Niedrigzins, Coronakrise, nun auch noch der Krieg in der Ukraine: Krisen machen es zunehmend schwieriger, über das Versicherungsgeschäft verlässliche Aussagen zu treffen. Durch Russlands Angriffskrieg stehen auch hinter den Solvenzquoten große Fragezeichen. Haben zum Beispiel Versicherer ihr Geld in Unternehmen investiert, die eng mit der ukrainischen oder der russischen Wirtschaft verflochten sind? Auf diese Frage kann anhand aktueller Quoten noch keine Antwort gegeben werden.

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Denn die Berichte zur Solvabilität und Finanzlage (SFCR), die ausschlaggebend sind für die aktuellen Kennzahlen, mussten schon bis 8. April 2022 vorliegen – da war der Krieg erst einige Wochen im Gange; Dauer und Auswirkungen waren noch nicht abzusehen. Die Frage also, wie der russische Angriffskrieg sich auf die Solvenz der Krankenversicherer auswirkt, kann erst in den kommenden Jahre beantwortet werden.

In der Corona-Krise zeigen sich PKV-Unternehmen bisher stabil

Sicherer ist, dass die Unternehmen bisher gut durch die Coronapandemie kamen. Denn steigende Kosten durch Corona konnten ausgeglichen werden, da längerfristig geplante Operationen und andere Behandlungen durch den Lockdown wegfielen. Auch wurde im Bestand keine erhöhte Sterblichkeit festgestellt. Private Krankenversicherer machen im Jahr zwei von Corona einen stabilen Eindruck.

Beitragseinnahmen steigen erneut – trotz stagnierender Nachfrage

Bei der Nachfrage wiederholt sich seit Jahren das gleiche Bild: Insbesondere in der privaten Krankenvollversicherung stagniert die Nachfrage oder geht sogar zurück. Wachstum hingegen gibt es bei der Krankenzusatzversicherung (Versicherungsbote berichtete). Trotz dieses Befunds und trotz Corona steigen in 2021 erneut die branchenweit verdienten Bruttoprämien: Sie klettern um 5,5 Prozent und liegen Ende 2021 bei 45,2 Mrd. Euro.

Zu verdanken ist dies freilich auch den Beitragsanpassungen der letzten Zeit: Risiken wie das Zinsänderungsrisiko, die in der Lebensversicherung überwiegend von Unternehmen geschultert werden, tragen in der PKV zu einem weit höheren Teil die Kunden. Zwar können auch in der PKV Beiträge nicht beliebig erhöht werden – gemäß Paragraf 203 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) müssen maßgebliche Gründe für die Beitragsanpassung vorgewiesen und schriftlich und transparent gegenüber dem Kunden kommuniziert werden (Versicherungsbote berichtete).

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Dass aber private Krankenversicherer von Beitragsanpassungen fleißig Gebrauch machen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis): Das Preisniveau des privaten Krankenschutzes kletterte allein zwischen März 2020 und März 2021 um 5,3 Prozent. Private Krankenversicherer haben demnach merklich die Beiträge angehoben (Versicherungsbote berichtete).

Krankenversicherer nutzen kaum Übergangshilfen

Durch derartige Korrekturen stehen die Krankenversicherer auch wesentlich besser da in ihrem Eigenmittel- Branchenschnitt als die Lebensversicherer. Das zeigen die Solvenzquoten gemäß Solvency-Aufsichtsregime: Der Branchenschnitt in der Privaten Krankenversicherung liegt 2021 bei einer Nettoquote von 500,3 Prozent, der Branchenschnitt bei den Lebensversicherern bei nur 264,6 Prozent. Die wichtige SCR-Quote gibt hierbei an, ob die Versicherer aus eigener Kraft eine Krise stemmen würden, wie sie alle 200 Jahre auftritt: Bei einer Quote von 100 Prozent sind Anforderungen von Solvency II erfüllt.

Im Sparten-Vergleich nach Solvency II haben Krankenversicherer die Nase vorn

In der Folge werden Übergangshilfen von Lebensversicherern auch weit mehr genutzt als von den Krankenversicherern, um die eigenen Quoten zu heben. Zur Erinnerung: Noch bis Ende 2031 können die Versicherungsunternehmen verschiedene Übergangshilfen nutzen, um die Vorgaben von Solvency II zu erfüllen. Am wichtigsten sind hier die Volatilitätsanpassung (VA) nach Paragraf 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie die Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen (Ü) nach Paragraf 352 VAG.

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Übergangshilfen: Lebensversicherer und private Krankenversicherer im Kontrast

Und in der Lebensversicherung greifen immer mehr Versicherer zu den Übergangshilfen: Zwölf Lebensversicherer nutzen 2021 die Volatilitätsanpassung; 54 Versicherer sogar die Volatilitätsanpassung in Verbindung mit Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen.

