Private Häuslebauer sagen vermehrt Bauvorhaben und Sanierungen ab
Aufgrund der hohen Inflation und steigender Zinsen sagen viele ihre Bauvorhaben ab. Das liegt auch an den explodierenden Preisen. Bauleistungen haben sich im Mai gegenüber dem Vorjahresmonaten um 17,6 Prozent verteuert, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht: der höchste Anstieg seit 50 Jahren.
In Deutschland fehlt speziell in den Großstädten Wohnraum - und dennoch erlebt die Baubranche gerade einen deutlichen Rückgang der Nachfrage. Denn aufgrund der hohen Inflation, steigender Zinsen und fehlender Baumaterialien sagen speziell private Häuslebauer ihre Bauvorhaben vorerst ab:
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Mehr als jedes zehnte Bauunternehmen von Stornierungen betroffen
Wie das Branchenportal web.de aktuell berichtet, beobachtet das Münchener ifo-Institut seit dem Frühjahr eine Stornierungswelle. Mehr als jedes zehnte Unternehmen im Wohnungsbau (11,5 Prozent) sei im Juli von Stornierungen betroffen gewesen, so das Ergebnis einer Umfrage. "Noch sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Aber die explodierenden Baukosten, höheren Zinsen und schlechteren Fördermöglichkeiten stellen mehr und mehr Projekte in Frage“, werden die Ökonomen zitiert.
Besagte schlechtere Fördermöglichkeiten resultieren daraus, dass in der aktuellen schwierigen Lage auch eine Reform in Kraft trat, die von der Regierung kurzfristig angekündigt wurde - und vielen Hausbauern die Kalkulation durcheinander warf. Für bestimmte umweltfreundliche Komplett-Sanierungen gewährt die staatliche Förderbank KfW keine direkten Zuschüsse mehr, sondern nur noch einen zinsverbilligten Kredit inklusive Tilgungszuschuss. Diese Reform wurde von Robert Habeck am 26. Juli verkündet und innerhalb weniger Tage in Kraft gesetzt. Die zweite Stufe wird ab dem 15. August umgesetzt. Dann werden auch Förderungen für einzelne Baumaßnahmen teils deutlich gekappt.
Zugleich verteuern sich Baukredite rasant. Betrugen die Bauzinsen mit zehnjähriger Zinsbindung zum Jahresende 2021 im Marktschnitt noch 0,6 Prozent, so werden sie nach Einschätzung des Kreditanbieters Interhyp zum Jahresende bei 3,5 Prozent liegen. Die Preise für Handwerker und Materialien verteuern sich ebenfalls, etwa für Energie und Materialien. Das führt dazu, dass viele Bauherren und -damen nun deutlich mehr Geld benötigen, um ihr Vorhaben zu beenden: Geld, das sie oft nicht haben. Laut Statistischem Bundesamt sind seit Juli die Auftragseingänge für den privaten Wohnungsbau um 17 Prozent zurückgegangen.
Ursache für die sinkende Nachfrage sind aber nicht allein die Folgen des Ukraine-Krieges. Auch Corona und Personalmangel in der Branche wirken nach. Bereits im Jahr 2021 gab es einen neuen Rekord an zwar genehmigten, aber nicht fertiggestellten Wohnungen: knapp 847.000 Wohnungen waren hiervon laut Destatis betroffen, der höchste Stand seit dem Jahr 1996.
2021 aber deutete der Rückgang der Baufertigstellungen auf angebotsseitige Störungen hin, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Unternehmen und Bauherren seien daran gehindert, ihre Vorhaben zeitnah zu realisieren. "Hier dürften Lieferengpässe und Rohstoffknappheit, deutliche Preissteigerungen als Folge einer erhöhten Nachfrage nach Baustoffen wie Holz und Stahl im In- und Ausland sowie die hohe Auslastung beziehungsweise Personalknappheit im Baugewerbe eine maßgebliche Rolle spielen", heißt es. Zu dieser Situation tritt nun die nachlassende Nachfrage.
Aufträge im Bauhauptgewerbe brechen um 11,2 Prozent ein
Institutionelle und öffentliche Investoren können Mehrkosten bei den Bauvorhaben in der Regel besser abfedern, auch weil sie Rücklagen haben und Mehrkosten eventuell später auf Nutzer umlegen können - je nachdem, wofür die Immobilie oder das Bauwerk genutzt werden. Deshalb fällt in Summe der Rückgang im Bauhauptgewerbe weniger deutlich aus. Im Juni 2022 sanken die Auftragseingänge gegenüber dem Vormonat real um 5,5 Prozent, wobei saisonale und kalenderbedingte Effekte hier bereits herausgerechnet wurden.
Gegenüber dem Vorjahresmonat gingen die Aufträge im Bauhauptgewerbe gar um 11,2 Prozent zurück, so zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes. Aufgrund der stark gestiegenen Baupreise lag der nominale Auftragseingang -das heißt, nicht preisbereinigt- mit einem Volumen von 8,6 Milliarden Euro gar 4,1 Prozent über Vorjahresniveau. Auch diese Zahl zeigt, wie sehr die Baupreise in die Höhe geschossen sind.
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Der reale Umsatz im Bauhauptgewerbe ist im Juni 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat um 11,3 Prozent zurückgegangen. Der nominale Umsatz erhöhte sich aufgrund der stark gestiegenen Baupreise um 6,2 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro.