Mehr trinken und rauchen für die Gesetzliche Krankenversicherung?
Die gesetzliche Krankenversicherung hat ein Demografie-Problem. Allein für nächstes Jahr erwartet die Bundesregierung ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Während die gesetzlich Krankenversicherten mit einem höheren Zusatzbeitrag zur Kasse gebeten werden, warnen die Krankenkassen vor Insolvenzen und schreien nach zusätzlichen Finanzmitteln aus dem Steuertopf. Dabei sitzen die Problem viel tiefer. Denn das Umlageverfahren der GKV besticht aktuell durch seine mangelhafte Demografiefestigkeit und ist damit nur bedingt Generationengerecht. Eine Kolumne von Dr. Rainer Reitzler, CEO der Münchener Verein Versicherungsgruppe.
In Zeiten knapper Kassen treiben so manche Finanzierungsvorschläge interessante Stilblüten hervor. Die jüngste stammt von Ärztepräsident Klaus Reinhardt, der sich dafür ausgesprochen hat, die Alkohol- und Tabaksteuer teilweise für die Gesetzliche Krankenversicherung zu verwenden. Der Dachverband der Innungskrankenkassen (IKK) hatte die gleiche Idee. Die hohen Kosten der Folgeerkrankungen des Alkohol- und Tabakkonsums für das GKV-Gesundheitssystem sollten durch einen Teil dieser zwei bundesgesetzlich geregelten Verbrauchssteuern in einem gewissen Umfang kompensiert werden.
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Um den Finanzbedarf der Gesetzlichen Krankenkassen zu decken, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für das kommende Jahr eine Erhöhung der Zusatzbeiträge um 0,3 Prozentpunkte angekündigt. Zusammen mit dem allgemeinen Beitragssatz von derzeit 14,6 Prozent müssten die Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen dann 16,2 Prozent vom Bruttolohn für die Krankenversicherung abführen.
Eine Beteiligung der Krankenkassen an der Alkohol- und Tabaksteuer würde dazu führen, dass die Krankenkassen ein Interesse daran haben müssten, dass mehr oder zumindest nicht weniger Alkohol getrunken und geraucht wird, um ihre Einnahmen zu stabilisieren. Das steht im Widerspruch zum Präventionsauftrag der Krankenkassen.
Allerdings werden Steuern – auch wenn von Politikern gerne mal suggeriert – nie zweckgebunden erhoben. Somit stellt der zu diskutierende Vorschlag eine verklausulierte Forderung nach einem höheren Steuerzuschuss dar. Höhere Steuerzuschüsse für die GKV sind jedoch keine Lösung. Sie sind gerechtfertigt für die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen, darüber hinaus führen sie aber zu einer Benachteiligung von Privatversicherten.
Außerdem ist ein höherer Steuerzuschuss angesichts der demografischen Entwicklung und der dadurch niedrigeren Anzahl an Steuerzahlern in der Zukunft sowie dem absehbaren Bedarf von Steuergeldern in der Rentenversicherung nicht nachhaltig. Auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung müsste daher eine Kapitalkomponente eingeführt werden, um der Überalterung vorzubeugen. Die PKV macht das mit ihrem kapitalgedeckten Verfahren heute schon.
In den Topf der Alkohol- und Tabaksteuer zu greifen, um die GKV zu unterstützen, mutet befremdlich an. Ersten Prognosen des Statistischen Bundesamts zufolge wurden in Deutschland im Jahr 2021 rund 465 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben. Davon entfallen 55 % bzw. knapp 254,8 Milliarden Euro auf die GKV. Der Bundeszuschuss aus Steuermitteln an die GKV erreicht mit insgesamt 28,5 Milliarden Euro nur für 2022 eine historische Rekordhöhe. Immer noch höhere Finanzspritzen aus Steuermitteln zu fördern, ist nicht zielführend. Wer so denkt, begeht den gleichen Fehler wie in der Finanzierungsdebatte der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung. Generationengerecht wäre hier eine kapitalgedeckte Vorsorge. Die Bundesregierung will auch in der Rente ebenfalls auf eine Kapitaldeckung setzen.
Steuermittel sind nicht unbegrenzt verfügbar. Einseitig nur auf sie zu setzen, um Finanzlöcher zu stopfen, ist nicht mehr zeitgemäß. Höhere Bundeszuschüsse stehen im Widerspruch zum dualen Gesundheitssystem und verzerren den Wettbewerb zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung deutlich. Denn die PKV erhält keine Steuerzuschüsse. Die größten Finanzprobleme der GKV entstehen aus der mangelnden Demografiefestigkeit des Umlageverfahrens. Die PKV hingegen hat mit ihren Alterungsrückstellungen eine stabilere Lösung.
Alle Menschen in Deutschland profitieren von freier Arztwahl und gutem Zugang zum medizinischen Fortschritt. Ihnen steht ein flächendeckendes Netz von Kliniken und Ärzten zur Verfügung. Garantiert wird dieses hohe Niveau auch durch das Nebeneinander von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Zuletzt hat im Oktober 2021 eine Untersuchung aus dem Kreise der PKV gezeigt, dass sowohl privat als auch gesetzlich Versicherte mit dem dualen Gesundheitssystem zufrieden sind. Ein Mit-, statt ein Gegeneinander steht im Zeichen der Zeit.
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