„Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden“, so Arbeitsmarktexperte Stefan Sauer vom ifo-Institut. „Mittel- und langfristig dürfte dieses Problem noch schwerwiegender werden“, prognostizierte er angesichts der jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach werden in den nächsten 15 Jahren rund 12,9 Millionen Erwerbspersonen dem deutschen Arbeitsmarkt verloren gehen (Versicherungsbote berichtete).

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Die Einschätzung des ifo-Experten wird durch die Ergebnisse der jüngsten Gothaer KMU-Studie bestätigt. Demnach geben 46 Prozent der befragten kleinen und mittelständische Unternehmen (KMU) an, Schwierigkeiten zu haben, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und an ihr Unternehmen zu binden. Im Vergleich zu den Vorjahresergebnissen entspricht das einem Anstieg um sechs Prozentpunkte.

Auffällig dabei sind die Unterschiede zwischen kleinen und größeren Unternehmen: Während 28 Prozent der Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden diese Herausforderung sehen, sind es bei Unternehmen mit einer Größe von elf bis 20 Mitarbeitenden schon 44 Prozent. Besonders deutlich ist das Problem der Mitarbeitergewinnung und -bindung bei den mittleren und größeren Unternehmen mit 21 bis 200 bzw. 201 bis 500 Mitarbeitenden. Verglichen mit 2021 stiegen bei ihnen die Werte um 13 bzw. drei Prozentpunkte auf 58 und 54 Prozent.

Um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, setzen die meisten Unternehmen auf flexible Arbeitszeiten. 44 Prozent der befragten Unternehmen setzen auf Vereinbarungen, die beim Arbeitszeitrahmen von der sogenannten Normalarbeitszeit abweichen (siehe Grafik).


Ebenfalls attraktiv und durch die Pandemie zeitweise zum Pflichtangebot geworden: das Home-Office. Die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten, haben 38 Prozent der KMU im Programm. Im Vorjahr waren es noch drei Prozentpunkte weniger. Knapp dahinter reihen sich attraktive Gehaltszahlungen (37 Prozent) ein, ein Anstieg um zwei Prozentpunkte. Besonders auffällig: Größere Unternehmen mit erhöhtem Personalmangel sind eher dazu bereit, Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität umzusetzen. Dies zeigt sich insbesondere bei flexiblen Arbeitszeiten und beim Home-Office. Während die Werte hier bei 35 bzw. 28 Prozent für Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden liegen, betragen sie bei den größeren Unternehmen mit 201 bis 500 Mitarbeitenden 56 bzw. 54 Prozent.

bAV mit Zugewinnen – Weiterbildungsmöglichkeiten fallen ab

30 Prozent der KMU bieten ihren Mitarbeitenden mittlerweile eine betriebliche Altersversorgung (bAV) an. Mit Blick auf die wachsende Rentenlücke der Menschen haben immerhin zwei Prozent mehr der befragten Unternehmen die bAV im Kampf um Talente für sich entdeckt. Sie rückt damit auf Platz 4 und überholt die Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die auf Platz 5 zurückfallen und im Vergleich zum Vorjahr drei Prozentpunkte verlieren.

bKV auf dem Vormarsch

Signifikant gestiegen ist der Anteil der Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden eine betriebliche Krankenversicherung (bKV) zur Verfügung stellen. Waren dies im letzten Jahr noch zehn Prozent der Unternehmen, sind es in diesem Jahr bereits 13 Prozent. Sie liegt – gleichauf mit dem Jobticket und Angeboten zur betrieblichen Gesundheitsförderung – noch vor der betrieblichen Unfallversicherung (elf Prozent) auf Platz 7. Damit reagieren die Arbeitgeber auf die Entwicklung des stetigen steigenden Gesundheitsbewusstseins der Gesellschaft. „Insbesondere bei der bKV wissen wir um das Potenzial. Hier gilt es, weiter an der Bekanntheit sowohl auf der Seite der Unternehmen als auch auf der Seite der Mitarbeitenden zu arbeiten. Gerade in Zeiten der Inflation ist eine bKV attraktiv, da sie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei Gesundheitsleistungen unmittelbar finanziell entlastet“, so Dr. Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung AG.

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Bei welchen Zielgruppen eine bKV-Beratung besonders erfolgversprechend ist, ermittelte eine Continentale-Studie bereits 2020. Überdurchschnittliches Interesse zeigen demnach Beschäftigte, die sich selbst als Geringverdiener bezeichnen (87 Prozent). Beschäftigte aus kleineren Unternehmen (KMU) haben tendenziell häufiger Interesse an einer bKV. 83 Prozent der Mitarbeiter in Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten würden die bKV ‚bestimmt‘ oder ‚eher‘ nutzen, wenn ihr Arbeitgeber diese anbieten würde. In größeren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sind immer noch 70 Prozent interessiert (Versicherungsbote berichtete).

Fachkräftemangel: Auch Versicherungsbranche betroffen

Auch die Versicherungsbranche ist vom Fachkräftemangel betroffen. Dabei zeigte die Studie ‚Talents for Insurance 2022‘, dass die Versicherungswirtschaft in der Wahrnehmung möglicher Bewerber durchaus punkten kann. Immerhin kann sich fast jeder dritte Berufsanfänger (32 Prozent) gut vorstellen, zukünftig für einen Versicherer zu arbeiten. Als entscheidende Faktoren werden dafür Möglichkeiten zum Homeoffice, Gehalt und andere materielle Benefits und Arbeitsplatzsicherheit genannt (Versicherungsbote berichtete). Als besonders attraktive Arbeitgeber der Versicherungsbranche werden Allianz, Münchener Rück und HUK-Coburg gesehen (Versicherungsbote berichtete).

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Über die KMU-Studie der Gothaer:
2022 befragte die Gothaer Versicherung bereits zum achten Mal deutsche KMU in einer Online-Befragung nach aktuellen Trends und Meinungen. Im Zeitraum vom 17. Januar bis 28. Januar 2022 haben 1.000 Personen teilgenommen, die in ihren Unternehmen für das Thema Versicherungen (mit-)verantwortlich sind. Durchführendes Institut war die HEUTE UND MORGEN GmbH, Köln.

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