Die Mär von der günstigen gesetzlichen Krankenversicherung
Das Thema Bürgerversicherung wird immer wieder hochgekocht. Dabei sparen Politik und Medien selten mit Kritik an der Privaten Krankenversicherung. Vor allem Beitragsanpassungen und die hohen Beiträge im Alter stehen dabei im Mittelpunkt. Viele Kritikpunkte sind polemisch und mindestens unfair. Eine Kolumne von Dr. Rainer Reitzler, CEO der Münchener Verein Versicherungsgruppe.
Auch wenn der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf der PKV-Jahrestagung am 2. Juni 2022 die Corona-Leistungen der PKV lobte und Letztere immer ein Teil in seinem gesundheitspolitischen Herzen gewesen sei, wie er betonte, so bleiben er und auch viele Abgeordnete der SPD, Grünen und Linken weiterhin Sympathisanten einer Bürgerversicherung. Diese fordern immer wieder die Abschaffung der PKV und Einführung einer sozialistisch geprägten Bürgerversicherung. Zu teuer sei sie, die PKV, zu unsozial und im Alter nicht mehr bezahlbar. Zudem fielen die Beitragssteigerungen deutlich höher aus als in der GKV. Diese Vorwürfe sind unlauter und schlichtweg falsch.
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Ein Blick auf aktuelle Zahlen des wissenschaftlichen Instituts der PKV zeigt: Von 2012 bis 2022 sind die Prämieneinnahmen in der PKV je Vollversicherten um 29,7 Prozent gestiegen. In der GKV um 37,8 Prozent, das sind nochmals 27,3 Prozent mehr. Ein 30-jähriger lediger selbstständiger Handwerksmeister ohne Kinder müsste als gesetzlich Krankenversicherter mit Krankengeldanspruch inklusive der sozialen Pflegeversicherung im Durchschnitt einen Mindestbeitrag von 211,66 Euro pro Monat bezahlen. Je nach Einkommen würde der GKV-Höchstbeitrag inklusive sozialer Pflegeversicherung monatlich 933,64 Euro betragen. Mit dem KV-Volltarif „Master Care“ des Münchener Verein zahlt er inklusive einer privaten Pflegepflichtversicherung und einem bedarfsgerechten Krankentagegeld nur 458,03 Euro pro Monat.
Die Belastung der PKV-Versicherten nahm im betrachteten Zeitraum 2012 bis 2022 in deutlich geringerem Maße zu als in der GKV. Über den gesamten Zeitraum betrachtet ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Steigerung der Prämien- bzw. Beitragsbelastung von 2,6 Prozent in der PKV und 3,3 Prozent in der GKV.
Darüber hinaus führen regelmäßige Anhebungen der Beitragsbemessungsgrenze sowie ein hohes Wachstum beitragspflichtiger Einkünfte in der GKV zu deutlich steigenden Beitragszahlungen, während hingegen die Leistungen immer wieder gekürzt werden. Letzteres ist auch der Grund, warum immer mehr GKV-Versicherte eine private Krankenzusatzversicherung nutzen, um die Leistungen der GKV aufzustocken. Angaben des PKV Verbandes anlässlich seiner Jahrestagung am 2. Juni 2022 zufolge stieg im Jahr 2021 die Zahl der Zusatzversicherungen um 3,5 Prozent auf insgesamt 28,4 Millionen. Die Gesamtzahl an Versicherungen erhöhte sich um fast eine Million auf 37,1 Millionen. Im Saldo ergab sich 2021 zudem ein Plus von 23.600 Versicherten zugunsten der PKV. Das spricht für sich.
Immer wieder wird der PKV auch vorgeworfen, sie würde die Beiträge „nach Lust und Laune erhöhen“. Die rechtlichen Grundlagen sehen jedoch ganz anders aus: Der Gesetzgeber verpflichtet die privaten Krankenversicherer jährlich, die sogenannten Auslösenden Faktoren zu überprüfen, die für eine Beitragsanpassung in der PKV relevant sind. Das können steigende Leistungsausgaben aufgrund des medizinischen Fortschritts sowie die längere Lebenserwartung der Versicherten sein. Diese Überprüfung unterliegt dabei strengen rechtlichen Anforderungen. Sie findet auf der Grundlage der vom Gesetzgeber vorgegebenen Krankenversicherungsaufsichtsverordnung sowie des Versicherungsvertragsgesetzes und des Versicherungsaufsichtsgesetzes statt. Die sich daraus ergebende Kalkulation prüft dann ein unabhängiger Treuhänder. Erst mit seiner Zustimmung kann die jeweilige Beitragsanpassung wirksam werden. Über die Höhe der Veränderung der Beiträge kann eine PKV also nicht allein entscheiden. Der PKV-Verband hat frühzeitig den Gesetzgeber aufgefordert, die Kalkulationsvorschriften zu reformieren. Auch Verbraucherschützer unterstützen eine solche Reform, doch leider hat der Gesetzgeber dies bisher nicht aufgegriffen.
In der GKV sind Beitragserhöhungen indes verhältnismäßig einfach nachzuvollziehen: Die Krankenkasse erhebt einen festgelegten Beitragssatz und ggf. einen prozentualen Zusatzbeitrag auf das Einkommen. Diese Regel gilt für jedes zahlende Mitglied. In der PKV wird der Beitrag anders berechnet und ist unabhängig vom Einkommen. Hier sind die Beiträge so individuell wie der jeweilige Tarif.
Was den Vorwurf angeht, die PKV sei im Alter für viele nicht mehr bezahlbar: Viele Tarife, so z. B. auch unser KV-Volltarif „Master Care“, bieten zusätzlich eine Altersbeitragsentlastung an: Eine gute Möglichkeit, im Alter die Beiträge zu reduzieren.
In der GKV finanzieren die Erwerbstätigen die Versorgung der Rentner mit. Da in Zukunft immer weniger Junge immer mehr Älteren gegenüberstehen, ist mit höheren GKV-Beiträgen zu rechnen. Besser und nachhaltiger ist hier die kapitalgedeckte PKV: Privatversicherte sorgen für ihre im Alter steigenden Gesundheitskosten selbst vor. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Generationengerechtigkeit. In der PKV geht mehr als ein Drittel der Beiträge in die Altersvorsorge, sie bleiben den Versicherten also erhalten. Angesichts der Babyboomer, die kontinuierlich in ein Alter kommen, das steigende Gesundheitsausgaben nach sich zieht, ist es gut zu wissen, dass wir im dualen Gesundheitssystem mit fast neun Millionen PKV-Versicherten und einkalkulierten Altersrückstellungen ein solides Finanzpolster haben.
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Hat sich der Bundesgesundheitsminister, in früheren Jahren ein Kreuzritter für die Bürgerversicherung, wirklich geändert? Ist er wirklich vom Saulus zum Paulus geworden? Durchaus möglich. So mancher Politiker braucht eben ein bisschen Zeit, um zu erkennen, dass eine kapitalgedeckte Vorsorge für die höheren Gesundheitskosten im Alter die demografische Entwicklung vortrefflich absichert. Über 306 Milliarden Euro an PKV-Alterungsrückstellung sind eben eine solide Nachhaltigkeitsreserve.