Versicherer: Telefonservice okay, aber ausbaufähig
Die Versicherer haben noch Defizite im Telefonservice und bei der Erreichbarkeit. Das zeigt eine aktuelle Umfrage unter Kundinnen und Kunden. Zu oft würden die Verbraucher noch mit Warteschleifen und Sprachcomputern konfrontiert, wo sie eigentlich einen schnellen Ansprechpartner wünschen - immerhin schneidet die Branche besser ab als andere.
Wie ist es aktuell um den Telefonservice der Versicherer bestellt? Um das herauszufinden, haben die Beratungshäuser Sirius Campus und Aeiforia jene befragt, die am ehesten dazu Auskunft geben können: die Kundinnen und Kunden. Die repräsentative Umfrage zeigt ein durchwachsenes Bild.
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Zwar schneiden die Versicherer deutlich besser ab als ebenfalls getestete Branchen. Doch zu oft werden die Verbraucherinnen und Verbraucher noch mit langen Wartezeiten und Bots konfrontiert, wo sie schnell einen kompetenten Ansprechpartner wünschen. Befragt wurden im Mai 2.025 Entscheider und Mitentscheider in Versicherungsangelegenheiten zwischen 18 und 69 Jahren.
Telefonkontakt gewinnt wieder an Bedeutung
Die Umfrage kann zugleich indirekt als Mahnung an die Versicherer gelesen werden, es bei der Digitalisierung nicht zu übertreiben - und kompetente Ansprechpartner im Kundenservice durch Bots und Sprachtools zu ersetzen. Denn der persönliche Kontakt wird auch per Telefon noch bevorzugt:
Grundsätzlich stellt die Studie fest, dass die telefonische Kommunikation durch die Corona-Pandemie wieder an Bedeutung gewonnen hat. Sechs von zehn (60 Prozent) Kundinnen und Kunden rufen ihren Versicherer mindestens einmal im Jahr an, mehr als ein Drittel (38 Prozent) sogar mehrfach. Darunter seien auch viele, die ihren Vertrag über einen Vertreter oder gar online im Direktvertrieb abgeschlossen haben.
Jede(r) Fünfte stellt Versicherer für Erreichbarkeit ein eher negatives Zeugnis aus
Mit Blick auf die Versicherer bewertet jeder Vierte (25 Prozent) die telefonische Erreichbarkeit insgesamt mit „sehr gut“ oder „ausgezeichnet“, bezogen auf die eigenen Versicherer zeigt sich immerhin eine knappe Mehrheit der Kunden (55 Prozent) zufrieden.
Immerhin stimmen auch 43 Prozent der Befragten zu, dass die Erreichbarkeit der Versicherer "gut" sei. Dennoch stellt mit 20 Prozent immer noch jede(r) Fünfte ein tendenziell negatives Zeugnis aus und sagt, der Versicherer sei "mittelmäßig" bis "schlecht" zu erreichen. Elf Prozent machen hierzu keine Angabe (siehe Grafik).
"Viel Raum für Verbesserungen“, schlussfolgert Christoph Müller, Mitbegründer von Sirius Campus. „Zwar gibt es Branchen, die im direkten Vergleich noch schlechter abschneiden als die Assekuranz, zum Beispiel Stromversorger und Mobilfunkanbieter. Doch darf dies nicht der Maßstab sein. Eher sollte man sich an den Krankenkassen orientieren, die im Ranking der untersuchten Branchen auf dem ersten Platz liegen.“
Für die Frage, was den Kundinnen und Kunden beim telefonischen Service wichtig ist, waren keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Sehr häufig wurden hier die Erreichbarkeit (25 Prozent) und Kompetenz (21 Prozent) genannt.
