das Niveau 2019 sogar: Sie rutscht von 546 Prozent in 2019 auf 287 Prozent in 2020, um dann in 2021 auf 568 Prozent zu klettern. Auch die Münchener nutzen hierfür sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangshilfen.
Viertgrößter Lebensversicherer: Debeka Lebensversicherungsverein a.G.
Durch einen Marktanteil von 4,00 Prozent in 2021 (plus 0,16 Prozentpunkte zu 2020) nimmt die Debeka Rang vier der Leben-Branche ein. Bei den Solvenzquoten allerdings gehören die Koblenzer zu den Sorgenkindern: in 2019 lag die Nettoquote bei 68 Prozent, kam mit der Volatilitätsanpassung nur auf 79 Prozent. Demnach musste die Debeka in die „enge Manndeckung“ der BaFin – und musste der Behörde Maßnahmen zur Finanzstabilität vorlegen.
Auch in 2020 schaffte es die Debeka nicht aus der Manndeckung: Die Nettoquote lag sogar nur bei 36 Prozent. Mit der Volatilitätsanpassung wurden nur 46 Prozent erreicht – dies bedeutet natürlich auch gesonderte Rechenschaftspflicht bei der Aufsichtsbehörde.
Anders aber 2021: Die Nettoquote schaffte es bereits ohne Volatilitätsanpassung auf 107 Prozent (Rang 69 der Branche), mit auf 114 Prozent – dadurch befreite sich die Debeka aus der BaFin-Manndeckung.
Noch wesentlich besser sieht freilich die Bruttoquote plus Volatilitätsanpassung und Übergangsmaßnahmen aus: Sie kletterte konstant von 294 Prozent auf 362 Prozent in 2020 und dann nochmals auf 506 Prozent in 2021.
Die Solvenzquoten der drei Marktführer
Drittgrößter Lebensversicherer Deutschlands ist die Generali Deutschland Lebensversicherung AG. 2020 kam es zur Umfirmierung der AachenMünchener, während die alten Generali Leben ihren Bestand an Viridium verkaufte. Der Marktanteil von Generali Deutschland beträgt in 2021 6,00 Prozent (minus 1,06 Prozentpunkte gegenüber 2020).
Noch als „AachenMünchener“ geführt, lag die Nettoquote in 2019 bei 316 Prozent. In 2020 sank auch bei der Generali die Quote, lag bei 274 Prozent, um 2021 aber ein neues Hoch von 331 Prozent zu erreichen (Rang 20 der Branche bei der Nettoquote).
Für die Bruttoquote nutzt die Generali nur die Volatilitätsanpassung, nicht aber die Übergangsmaßnahmen – sie sank 2020 von 449 Prozent auf 388 Prozent. Die Bruttoquote erreichte 2021 mit 411 Prozent allerdings noch nicht wieder das alte Niveau.
Zweiter Marktführer: R+V Lebensversicherung AG
Die R+V Lebensversicherung AG ist mit einem Marktanteil von 8,20 Prozent die größte der drei R+V-Leben- Töchter (plus 1,14 Prozentpunkte gegenüber 2020). In 2019 wies das Unternehmen aus Wiesbaden noch eine SCR-Nettoquote von 441 Prozent aus, verzichtete hierbei völlig auf Hilfen. In 2020 sank die Nettoquote auf 155 Prozent. In der Folge hob die Volatilitätsanpassung die Quote auf 180 Prozent.
In 2021 lag die Nettoquote bei 315 Prozent (Rang 22 der Branche). Erstmals griff die Generali nun sowohl auf die Volatilitätsanpassung als auch auf die Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen zurück. Der Wert wurde so angehoben auf eine hohe Bruttoquote von 1.002 Prozent.
Marktführer: Allianz Lebensversicherungs AG
Die Allianz dominiert den Leben-Markt wie kein anderes Unternehmen – der Marktanteil liegt 2021 bei hohen 23,72 Prozent (minus 4,36 Prozentpunkte zu 2020). In 2019 nutzte die Allianz einzig die Volatilitätsanpassung – hob so eine Netto-Quote von 218 Prozent auf eine Bruttoquote von 355 Prozent. In 2020 sank die Nettoquote auf 157 Prozent: Nun nutzte die Allianz erstmals sowohl die VA als auch die Übergangsmaßnahmen. Die Bruttoquote wurde so auf 355 Prozent angehoben.
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In 2021 lag die Nettoquote bei 183 Prozent. Auch jetzt nutzte die Allianz sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangsmaßnahmen. Der Wert wurde so angehoben auf eine Bruttoquote von 415 Prozent.
- Lebensversicherung: Die Solvenzquoten der Platzhirsche
- Zurich noch nicht wieder auf altem Niveau
- Die Solvenzquoten der drei Marktführer