Wer ab Mitte der 70er Jahre den Fernseher einschaltete, konnte ihm kaum entkommen: ein Trickfilm-Fuchs mit Brille, der ein wenig oberlehrerhaft die Menschen von den Vorteilen des Bausparens überzeugen wollte. „Also nicht warten, sprechen Sie jetzt mit einem Außendienstmitarbeiter“, mahnte er, sonst wären Bausparprämie und Steuervorteil futsch. Der Slogan der Werbekampagne begleitete die Bundesrepublik über Jahrzehnte: „Schwäbisch Hall - auf diese Steine können sie bauen“.

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Spätestens seit Wirtschaftswunder-Zeiten gehört das Bausparen zur Vorsorge der Deutschen: so verbreitet, dass es der Bausparvertrag in die Schmähtexte von Punk-Bands schaffte. Doch in Zeiten niedriger Zinsen schien er in die Krise gekommen. „Warum Bausparen nur noch selten sinnvoll ist“, schrieb etwa die WirtschaftsWoche, die Süddeutsche Zeitung berichtete von einem „Überlebenskampf der Bausparkassen“. Der Grund: Wer bauen wollte, bekam über Banken teils deutlich günstigere Kredite, um den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Kundinnen und Kunden mit hochverzinsten Altverträgen wurden von den Anbietern zu Hunderttausenden vor die Tür gesetzt, weil die Finanzdienstleister die hohen Zinszusagen nicht mehr erwirtschaften konnten.

Bauspar-Anbieter berichten von stark steigender Nachfrage

Aktuell aber ziehen die Zinsen am Kapitalmarkt wieder an - die Europäische Zentralbank (EZB) hat angekündigt, den Leitzins raufzusetzen. Und auch die Bauzinsen steigen rasant. Das führt auch zu einem kleinen Boom bei Bausparverträgen, wie tagesschau.de berichtet. Mehrere Anbieter melden demnach, dass sie deutlich mehr Neuverträge vermitteln können als noch im letzten Jahr.

Ein Beispiel: Die Landesbausparkasse (LBS) Bayern konnte in den ersten fünf Monaten des Jahres "ein seit Jahrzehnten nicht da gewesenes Wachstum des Neugeschäfts“ beobachten. Um fast 80 Prozent sei die Bausparsumme angewachsen: auf 3,8 Milliarden Euro. Eine Trendwende bei Bauspar-Verträgen hatte bereits die Wüstenrot & Württembergische im Frühjahr gemeldet. „Seit dem letzten Quartal 2021 und auch im laufenden Quartal sehen wir deutliche Zuwächse“, sagte Bernd Hertweck, Chef der W&W. Noch im ausgelaufenen Geschäftsjahr war vor allem ein Boom der Immobiliendarlehen zu beobachten, wo die Wüstenrot im Neugeschäft 6,9 Milliarden Euro vergab.

Der Vorteil des Bausparens: Es ermöglicht, einen Zins für den Baukredit festzuschreiben, auch wenn dieser Kredit erst nach langen Jahren des Sparens abgerufen wird. Bis dahin muss in der Regel ein Teil der Bausparsumme durch monatliches Ansparen bereits vorhanden sein. Ist dieses Sparguthaben zusammen gekommen, gilt der Vertrag als „zuteilungsreif“: Der Restbetrag für den Häuslebau wird dann vom Anbieter als fest verzinstes Darlehen ausgezahlt. Zudem wird das Bausparen über eine Wohnungsbauprämie staatlich gefördert - wenn auch aktuell bei Verheirateten maximal mit 140 Euro im Jahr.

Als Nachteil des Bausparens nennt tagesschau.de die aktuell noch immer niedrigen Zinsen, die auf die Sparraten in der Ansparphase gezahlt werden. Zwischen 0,01 und 0,10 Prozent pro Jahr seien hier maximal drin. Dieser Minizins trifft auf eine Rekord-Inflation, was de facto eine Geldentwertung bedeutet. Auch hohe Abschlusskosten von bis zu 1,6 Prozent der Bausparsumme können die Vorteile schmälern.

Doch in Deutschland gibt es aktuell 25 Millionen laufende Bauspar-Verträge: auch in Niedrigzins-Zeiten blieben viele Sparerinnen und Sparer dieser Vorsorge treu. Der Bausparvertrag erfreut sich auch bei jungen Menschen großer Beliebtheit. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von MetallRente sorgen 38 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 17 und 27 Jahren mit einem solchen Vertrag vor. Er ist damit in dieser Altersgruppe verbreiteter als die betriebliche Altersvorsorge oder die Riester-Rente.

Bauen verteuert sich rasant

Der Boom des Bausparens könnte einen weiteren Grund haben: Bauen verteuert sich derzeit rasant, sodass viele Häuslebauer und Immobilienkäufer stärker auf teilweise Kredit-Finanzierung setzen müssen. Hier trifft eine hohe Nachfrage nach Immobilien auf knappe und teure Baustoffe. Vielerorts fehlen auch Handwerker, sodass die Unternehmen hohe Preise abrufen können.

Allein im Mai 2022 verteuerten sich die Preise für den Neubau von Wohngebäuden um 17,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Es war der stärkste Anstieg der Baupreise seit 50 Jahren. Die Zahl umfasst Bauleistungen am Bauwerk - einschließlich der Mehrwertsteuer.

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Schon regt sich die Sorge, dass viele Bauherren bzw. -damen und Familien ihre Vorhaben nicht beenden können, weil die explodierenden Preise die eigene Kalkulation zunichte machen. Das betrifft vor allem die Anschlussfinanzierung von Hypothekendarlehen, die oft eine begrenzte Laufzeit haben. "Probleme werden entstehen, wenn in einigen Jahren die Zinsbindung für zu 0,6 Prozent Zins abgeschlossenen Immobilienfinanzierungen ausläuft und die Darlehensnehmer sich die dann womöglich dreimal so hohe Kreditrate nicht mehr leisten können“, warnt Rainer Laborenz, Geschäftsführer der azemos Vermögensverwaltung in Offenburg, gegenüber tagesschau.de. Dann drohen Zwangsversteigerungen.