Unfallforscher bringen Vorschläge für sichereren Radverkehr
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) sieht steigende Zahlen bei den Fahrradunfälle mit der Beteiligung von Senioren. Die Forscher haben auch deshalb Vorschläge entwickelt, die den Radverkehr sicherer machen könnten.
Zweiradfahrer haben ein deutlich höheres Risiko, im Straßenverkehr zu sterben oder schwer verletzt zu werden. Das zeigt eine Allianz-Studie. 983 getötete und 28.460 schwerverletzte Fahrradfahrer und Nutzer motorisierter Räder und E-Scooter habe es 2020 auf deutschen Straßen gegeben. Mit Fahrrädern sind laut Studie insbesondere die Älteren bedroht. 59 Prozent der getöteten Radfahrer sind bereits über 64 Jahre alt. Der deutliche Anstieg der Unfallzahlen sei auch dem Trend zu Elektrozweirädern geschuldet. Bei den Fahrradopfern sei jeder dritte Getötete der Nutzer eines Elektrofahrzeugs, so zeige die Allianz-Studie. Das Risiko, mit einem E-Bike getötet zu werden, sei nach Berechnung des Allianz Zentrum für Technik (AZT) beim E-Fahrrad gegenüber dem herkömmlichen Rad im langjährigen Mittel dreimal höher.
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Auch bei E-Scootern zeichne sich ein deutlicher Anstieg der Geschädigten ab: In den ersten zehn Monaten 2021 habe sich die Zahl der mit E-Scooter Verunglückten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 153 Prozent erhöht (von 1584 auf 4001), die der Schwerverletzten um 113 Prozent (von 306 auf 652).
Dieser Entwicklung hat sich die Unfallforschung der Versicherer auf dem Verkehrsgerichtstag 2022 gewidmet und eine Vorschlagsliste zusammengestellt, die den Radverkehr in Zukunft sicherer gestalten soll. Das Problem in vielen Städten ist bekannt und wohl auch nicht in Kürze zu ändern. Fehlender Platz und eine primär auf den motorisierten Verkehr ausgerichtete Infrastruktur machen es den Stadtplanern schwer den schnellen Turnaround zu schaffen. So bemängelt der Radverband ADFC wiederholt enge und schlecht gewartete Radwege, die teils von Autofahrern mitgenutzt und zugeparkt werden.
Die Unfallforscher sehen konkret vier Punkte, die den Radverkehr sicherer machen könnten:
1. Grundstückszufahrten sicherer gestalten
Die Einfahrten von Firmengeländen, Tankstellen, Supermarkt-Parkplätzen und Parkhäusern sind für Fahrradfahrer besonders gefährlich.
„Fast jeder fünfte Unfall zwischen einem Radfahrer und einem Pkw und fast jeder siebte Unfall mit schwerverletzten oder getöteten Radfahrern passiert an einer solchen Grundstückszufahrt“, sagt der Leiter der UDV, Siegfried Brockmann. Er plädiert dafür, diese Zufahrten besser auszustatten. „Die Kommunen stellen bisher in aller Regel keine Anforderungen an die Grundstückszufahrt, dabei könnten sie die Eigentümer verpflichten, die Zufahrten verkehrssicher zu gestalten“, so Brockmann. Je nach Frequenz und Lage könnten für die Zufahrten freie Sichtachsen, das Anbringen von Spiegeln oder sogar die Installation einer Ampel vorgeschrieben werden.
2. Assistenzsysteme zur Verhinderung sogenannter „Dooring“-Unfälle nutzen
Gerade in Großstädten kommt es immer wieder zu Kollisionen und schweren Verletzungen von Radfahrern, wenn Autofahrer ihre Tür unachtsam öffnen. Verhindert werden könnten diese sogenannten „Dooring“-Unfälle durch einen einfachen Schulterblick, den viele Autofahrer allerdings vor dem Öffnen ihrer Tür vergessen. Abhilfe schaffen könnten die in vielen neueren Fahrzeugen verbauten Totwinkelwarner. „Dafür müssten die Systeme so eingestellt werden, dass sie bis zum Aussteigen der Passagiere aktiv bleiben und den Fahrer sowohl optisch als auch akustisch warnen, wenn sich ein Radfahrer nähert“, so Brockmann. Noch sicherer wäre es, wenn das System in einem solchen Fall für kurze Zeit die Autotür blockieren würde.
3. Maximalmaße und -gewicht für Pedelecs festlegen
Alle Fahrzeuge, die mit Tretunterstützung bis 25 km/h bewegt werden, gelten in Deutschland als Fahrrad und dürfen überall dort fahren und stehen, wo Fahrräder zugelassen sind. Begrenzungen für die maximale Breite, Länge, Höhe oder Gewicht gibt es nicht. „Angesichts der explosionsartigen Verbreitung von Lastenfahrrädern, Anhänger und diversen Um-, An und Aufbauten sehen wir auf den Straßen immer längere, breitere und schwerere Pedelecs, deren Dimensionen und Risiken mit denen eines herkömmlichen Fahrrads nichts mehr zu tun haben“, sagt Brockmann. Dadurch ergäben sich Probleme sowohl bei der Fahrt als auch beim Abstellen solcher Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Brockmann regt daher an, Vorgaben für die maximalen Maße und das maximale Gewicht eines Pedelecs festzulegen.
4. Pedelecs an die Leistungsfähigkeit der Fahrer anpassen
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Angesichts der stark steigenden Unfallzahlen mit Pedelecs schlagen die Unfallforscher der Versicherer ein ganzes Maßnahmenbündel vor: „Grundsätzlich sollten Pedelecs bei einem Fachhändler gekauft werden, der über die Vor- und Nachteile von Front-, Heck- und Mittelmotor informiert, also seine Kunden fachkundig beraten und nach einem Kauf auch fachkundig in den Gebrauch des Pedelcs einweisen kann“, sagt Brockmann. Gerade für Senioren, die aus eigener Muskelkraft eine Geschwindigkeit von 25 km/h auf dem Fahrrad nicht mehr erreichen können, empfiehlt der Unfallforscher zudem ein Fahrsicherheitstraining mit dem neuen Pedelec. Noch besser wäre es nach Ansicht des Unfallforschers jedoch, wenn sich die Tretunterstützung an der Muskelkraft des Fahrers orientieren würde: „Aktuell erreicht jeder Fahrer auch mit geringstem Krafteinsatz die Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Mit Hilfe des schon vorhandenen Drehmomentsensors könnten Pedelecs aber auch so eingestellt werden, dass weniger kräftige Fahrer nicht mehr 25 km/h, sondern nur noch die Geschwindigkeit erreichen, die sie mit dieser Kraft auch auf einem “normalen” Fahrrad geschafft hätten. Sie könnten dank des Motors weiterhin ermüdungsfrei und auch bergauf fahren, während gleichzeitig das Risiko schwerer Verletzungen nach einem Unfall deutlich reduziert wäre“, so Brockmann.