Bei vielen Maklern ist die betriebliche Altersversorgung (bAV) nicht das beliebteste Thema. Zu unübersichtlich die Bandbreite an Produkten, zu kompliziert mit der Vielzahl an Zusagearten, zu viele regulatorische Bestimmungen, die bedacht werden müssen – und die sich gefühlt mit jeder Legislaturperiode ändern. Kurzum: Viele Fallstricke, die letztendlich zu Haftungsfallen werden können.

Anzeige

Versicherungsmakler führender Vertriebskanal für die bAV

Allerdings ist dieses Geschäftsfeld für freie Versicherungsvermittler viel zu bedeutsam, um es nicht zu beackern. Denn gerade sie sind es, die bei diesem komplexen Thema das Vertrauen der Versicherungsnehmer genießen. Unabhängige Makler und Mehrfachagenten sind mit einem Anteil von 37 Prozent am Neugeschäftsvolumen (nach APE) der führende Vertriebskanal für bAV-Produkte. Das zeigt die 2021 veröffentlichte Detailbetrachtung der betrieblichen Altersvorsorge im Rahmen der Lebensversicherung-Vertriebswege-Studie 2019 von Willis Towers Watson (WTW).

Die betriebliche Altersversorgung ist darüber hinaus ein Thema, das von der Politik konsequent vorangetrieben wird – und zwar über Parteigrenzen hinweg. Allein deshalb kommen Makler, die im gewerblichen Bereich tätig sind, nicht umhin, sich damit auseinanderzusetzen. Das gilt insbesondere, wenn ihr Kundenstamm vor allem kleine und mittlere Unternehmen umfasst. Denn für diese Betriebe ist der Versicherungsmakler, dem man bereits bei Haftpflicht- oder Inhaltsversicherung vertraut, naturgemäß der erste Ansprechpartner, wenn die Frage nach einer bAV aufkommt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass dies früher oder später geschieht, ist relativ hoch, weil in kleineren Unternehmen die Durchdringungsquote zur betrieblichen Altersversorgung oft noch gering ist. Für den Makler besteht hier also enormes Potenzial.

bAV-Grundlagen: Zusagearten BZML und BOLZ

Mittel der Wahl ist dabei in der Regel die Direktversicherung, da diese vergleichsweise einfach zu implementieren ist und der Verwaltungsaufwand für das Unternehmen überschaubar bleibt. Daher konzentriert sich dieser Artikel auf diesen Durchführungsweg. Bei der Direktversicherung spielen lediglich zwei Zusagearten eine Rolle: Die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) und Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML). Zu diesen Zusagearten müssen Makler vor dem Hintergrund des nun extrem niedrigen Höchstrechnungszinses umfassend beraten können, um sich und ihre Kundenunternehmen vor Haftungsfallen zu bewahren.

Die zentralen Merkmale der beiden Zusagearten:

  • Bei der BZML verpflichtet sich der Arbeitgeber, Beiträge in bestimmter Höhe in die bAV zu zahlen. Dem Arbeitnehmer steht bei Rentenbeginn mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (abzüglich der Kosten für die Risikoabsicherung vorzeitiger Versorgungsfälle) zu. Diese Mindestleistung ist im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) in § 1 Abs. 2 Nr. 2 gesetzlich festgeschrieben und somit garantiert.
  • Bei der BOLZ verpflichtet sich der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG “bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln“. Der gezahlte Beitrag wird in eine Versorgungsleistung umgerechnet, die dem Arbeitnehmer zugesagt wird. Diese Leistungszusage ist in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG geregelt, eine Mindestleistung sieht der Gesetzgeber allerdings nicht vor. Eine beitragsorientierte Leistungszusage kann daher deutlich unter der geleisteten Beitragssumme liegen.

Unabhängig von der Art der Zusage gilt: Es ist der Arbeitgeber, der dafür einsteht, dass der Versorgungsberechtigte die versprochene Leistung in der Auszahlungsphase erhält. Hat der Versorgungsträger die erforderlichen Mittel nicht erwirtschaftet, haftet das Unternehmen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG subsidiär. Im Klartext: Hat die Versicherung mit dem Vertrag nicht ausreichend hohe Gewinne erzielt, um die zugesagte Leistung zu erbringen, zahlt der Arbeitgeber die Differenz.

