Es scheint auf den ersten Blick abwegig, dass ein Stopp der Gasimporte aus Russland auch direkte Auswirkungen auf die gesetzlichen Krankenkassen haben könnte. Doch dass auch für die gesetzlich Krankenversicherten zusätzliche Risiken drohen, zeigt ein aktuelles Gutachten des IGES-Institutes im Auftrag der DAK-Gesundheit. Demnach könnten Ukraine-Krieg und Energiekrise ein weit größeres Finanzloch reißen als bisher vermutet.

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Der Grund: eine mögliche Wirtschaftsrezession bekämen auch die gesetzlichen Krankenkassen schmerzlich zu spüren. Denn sie nehmen weniger Beitrag ein. Wie das „Handelsblatt“ am Dienstag berichtet, droht den Krankenkassen ein weiterer Finanzbedarf von fünf Milliarden Euro, sollte das Bruttoinlandsprodukt um 2,2 Prozent einbrechen: was allerdings eine sehr pessimistische Prognose ist.

Die Folge wären stark steigende Beiträge für die Versicherten. Ohne Rezession müsste der Zusatzbeitrag um 0,4 Prozentpunkte ansteigen, mit Rezension gar um 0,7 Prozentpunkte.

Fehlbetrag auch ohne Rezession höher als erwartet

Die 5 Milliarden Euro Fehlbetrag gesellen sich zu den 17 Milliarden Euro hinzu, die den Krankenkassen ohnehin im kommenden Jahr fehlen sollen. Aber auch hier sind die Annahmen der IGES-Experten weit pessimistischer. Auch ohne Rezession sei 2023 mit einem Fehlbetrag von 19 Milliarden Euro zu rechnen, warnt das Institut. Nach dem derzeit diskutierten Entwurf von Karl Lauterbachs GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) können auch die ohnehin geplanten Maßnahmen das Finanzloch nicht stoppen. Es drohe selbst dann ein Fehlbetrag von sechs Milliarden Euro, wenn alle Maßnahmen erfolgreich umgesetzt würden.

Nach den Plänen von Karl Lauterbach sollen die gesetzlich Versicherten und Arbeitgeber zum Jahreswechsel 2023 einen um 0,3 Prozentpunkte höheren Zusatzbeitrag zahlen. Zudem sollen Pharma-Firmen eine Abgabe von einer Milliarde Euro zahlen müssen und die Krankenkassen ihre Reserven um vier Milliarden Euro abschmelzen. Ein Bundeszuschuss von zwei Milliarden Euro soll zudem um ein Darlehen des Bundes von einer Milliarde Euro ergänzt werden.

GKV-Reform bietet keine langfristige Perspektive: enorme Finanzlücke droht

Ein Kritikpunkt der Forscher: Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zielen vor allem auf den GKV-Finanzbedarf im kommenden Jahr 2023 ab. Auf die Folgejahre wirken sie sich hingegen kaum aus. Dazu gehören geplante Einsparungen in den Bereichen Arzneimittel, vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung im Umfang von 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2024 und lediglich 1,5 Milliarden Euro in 2025. Doch das reiche bei Weitem nicht:

Demnach drohe im Jahr 2024 eine Finanzierungslücke von gut 22 Milliarden Euro, im Jahr 2025 von knapp 29 Milliarden Euro. Ursache für schlechten Finanzperspektiven der GKV sei, dass sich ihre Ausgaben im Trend stärker erhöhen als ihre Einnahmen: seit 2009 um jahresdurchschnittlich 4,2 Prozent, die Einnahmen dagegen nur um 3,5 Prozent. Die Ausgaben steigen aber weiter an, wobei die schwächelnde Wirtschaft die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben weiter aufzureißen droht. Folglich seien weit eingreifendere Strukturreformen notwendig, als sie die Regierungsparteien bisher geplant haben.

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Die IGES-Autoren diskutieren weitere Reform-Ideen, die derzeit im Gespräch sind: etwa eine durch den Bund finanzierte ausgabendeckende Beitragspauschale für ALG-II-Bezieher, eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel oder eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrenze auf höhere Einkommen. Damit könnte den Berechnungen zufolge insgesamt ein jährliches Finanzvolumen in Höhe von 21 Milliarden Euro erreicht werden.