In den letzten Jahren hat die Versicherungswirtschaft wiederholt vor Gefahren durch Starkregen gewarnt: jedes Jahr entstünde dadurch ein Milliardenschaden, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) berichtete. Er wirbt zugleich für den Abschluss einer Elementarschadenversicherung, weil diese vor erweiterten Naturgefahren wie Starkregen schütze. Doch das ist so nicht ganz korrekt, wie nun der Bund der Versicherten (BdV) informiert. Denn „Starkregen als solcher wird von der Elementarschadenversicherung nicht als versicherte Gefahr gewertet“, so heißt es in einem entsprechenden Pressetext.

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Versichert ist „Überschwemmung“, wenn…

Stattdessen seien Überschwemmungen versichert, die infolge eines Starkregens auftreten können. Doch diese Definition führt dazu, dass viele Hausbesitzer leer ausgehen, wenn infolge von Starkregen ihre Immobilie Schaden nahm. Denn damit eine Überschwemmung vorliegt, müssen laut Vertragsbedingungen bestimmte Vorgaben erfüllt sein. Der BdV beklagt eine „undurchsichtige Definition“, die die Versicherer verwenden - und damit ihre Kundinnen und Kunden in falscher Sicherheit wiegen.

Als Überschwemmung definiert wird die „Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser“, wie es in vielen Vertragswerken heißt. Damit der Versicherer für den Schaden zahlt, müssen in der Regel weitere Vorgaben erfüllt sein: etwa, dass ein oberirdisches Gewässer ausgeufert ist oder Witterungsniederschläge dieses Ereignis ausgelöst haben.

Ob und in welchem Umfang diese Vorgaben erfüllt sind, können die Versicherungsnehmer oft nicht selbst einschätzen, zumal sie mit den Kniffligkeiten der Verträge nicht vertraut sind. Das Fatale: Sie müssen dem Versicherer nachweisen, dass tatsächlich eine Überschwemmung unter den gegebenen Vertragsbedingungen vorgelegen hat. Dieses Zusammenspiel aus Witterungsniederschlag und Überschwemmung sei „insbesondere für die Schadenmeldung und die eventuell nötige Beweisführung gegenüber dem Wohngebäudeversicherer wichtig“, schreibt der BdV.

Vergleichsweise einfach sei es noch, nachzuweisen, dass tatsächlich ein Starkregen in der Region stattgefunden habe. Hier könnten Fotos vom Schaden sowie Auskünfte durch die Wetterämter helfen. Doch das allein reiche den Versicherungen als Beweis für eine durch Starkregen verursachte Überschwemmung nicht aus, berichtet der Verbraucherverband:„Betroffene müssen auch die Überschwemmung - also die Überflutung von Grund und Boden des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser – und die Ursache dafür nachweisen“.

Nachweis einer Überschwemmung - herausfordernd

Das Problem: Auch mit gutachterlicher Hilfe lasse sich allein durch das Schadensbild sowie dem Beleg, dass es einen Starkregen gegeben hat, nur äußerst mühsam eine Überschwemmung nachweisen. „Wenn Sie ein Gebäude besitzen und vor Ort sind, wenn ein Starkregen eine Überschwemmung verursacht, zücken Sie umgehend ihr Smartphone! Fotografieren oder filmen Sie die Überflutung. Eine solche Dokumentation der Schadensentstehung ist Gold wert, wenn es um den Anspruch auf die Versicherungsleistung geht“, rät BdV-Vorständin Bianca Boss. Doch seien Betroffene nicht vor Ort, werde die Beweisführung zur Herausforderung. Hier sollte man Zeugen suchen, etwa die eigenen Nachbarn.

Dass derartige Spitzfindigkeiten zu Frust und Wut bei Versicherten führen können, zeigen mehrere Rechtsstreite. Ein Beispiel: So ging vor dem Landgericht Mönchengladbach ein Mann leer aus, dem nach Starkregen der Keller mit Niederschlagwasser vollgelaufen war. Seine Klage gegen den Versicherer jedoch wurde abgewiesen. Das Wasser hatte sich in einem Lichtschacht und auf der Terrasse angesammelt, nicht jedoch auf dem „Grund und Boden“ des versicherten Gebäudes, wie die Richter hervorhoben. Der Versicherungsfall sei nicht eingetreten - der Kläger habe kein Anrecht auf Entschädigung (Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 30.04.2020 - 1 O 278/18).

Häufiger Rechtsstreit - und BGH-Urteil

Wie kompliziert der Sachverhalt mitunter einzuschätzen ist, verdeutlicht auch ein Hinweisbeschluss des Landgerichtes München - wenn auch mit glücklichem Ausgang für die versicherte Person (LG München I, Endurteil v. 16.07.2020 – 26 O 14155/19). Hier hatte der Wohngebäudeversicherer argumentiert, eine Überschwemmung mit Oberflächenwasser liege nicht vor, da sich das Regenwasser im erheblichen Umfang mit Wasser aus der Kanalisation vermischt hat, als die Werkstatt einer Münchenerin Schaden nahm.

Der Versicherer musste letztlich dennoch zahlen. In einem Hinweisbeschluss hoben die Richter hervor: „Der Versicherungsfall "Überschwemmung" als Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch Witterungsniederschlag liegt auch vor, wenn zusätzlich zu dem auf dem Versicherungsgrundstück niedergehenden Platzregen noch -in nicht quantifizierbarem Umfang- von der Straßenkanalisation nicht abgeführtes Regenwasser auf das Versicherungsgrundstück fließt“.

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Dabei verwiesen die Richter auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes. Der BGH habe ausgeführt, „dass nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine Überflutung von Grund und Boden dann anzunehmen sei, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammelten. Der Versicherungsnehmer soll so - und für ihn so auch erkennbar - zwar nicht gegen jedes Risiko eines auf Witterungsniederschläge zurückzuführenden Nässeschadens abgesichert werden, aber jedenfalls gegen solche Schäden, die dadurch verursacht werden, dass Niederschlagswasser, das auf die Geländeoberfläche trifft, aufgrund des verstärkten Niederschlagsaufkommens nicht mehr - wie sonst - versickern kann und sich deshalb in erheblicher Menge auf der Geländeoberfläche staut“ (Urteil vom 20.04.2005, Az. VI ZR 252/03).