Ärztemangel bedroht Gesundheitsversorgung
In Deutschland spitzt sich der Ärztemangel dramatisch zu: so zumindest das Ergebnis einer Umfrage unter Bürgern und Ärzten. Besonders in ländlichen Regionen und in Regionen Ostdeutschlands fehlt es an Medizinern. Nach Einschätzung vieler Befragten hat sich die gesundheitliche Versorgung in den letzten drei Jahren verschlechtert.
Zunächst die positive Nachricht: Die Gesundheitsversorgung in Deutschland bewerten 81 Prozent der Bürger und 89 Prozent der Ärzte als positiv. Doch trotz dieser allgemeinen Einschätzung zeigen sich gewaltige Probleme. Jeder dritte Bürger beklagt in seiner Region einen Ärztemangel, in Ostdeutschland sogar mehr als jeder zweite. Das ist Ergebnis des aktuellen MLP Gesundheitsreportes 2022, für den das Allensbach Institut sowohl Bürger als auch Ärzte repräsentativ befragt hat.
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Der Ärztemangel sei auch wesentlicher Grund, weshalb der Eindruck in der Bevölkerung entstehe, die Qualität der ärztlichen Versorgung sei rückläufig, so berichtet der Finanzvertrieb in einem Pressetext. 29 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, die Gesundheitsversorgung habe sich verschlechtert: damit fast jeder Dritte. Auffallend: Es klafft eine Lücke zwischen gesetzlichen und privat versicherten Patienten. Von den gesetzlich Versicherten hat jeder Dritte negative Erfahrungen gemacht, von den Privatversicherten nur jeder zwanzigste (5 Prozent).
Doch nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern herrscht der Eindruck, es gebe einen Mangel an Ärzten. Von den Medizinern selbst konstatieren 52 Prozent einen Ärztemangel; in strukturschwächeren Regionen sogar 76 Prozent.
Ärztemangel in kleineren Städten und ländlichen Regionen
Die Umfrage zeigt auch, wo der Ärztemangel laut Aussagen der Bevölkerung und Ärzte am größten ist. Hier gilt die Tendenz: Großstädte sind besser versorgt als bevölkerungsarme und strukturschwache Regionen. Lücken zeigen sich speziell in der ambulanten Versorgung, wie die niedergelassenen Ärzte selbst zu Protokoll geben:
- In Städten mit mehr als 750.000 Einwohnern beklagen 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte einen Ärztemangel in der Region, weitere 29 Prozent rechnen damit.
- In Städten mit 100.000 bis 750.000 Einwohnern sind es 42 Prozent der Ärzte, die einen Mangel beklagen: 29 Prozent rechnen demnächst mit einem solchen.
- In Städten unter 100.000 Einwohnern klagen satte 76 Prozent der niedergelassenen Ärzte über einen Ärztemangel in der Region, 14 Prozent rechnen demnächst damit.
In den kommenden Jahren ist mit einer weiteren Verschärfung des Ärztemangels zu rechnen. Denn auch die Schwierigkeiten niedergelassener Ärzte, Nachfolger für die eigene Praxis zu finden, haben zugenommen. Derzeit schätzen es 68 Prozent der niedergelassenen Ärzte als (sehr) schwierig ein, einen Nachfolger zu finden.
Aber auch in Kliniken beklagen Ärzte zunehmend einen Mangel. Die Frage „Würden Sie sagen, dass es bei Ihnen im Krankenhaus einen Ärztemangel gibt?“, bejahen fast sechs von zehn Ärzten (57 Prozent), die in solchen Einrichtungen tätig sind. Weitere 23 Prozent rechnen damit, dass es in den nächsten Jahren zu einem solchen Mangel kommen könnte.
Personelle Engpässe bei Fachpersonal
Personelle Engpässe im Gesundheitssystem sind aber nicht nur bei Ärzten festzustellen, sondern auch beim medizinischen Fachpersonal in Arztpraxen und im pflegerischen Bereich in den Krankenhäusern. Mehr als jede fünfte Arztpraxis (22 Prozent) ist unterbesetzt; hinzu kommen Probleme, offene Stellen zu besetzen (73 Prozent). 2016 wurden diese Probleme noch deutlich seltener wahrgenommen (59 Prozent). Dramatischer ist die Situation in Krankenhäusern: Vier von fünf Ärzten berichten, dass im eigenen Krankenhaus Pflegepersonal fehlt. Auch hier hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert: Aktuell schätzen 89 Prozent der Krankenhausärzte es als (sehr) schwierig ein, offene Stellen zu besetzen (2016: 72 Prozent).
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Nach wie vor sehr verbreitet berichten Ärzte von Zeitmangel (41 Prozent). Auf der anderen Seite beklagen Patienten lange Wartezeiten für einen Arzttermin: Rund zwei Drittel mussten in den vergangenen ein, zwei Jahren lange auf einen Termin beim Arzt warten, darunter 43 Prozent, denen das mehrmals so ging. Mit 70 Prozent sind vor allem gesetzlich Versicherte betroffen (privat Versicherte: 36 Prozent). Bei immerhin 75 Prozent der niedergelassenen Ärzte ist ihnen zufolge eine Terminvergabe in der Regel innerhalb von vier Wochen möglich, also dem Zeitraum, innerhalb dessen Patienten das Recht auf einen Termin bei einem Facharzt haben. Allerdings ist dieser Anteil seit 2019 (82 Prozent) zurückgegangen.