Anzeige

Daher ist die BOLZ für Arbeitgeber eindeutig die bessere Lösung. Denn hier beschränkt sich ihre Haftung auf die zugesicherten Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, die in der Regel geringer ausfallen als die Beitragssumme. Wie hoch eine angemessene Garantieleistung bei der BOLZ ausfallen sollte, wird mangels gesetzlicher Vorgaben heiß diskutiert. Mehr dazu im weiteren Verlauf dieses Artikels.

Weitreichende Auswirkungen der Rechnungszinssenkung auf die bAV

Die erneute Absenkung des Höchstrechnungszinses war folgerichtig, damit die in Deutschland bislang gut und sicher aufgestellten Lebensversicherer auch künftig nicht ins Wanken geraten. Für Makler und Arbeitgeber bringt sie aber Herausforderungen und neue Haftungsrisiken mit sich.

Die wichtigste Konsequenz aus der deutlichen Rechnungszinsabsenkung für die bAV ist, dass Vereinbarungen mit BZML faktisch nicht mehr umsetzbar sind, ohne dass der Arbeitgeber seiner Subsidiärhaftung nachkommen muss. Mit sicheren Anlageformen können die Versicherer im aktuellen Zinsumfeld die vollständige Bruttobeitragsgarantie nicht erreichen. Selbst bei günstigen und lang laufenden Verträgen wird bei einem Garantiezins von 0,25 Prozent zum Auszahlungszeitpunkt weniger als die gezahlte Beitragssumme verbleiben. Schließlich knabbern Abschluss- und Verwaltungskosten an der mageren Rendite.

Anzeige

Haftungssicher zur bAV beraten

Auch über dieses Haftungsrisiko müssen Makler Arbeitgeber aufklären. Und zwar auch dann, wenn ein Arbeitnehmer bAV-Produkt, Versorgungsträger und Versicherungsvermittler selbst auswählt. De facto können Makler im Rahmen einer haftungssicheren Beratung nur noch BOLZ-Lösungen empfehlen. Viele Versicherer haben konsequenterweise bereits vor der Rechnungszinssenkung Tarife mit BZML aus ihrem Produktportfolio gestrichen. Makler müssen Unternehmen darauf hinweisen, dass Gesellschaften keine 100-prozentigen Beitragsgarantien mehr aussprechen und stattdessen Stufentarife anbieten, bei denen zwischen 50 und 80 Prozent der eingezahlten Beiträge garantiert werden.

Unsicherheitsfaktor Garantie

Da der Gesetzgeber keine Mindestleistung für die BOLZ definiert hat, stellt sich die Frage, welche Garantiehöhe angemessen ist. Das Thema wird in der Branche kontrovers diskutiert. Viele Experten gehen davon aus, dass bei der Altersvorsorge eine Garantiesumme von 80 Prozent auch für sicherheitsorientierte Anleger die beste Lösung ist. Sie stützen sich unter anderem auf eine Analyse des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften. Diese kommt zu dem Schluss, dass Garantien von 80 Prozent im derzeitigen Zinsumfeld für konservative Anleger bedarfsgerechter sind als Bruttobeitragsgarantien. Denn eine 100-prozentige Garantie dürfte sich inflationsbereinigt als reale Negativrendite erweisen. Während eine Garantie von 80 Prozent den Versicherern ausreichend Spielraum bietet, um Renditen oberhalb des Inflationsausgleichs zu erwirtschaften. Denn dies erlaubt den Gesellschaften, einen Teil der Anlagesumme in ertragreichere Anlageformen zu investieren, die jedoch naturgemäß mit einem höheren Verlustrisiko einhergehen.

Manche Branchenexperten halten sogar Garantieversprechen von 50 Prozent für zulässig. Sie argumentieren, dass dies dem vom Europäischen Gerichtshof geforderten Mindestschutz bei Arbeitgeberinsolvenzen entspräche. Andere wiederum sind der Meinung, dass nur eine 100-prozentige Garantie seitens der Versicherer Arbeitgeber vollständig enthaften könne und dass das Anlagerisiko nicht zulasten der Arbeitnehmer gehen dürfe. Wie dies angesichts der Lage an den Finanzmärkten umgesetzt werden kann, steht auf einem anderen Blatt.

