Versicherungsbote: Herr Schüßler, die Europäische Zentralbank geht vorsichtige Schritte in Richtung Zinswende. Welche konkreten Chancen bieten sich Vermittlern im aktuellen Umfeld?

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Moritz SchüßlerMoritz SchüßlerChartered Financial Analyst (CFA) und Sales Executive bei VanguardVanguardMoritz Schüßler: Im aktuellen Umfeld, in dem die Europäische Zentralbank die Inflation bekämpfen und zugleich eine drohende Rezession abwenden sowie eine erneute Eurokrise verhindern muss, gehen wir davon aus, dass die Renditen im Vergleich zum letzten Jahrzehnt generell geringer ausfallen werden. Auf Grund des aktuellen Abschwungs in fast allen Assetklassen und der damit gefallenen Bewertungen haben wir jedoch unsere Renditeerwartungen im Vergleich zum Jahresanfang nach oben angepasst. Hier besteht die Chance für Vermittler darin, Vertrauen aufzubauen. Deshalb sollten sie sich auf die bewährten Grundprinzipien erfolgreicher Geldanlage konzentrieren. Dazu gehört eine klare Anlagephilosophie, die auf Diversifikation und Disziplin beruht, oder die Schaffung von Mehrwert durch die Senkung der Kosten im Portfolio. Das gelingt zum Beispiel durch ETFs oder Indexfonds als Beimischung oder Komplettlösung. Zudem sollten Berater ihre Kunden an die Hand nehmen und Wissen vermitteln. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es immer wieder Bärenmärkte gab, die nach durchschnittlich einem Jahr in einen Bullenmarkt umschlugen. Der Aufbau von Vertrauen in schwierigen Phasen ist eine der wichtigsten Mehrwertkomponenten für Vermittler.

Das Top-Argument für ETFs sind die geringen Kosten. 'Reicht' das, um Altersvorsorge zu platzieren?

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Schüßler: Dass passive Produkte preiswerter sind als aktive Fonds, ist ein großer Vorteil. Die Kosten sind das einzige, was Berater im Vorfeld kontrollieren können, während die künftigen Renditen nicht vorhersehbar sind. Und wenn wir uns die langfristigen Renditen anschauen, dann ist es nachweislich so, dass es über Zeiträume von bis zu 30 Jahren kaum einem aktiven Fondsmanager gelingt, den Markt dauerhaft zu schlagen. Einer der Hauptgründe liegt darin, dass aktive Produkte teurer sind, was die Nullsummentheorie – vor allem nach Kosten – belegt. Für Vermittler liegt ein weiterer Vorteil darin, dass sie sich bei einem Indexfonds auf die Marktperformance verlassen können. In der Vergangenheit wurde mit teuren und riskanten Produkten die Altersvorsorge vieler Sparer aufs Spiel gesetzt und Berater mussten sich für die Produktauswahl rechtfertigen. ETFs bieten also einen Ausweg, um langfristig zielgerichtet Vermögen aufzubauen. Gleichzeitig haben Vermittler so mehr Zeit, sich um ihre Kunden zu kümmern. Wir unterhalten uns daher nicht über Index vs. Aktiv, sondern Teuer vs. Preiswert.

„Persönliche Beratung hat grundsätzlich einen Wert“

Welche Möglichkeiten sehen Sie, mit denen Vermittler die Zufriedenheit ihrer Kunden steigern können?

Schüßler: Wir empfehlen Vermittlern, ihren Beratungsprozess zu vereinfachen und sich mehr auf die emotionale Komponente in der Kundenbeziehung zu konzentrieren. Dies bestätigt eine aktuelle Untersuchung von Vanguard innerhalb der Advisors-Alpha-Studienreihe. Darin wurde festgestellt, dass Anleger, die eine persönliche Beratung nutzen, davon ausgehen, dass sie deutlich näher an ihren Anlagezielen liegen. Auch hat Beratung grundsätzlich einen Wert. Kunden sind der Ansicht, dass sie durch die Beratung bessere Ergebnisse erzielen als allein. Für bestimmte Portfoliomanagementaufgaben wie Asset Allokation und Steueroptimierung ziehen Anleger digitale Angebote vor. Wer Technologie richtig einsetzt, kann sich auf die wichtigen Aspekte der Kundenbeziehung konzentrieren. Und schließlich kann die Kundenzufriedenheit erhöht werden, indem Vermittler ihr Angebot auf die Wünsche ihrer Kunden abstimmen und ihren Service optimieren. Ein klares Markenprofil sowie Verständnis für den Zielkunden hilft nicht nur, die Kundenzufriedenheit zu steigern, sondern auch das Beratungsgeschäft weiter profitabel zu gestalten.

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Welche aktuellen ETF-Trends dürfen Vermittler aus Ihrer Sicht nicht verpassen?

Schüßler: Einen Trend, den wir sehen, ist die zunehmende Umsetzung effizienter und ganzheitlicher Portfoliolösungen mit ETFs. Vanguard zum Beispiel bietet Modellportfolios an, bei denen Berater für ihre Kunden kosteneffiziente und klar verständliche Multi-Asset-Portfolios selbst zusammenstellen können. Die Modellportfolios beinhalten sechs Positionen und die Gesamtkostenquote liegt bei 0,11 Prozent im Schnitt. Eine andere Option sind All-in-One ETF-Lösungen, also Multi-Asset-ETFs. Mit nur einem ETF erhalten Anleger Zugang zu einem global diversifizierten Portfolio aus Aktien und Anleihen. Hierzulande setzt Vanguard das innerhalb der LifeStrategy-ETFs um, die vier unterschiedliche Risikoprofile aufweisen. Der Berater muss dann entscheiden, welches Profil am besten zum Kunden passt. Der Trend zur ETF-Portfoliolösung bietet einen entscheidenden Vorteil: durch eine effiziente, breit gestreute und verlässliche Asset Allokation bleibt dem Berater mehr Zeit für das Wesentliche, nämlich die Kundenbeziehung.

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