Corona: Kfz-Versicherer lastet Unfallopfer Lieferketten-Probleme an
Einige Versicherer sorgten mit ihrer Regulierungspraxis in Corona-Zeiten für Kopfschütteln, weil sie die Krise ausnutzen wollten, um Kunden Zahlungen zu verweigern. Aktuelles Beispiel: Ein Kfz-Haftpflichtversicherer wollte Lieferketten-Probleme -und eine daraus resultierende längere Autoreparatur- einem Unfallgeschädigten anlasten. Weil die Werkstatt länger brauchte, Originalteile zu beschaffen, und der Geschädigte nicht intervenierte, habe er Mitwirkungspflichten verletzt. Das Amtsgericht Bautzen sah dennoch den Vericherer in der vollen Leistungspflicht (Urteil vom 16.09.2021, Az.: 21 C 570/20).
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- Autofahrer fragte regelmäßig nach - das reicht
Geklagt hatte ein Autofahrer, der durch einen anderen Fahrer einen Unfallschaden erlitt. Dabei bestand kein Zweifel daran, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer für den entstandenen Schaden aufkommen muss. Der Kläger war unverschuldet in den Unfall verwickelt worden.
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Die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs in der Werkstatt zog sich vom 18. April bis zum 06. Juni 2020 hin. Ein Grund war nicht nur, dass der Wagen infolge der Corona-Pandemie extra desinfiziert werden musste. Zusätzlich hatte die Werkstatt infolge von Lieferketten-Ausfällen Probleme, die Originalersatzteile für den beschädigten Citroen zu beschaffen. Zur Erinnerung: gerade im ersten Jahr der Corona-Pandemie kam es zu Lieferausfällen, sodass sogar einige Autohersteller ihre Produktion einstellen oder reduzieren mussten. In vielen Werken standen die Fließbänder still.
Kfz-Haftpflichtversicherer verweigert Ausfallentschädigung
Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers nahm die lange Reparatur aber zum Anlass, dem Geschädigten die sogenannte Nutzungsausfallentschädigung radikal zu kürzen: stark vereinfacht ein Ersatz dafür, dass der Kläger mit dem Fahrzeug nicht zur Arbeit fahren konnte. Statt 52 Tage zu bezahlen, wie es der Kläger forderte, wollte der Versicherer nur für 17 Tage aufkommen. Ebenso lehnte es der Versicherer ab, für die Desinfektion und Reinigung des Wagens zu zahlen sowie für eine Probefahrt.
Der Versicherer begründete die stark zusammengestrichenen Kosten unter anderem damit, dass der Unfallgeschädigte Obliegenheiten zur Schadenminderung nach § 254 Abs. 1 BGB verletzt habe. Stark vereinfacht müssen auch unverschuldet Geschädigte darauf achten, dass die Kosten nicht außergewöhnlich hoch steigen, wenn ein Schaden behoben wird: zum Beispiel bei der Reparatur des PKW. Als abzusehen gewesen sei, dass die Reparatur länger als üblich dauere, hätte sich das Unfallopfer folglich nach einer anderen Kfz-Werkstatt umsehen müssen, so das Argument des zahlungsunwilligen Versicherers. Die überlange Reparatur sei ein Verstoß gegen die Pflicht zur Schadenminderung.
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So seien zwar die Originalteile aufgrund der Corona-Krise nicht direkt über den Autohersteller zu beziehen gewesen, argumentierte der Versicherer weiter. Aber ein bestimmter Großhändler hätte die Ersatzteile nach wie vor liefern können, wie eine Marktrechereche ergeben habe. Hiervon hätte sich auch der geschädigte Unfallfahrer überzeugen können - und der Werkstatt den Auftrag entziehen, um das Auto woanders schneller reparieren zu lassen.
Autofahrer fragte regelmäßig nach - das reicht
Will ein Haftpflichtversicherer die Leistung zulasten eines Unfallgeschädigten kürzen, so trägt der Versicherer auch die Beweislast, dass den Anspruchsberechtigten ein Verschulden trifft und dieses für den Schaden (mit-)ursächlich war, so hoben die Richter des Amtsgerichtes Cottbus hervor. Soweit es jedoch um Umstände aus der Sphäre des Anspruchsberechtigten geht, trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat dementsprechend darzutun, was er zur Schadensminderung unternommen hat.
Der geschädigte Autofahrer behauptete, er habe sich wöchentlich bei der Werkstatt nach dem Stand der Reparatur erkundigt. Ihm sei gesagt worden, dass es coronabedingt zu Lieferschwierigkeiten komme, weil zahlreiche Produktionsstätten nicht mehr in Betrieb seien.
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„Mit diesen Anstrengungen ist der Kläger seiner Schadensminderungsobliegenheit nachgekommen. Er durfte sich auch mit dem Hinweis auf Lieferprobleme zufrieden geben, da dieser zumindest aus der maßgeblichen Laiensphäre auf dem Höhepunkt der ersten „Coronawelle“ nachvollziehbar war“, hoben die Richter des Amtsgerichtes Cottbus hervor.
Versicherer kann von unfallgeschädigter Privatperson keine deutschlandweite Marktrecherche verlangen
Dass ein bestimmter Großhändler im April 2020 Ersatzteile für das Fahrzeug des Klägers hätte liefern können, sei unerheblich, argumentierte das Gericht zum Nachteil des zahlungsunwilligen Versicherers. Denn es sei nicht entscheidend, ob die vom Kläger beauftragte Werkstatt den Reparaturauftrag bei gehöriger Anstrengung schneller hätte erledigen können, weil diese nicht als dessen Erfüllungsgehilfe gegenüber den Beklagten tätig wurde.
Vielmehr sei auf die Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten des Klägers selbst abzustellen. „Von diesem war eine eigene deutschlandweite Marktrecherche nicht zu erwarten. Er durfte sich mit einer regelmäßigen Nachfragen bei und der nachvollziehbaren Erklärung der von ihm beauftragten Werkstatt begnügen, weil es für ihn keine konkreten Anhaltspunkte gab, an der Kompetenz der [Autowerkstatt] zu zweifeln“, heißt es zur Urteilsbegründung.
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Eine Alternative hätte der Mann hier nicht suchen müssen. So muss die Versicherung den Nutzungsausfall voll begleichen. Und nicht nur das: Der Schädiger hat auch die Kosten einer Fahrzeugdesinfektion zu ersetzen, die die Werkstatt zur Vorbeugung gegen eine Coronainfektion nach Erledigen des Reparaturauftrags vornahm. Auch bei den Kosten einer Fahrzeugreinigung zur Beseitigung reparaturbedingter Verschmutzungen handelt es sich um einen ersatzfähigen Schaden, den der Versicherer nicht einfach verweigern kann.
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