Welche Auswirkungen die Garantiehöhen in der Praxis haben, wird sich erst in der Zukunft zeigen und sicherlich auch die Gerichte beschäftigen. Da die betreffenden Verträge erst in Jahrzehnten ablaufen, ist es möglich, dass sich in der Zwischenzeit ein enormes Haftungspotenzial für die Unternehmen aufbaut. Auf diese Unsicherheiten müssen Makler bei der Beratung eingehen und dies entsprechend dokumentieren, um nicht selbst haftbar gemacht zu werden. Dafür ist es elementar, die aktuellen Entwicklungen in der bAV im Blick zu behalten. Dies kann auch im Rahmen der verpflichtenden Weiterbildungszeit erfolgen, die Makler ohnehin absolvieren müssen. Der Deutsche Maklerverbund stellt seinen Mitgliedern beispielsweise ein kostenloses Webinar bereit, in dem die bAV-Expertin und Fachbuchautorin Ulrike Janitz-Seemann in 15 Minuten ein umfassendes Update zu Änderungen in der betrieblichen Altersversorgung 2022 gibt (www.demv.de/schulungen).

Arbeitnehmer mitnehmen

Bei Arbeitnehmern dürfte die Nachricht über einen gesenkten Garantiezins vor allem für Verunsicherung gesorgt haben. Viele fragen sich, ob die bAV überhaupt noch sinnvoll ist. Wer zudem die Diskussion um Garantien unterhalb der geleisteten Beiträge mitbekommt, zögert womöglich, sich auf eine Entgeltumwandlung einzulassen.

Diese Unsicherheiten müssen Makler ebenfalls auffangen. Für den Durchschnittsverbraucher ist es oft schwer nachvollziehbar, dass er als Versorgungsberechtigter von geringeren Garantiezusagen im Rahmen der BOLZ profitiert. Es geht darum, zu vermitteln, dass die Bruttobeitragsgarantie die eingezahlten Beiträge nur nominell absichert. Doch diese Sicherheit ist trügerisch, wenn bei Auszahlungsbeginn inflationsbereinigt weniger herausspringt, als ursprünglich eingezahlt wurde. Zudem bedeutet eine geringere Garantie keineswegs ein unkalkulierbares Verlustrisiko für den Arbeitnehmer. Denn bei der Entgeltumwandlung muss gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG immer eine “wertgleiche Versorgungszusage” erteilt werden. Es entsteht also in jedem Fall eine Anwartschaft, die im Verhältnis zum umgewandelten Gehaltsanteil steht.

Auch wenn die Arbeitnehmer nicht ihre direkten Vertragspartner sind, sollten Makler das Informationsgespräch mit potenziell Versorgungsberechtigten nicht als lästige Pflichtübung betrachten. Eine gute bAV-Beratung durch einen Versicherungsexperten zahlt sowohl auf das Informationsbedürfnis des beauftragenden Unternehmens als auch auf das seiner Mitarbeitenden ein. Dazu gehört selbstverständlich auch eine gewissenhafte Dokumentation des Arbeitnehmergesprächs. Damit sorgen Makler für Transparenz und gleichzeitig auch für Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Wichtig dabei: Wer für die Beratungsdokumentation vorgefertigte Textbausteine benutzt, muss sicherstellen, dass diese die aktuellen Entwicklungen in der bAV abbilden können. Beim Deutschen Maklerverbund bieten wir unseren Mitgliedern für die Gesprächsdokumentation ein webbasiertes Tool. Daher können wir im laufenden Betrieb Aktualisierungen vornehmen und neue Textbausteine bereitstellen. Diese Aktualität ist bei einer Dokumentationssoftware jedoch nicht immer automatisch gegeben.

Anzeige

Bestehende Verträge und Versorgungsordnung mitdenken

Unternehmen übersehen häufig, dass auch die eigene Versorgungsordnung zur Haftungsfalle werden kann. Makler sollten im Zuge der Beratung darauf hinweisen, dass angesichts neuer bAV-Produkte Anpassungen erforderlich werden, um sich nicht angreifbar zu machen. Arbeitgeber müssen beispielsweise explizit auf reduzierte Garantien hinweisen. Außerdem sollten Unternehmen prüfen, ob ihr Informationsmaterial zur bAV und interne arbeitsrechtliche Dokumente wie Individual- oder Betriebsvereinbarungen dem aktuellen Stand entsprechen.

Seite 1/2/3/