Mit einer Lebensversicherung von den Renditen am Aktienmarkt profitieren: Das ist ein Versprechen, mit dem die Anbieter für ihre Indexpolicen werben. Sie suggerieren, man könne mit einem solchen Produkt die Sicherheit eines Lebens-Vertrages mit den Ertragschancen von Dax, MSCI World und Co. koppeln. Wiederholt waren die Verträge in der Kritik, auch branchenintern. Und nun zeigt auch die „Stiftung Warentest“ publikumswirksam mit dem Daumen nach unten. Das Urteil der Verbraucherschützer ist vernichtend. Das Produkt sei für die Altersvorsorge nicht geeignet: also genau dafür, wofür die Policen eigentlich gemacht sind.

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Das Cap-Problem

Genau neun Tarife von acht Anbietern hat die „Stiftung Warentest“ für ihren aktuellen Produktvergleich untersucht. Hierfür wurde ein Modellfall konstruiert: eine 37jährige Sparerin schließt im Juni 2022 einen Vertrag ab und will für 30 Jahre jeden Monat 100 Euro einzahlen. Vereinbart ist eine Rentengarantiezeit von zehn Jahren: in dieser Zeit wird die Rente an Hinterbliebene ausgezahlt, wenn die Versicherungsnehmerin kurz nach Erreichen des Rentenalters verstirbt. Eine Todesfallleistung ist nicht extra vorgesehen.

Darüber hinaus hat die Stiftung Simulationsrechnungen mit Index-Policen durchgeführt, die einen Standardindex wie etwa den Dax oder Euro Stoxx 50 abbilden. Hierfür wurden die monatlichen Monatsrenditen von 31. Mai 2002 bis 31. Mai 2022 herangezogen und daraus 100.000 mögliche Vertragsjahre simuliert.

Das Ergebnis sei ernüchternd, wie die Tester anhand der Police Allianz Index Select verdeutlichen. Diese nutze unter anderem den europäischen Aktien­index Euro Stoxx 50. Hier kommt nun der sogenannte Cap ins Spiel: Er soll vereinfacht gewähren, dass die Sparerinnen und Sparer keine Verluste in Kauf nehmen müssen, wenn sich die Börsen negativ entwickeln. Im Gegenzug wird auch die Rendite beschnitten. Bei dieser Indexbe­teiligung gibt es eine aktuelle Renditekappung bei 2,2 Prozent, wobei dieser Ertrag zusätzlich durch eine Beteiligungsquote von 78,75 Prozent beschnitten werde, berichtet die Stiftung. Damit kam in 76 Prozent der Simulationen eine Verzinsung der Indexbeteiligung von null heraus. Nur in jedem vierten Jahr wurde eine positive Rendite errechnet.

Verluste voll mitgenommen, Erholungen an Börsen nur zum Teil

Genau dieser Cap ist es auch, welcher der Stiftung Bauchschmerzen bereitet. Sie spricht von einem „einkalkulierten Missverständnis“: nämlich, dass die Sparerin oder der Sparer direkt an den Aktien eines Index beteiligt werde. Vielmehr investierten sie in ein Finanzkonstrukt, dessen Erfolg zwar von der Entwicklung solcher Indizes abhänge - aber eben abhängig von der jeweiligen Konstruktion sei. Und diese funktioniere oft zum Nachteil des Kunden:

Bei einem „Cap“ würden Monate mit Verlusten voll mitgenommen, Monate mit Gewinnen aber nur zum Teil. So hätten zum Beispiel die Indexpolice-Sparer auch nicht davon profitiert, als sich nach der Corona-Krise die Aktienmärkte erholten. Bei vielen Policen fuhren sie aufgrund der Caps Nullrenditen übers Jahr gerechnet ein, obwohl die Aktienmärkte zweistellige Wachstumsraten hinlegten.

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Andere Versicherer würden die Rendite mittels einer Beteiligungsquote kappen: mit ähnlichem Effekt. Nur ein bestimmter Prozent-Anteil der Rendite wird dann mitgegeben. Der Marktführer Allianz kombiniere sogar beide Renditedämpfer, um den Ertrag zu drücken. „Wählt Kundin oder Kunde als Index den europäischen Euro Stoxx 50, wird dessen monatliche Rendite zuerst bei 2,2 Prozent gekappt. Von der gekappten Rendite kommt nur die Beteiligungs­quote von 78,75 Prozent bei den Anlegern an“, heißt es im Artikel. Die Simulationen ergaben für den Allianz-Vertrag eine durchschnittliche Verzinsung von 1,24 Prozent per annum.

Cap ist von klassischer Überschussbeteiligung der Lebensversicherer abhängig

Hinzu komme, dass Cap und Beteiligungsquote jedes Jahr angepasst werden: auf teils intransparente Weise. Abhängig sei er nicht etwa von der Entwicklung an den Börsen, sondern von der Höhe der klassischen Überschussbeteiligung der Lebensversicherer. Sinke die Über­schuss­beteiligung, sinken auch Cap oder Quote. Das trage dazu bei, dass sich die dauerhaft niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten auch für Indexpolicen-Sparer negativ ausgewirkt haben, denn die Lebensversicherer haben den Zins mehrfach nach unten korrigieren müssen. Und das, obwohl viele Vertragsinhaber glauben, die Entwicklung ihres Vertrages sei vom Kapitalmarkt abhängig: und nicht zinsbasiert.

“Verluste sind möglich“

Darüber hinaus kritisiert die „Stiftung Warentest“, dass -anders als von den Anbietern suggeriert- bei Indexpolicen durchaus Verluste möglich seien. Als Maßstab hierfür nehmen die Tester die Verzinsung klassischer privater Rentenversicherungen. Bei der Allianz habe dieser Zins in diesem Jahr 2,6 Prozent betragen. Entweder der Kunde streiche in einem Jahr die sichere Verzinsung ein oder er setze sie als Wett­einsatz für eine Indexbe­teiligung ein. Laufe die Indexbe­teiligung gut, können mehr als 2,6 Prozent erzielt werden. Läuft sie dagegen schlecht, ist das einge­setzte Geld weg, bemängelt die Stiftung.

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Über alle Anbieter gerechnet, erreichte ein Produkt der Volkswohl Bund die besten Renditen. In 35 Prozent der durchgerechneten Jahr lag hier die Rendite über null Prozent, die Wahrscheinlichkeit für mehr als vier Prozent bei 25 Prozent. Dafür sei das Produkt aber vergleichsweise teuer.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Versicherer würden hauseigene Indizes aufsetzen, die weniger durchschaubar und berechenbar seien als die etablierten Indizes wie etwa der Euro Stoxx 50. Das mache es für die Sparenden noch schwieriger, die Rendite ihres Vertrages zu errechnen und zu kontrollieren. Für die Kunden sei es auch nach­teilig, wenn nur Kursindizes für die Berechnung benutzt werden, wie zum Beispiel bei allen Tarifen mit dem Euro Stoxx 50 und dem Allianz-Tarif mit dem S&P 500. "Bei ihnen fließen nur die Kurs­bewegungen ein, nicht aber Gewinne aus Dividenden wie bei Performance-Indizes. Kursindizes weisen also eine deutlich schlechtere Wert­entwick­lung auf als Performance-Indizes", heißt es im Text. Die Kunden würden so um Gewinne gebracht.

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