Wie stark solche Hilfen wirken können, zeigt das Beispiel der PB Lebensversicherung AG: Um 797 Prozent wird die Quote durch die Hilfen verbessert (von 40 Prozent auf 837 Prozent). Nur zehn Lebensversicherer bleiben überhaupt übrig, die gar keine Übergangshilfen nutzen – zumeist mit Schwerpunkt im Risikogeschäft (Versicherungsbote berichtete).

In der privaten Krankenversicherung sind es hingegen nur neun Versicherer, die Übergangshilfen überhaupt nutzen:

  • Zur Volatilitätsanpassung allein greifen: die Axa, die Debeka, die Envivas, die Generali, die HUK-Coburg und die VRK. Die HUK-Coburg und die VRK sind hierbei Hilfsmaßnahmen- „Neulinge“, die erstmals zu einer Maßnahme greifen.
  • Einzig zu Übergangsmaßnahmen für die versicherungstechnischen Rückstellungen greift die Vigo.
  • Am umfangreichsten werden Hilfen von der Gothaer und der Allianz genutzt: Beide wenden sowohl die Volatilitätsanpassung als auch die Übergangsmaßnahmen für die versicherungstechnischen Rückstellungen an. Die Gothaer hebelt so den SCR-Wert von 434,4 Prozent (Nettoquote) auf 624,0 Prozent (Bruttoquote). Die Allianz hebelt ihren Wert von 502,0 Prozent auf eine Bruttoquote von 628,0 Prozent.

Alle PKV-Versicherer auch ohne Hilfen solvent

Anders als in der Lebensversicherung sind zudem alle privaten Krankenversicherer auch ohne Übergangshilfen in 2021 solvent (in der Lebensversicherung würden acht Versicherer ohne Übergangsmaßnahmen die Solvency-Latte reißen). Die durchschnittliche Nettoquote des PKV-Marktes liegt in 2021 bei 500,3 Prozent. Das sind 23,1 Prozentpunkte mehr als 2020.

Einundzwanzig Krankenversicherer verbesserten ihre Nettoquoten in 2021. Allerdings mussten siebzehn Versicherer auch eine Verschlechterung ihrer Quoten ausweisen.

Die besten und schlechtesten Netto-Solvenzquoten in der PKV 2021

Obwohl alle privaten Krankenversicherer auch ohne Übergangshilfen solvent sind, gibt es erneut – wie auch 2020 – eine breite Streuung: 763,5 Prozentpunkte liegen zwischen der besten und der schlechtesten Solvenzquote. Ausgewiesen werden im Folgenden die Nettoquoten – also die Quoten ohne Volatilitätsanpassung und ohne Übergangshilfen. Diese Quoten gelten ab 2032 als verbindlich für Solvency II.

Die Quotensieger: PKV-Unternehmen mit den besten Solvenzquoten

Bei der SCR-Bedeckung gibt es einen Überraschungssieger. Denn die UKV steigert die Nettoquote um 446,2 Prozentpunkte (von 508,5 Prozent auf 954,7 Prozent) und sichert sich so Rang eins. Folgende Unternehmen können mit den besten SCR-Quoten 2021 prahlen (angegeben in Prozent):

  1. UKV: 954,7 Prozent
  2. Landeskrankenhilfe: 946,6
  3. Münchener Verein: 919,5
  4. SDK: 866,8
  5. Universa: 794,6
  6. Alte Oldenburger: 705,9
  7. Bayerische Beamten: 680,7
  8. R+V: 661,2
  9. Hallesche: 636,8
  10. VGH Provinzial: 623,7 Prozent

PKV-Versicherer mit den schlechtesten Solvenzquoten

Vorauszusetzen ist: Wenngleich die folgenden Unternehmen die schlechtesten Solvenzquoten der privaten Krankenversicherer in 2021 ausweisen, sind sie dennoch ausreichend solvent und würden auch ohne Übergangshilfen die Anforderungen von Solvency II erfüllen. Folgende Unternehmen weisen in 2021 die schlechtesten Solvenzquoten aus (in Prozent):

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  • VRK: 424,2
  • Generali: 344,2
  • Mecklenburgische: 343,7
  • Axa: 318,9
  • Vigo: 300,2
  • HanseMerkur Speziale: 273,7
  • DKV: 264,2
  • Ottonova: 240,1
  • Envivas: 210,6
  • Ergo: 191,0

Hintergrund: Alle Solvenzquoten sind dem aktuellen MAP-Report aus dem Hause Franke und Bornberg entnommen. Die Ausgabe des Traditionsratings mit der stolzen Nummer 924 vergleicht Kennzahlen zur Solvabilität der Jahre 2021 bis 2021 und kann auf der Webseite der Experten kostenpflichtig bestellt werden.

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