Große Unzufriedenheit beim Umgang mit Kundenbeschwerden
Die häufigsten Anlässe für Telefonanrufe beim Versicherer sind laut Umfrage Vertragsfragen (30 Prozent) oder die Meldung von Schadenfällen (23 Prozent). Beides wird von den Versicherern routiniert bearbeitet, was sich in einer exakt durchschnittlichen Anrufzufriedenheit von 59 Prozent niederschlägt. Spürbar positiver werden die Anrufe bewertet, wenn es um die Änderung von persönlichen Daten, um Vertragsänderungen oder die Informationen zu Versicherungsprodukten geht. Deutlich schlechter wird der Service hingegen beurteilt, wenn der Versicherer Bescheinigungen ausstellen soll - oder sich Kundinnen und Kunden beschweren wollen. Im letzteren Fall ist sogar jede(r) zweite Befragte unzufrieden: 50 Prozent bewerten dann die Versicherer mit "mittelmäßig" oder "schlecht".
Einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit der Kunden ist die Anrufdauer. Der mit Abstand meistgenannte Grund (45 Prozent) für die telefonische Kontaktaufnahme ist die Schnelligkeit von Ansprache und Rückmeldung. Unzufriedenheit droht laut Studie dann, wenn der Wunsch, schnell eine Antwort oder Lösung für ein Problem zu erhalten, enttäuscht wird. Gründe hierfür können sein: mehrmalige Anrufversuche, lange Wartezeiten in der Telefonschleife, Weiterleitungen und inkompetente Ansprechpartner.
Jeder dritte Kunde landet in Warteschleife
Tatsächlich gelangen Anruferinnen und Anrufer zu Beginn des Telefonats häufig in einer Warteschleife, wo sie entweder vertröstet werden, bis ein Ansprechpartner erreichbar ist, oder wo sie bereits auf das bevorstehende Telefonat vorbereitet werden. Jeder dritte Kunde (34 Prozent) hat in den letzten zwölf Monaten Zeit in der Telefonwarteschleife eines Versicherers verbracht.
Da die meisten Kunden ohnehin davon ausgehen, bei einem Anruf in der Warteschleife zu landen, wird ein kurzer Verbleib von bis zu drei Minuten auch in der Regel toleriert. Bei sechs Minuten Länge ist bereits jeder dritte Kunde unzufrieden. Dauert es doch mal länger, rät Sirius Campus zu Ehrlichkeit. Ansagen über die voraussichtliche Wartezeit in Minuten oder die Anzahl der Gespräche, die zuvor an der Reihe sind, könnten Unzufriedenheit deutlich abmildern.
Alternativ bestehe auch die Möglichkeit, den Kunden einen so genannten „Premium“- oder „Fastlane“-Tarif anzubieten, der der eine sofortige Anrufannahme und einen persönlichen Gesprächspartner garantiert: Hierfür sei jeder fünfte Kunde bzw. jede fünfte Kundin zu gewinnen. Diskutabel bleibt aber, ob nicht viele Verbraucherinnen und Verbraucher beim Wissen um die Tarife das Gefühl haben, für eine Selbstverständlichkeit einen Aufschlag bezahlen zu müssen: einen guten Service.
Skepsis gegenüber Bots und Sprachcomputern bleibt groß
Nach wie vor skeptisch zeigen sich Kundinnen und Kunden, wenn sie am Ende keinen persönlichen Gesprächspartner erreichen, sondern einen Bot bzw. Sprachcomputer, der Anfragen beantworten soll. Hier habe sich die Zustimmung gegenüber früheren Umfragen verbessert, berichtet Sirius Campus: Immerhin 28 Prozent der Befragten waren von ihrem Telefonat mit einem Sprachcomputer begeistert („ausgezeichnet“ „sehr gut“).
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Bei komplexeren Anliegen telefonieren Kunden hingegen nach wie vor lieber mit einer realen Person, um das Gefühl zu haben, dass ihr Anliegen von Wichtigkeit ist. „Warteschleifen, Sprachcomputer und mehrmalige Weiterleitungen sorgen für Unzufriedenheit“ fasst Martin Gattung, Gründer und Geschäftsführer der Aeiforia GmbH, zusammen. Und weiter: „Auch wenn Jüngere alternative Kontaktwege wie Websites und Kundenportale vorziehen, bleibt die Serviceleistung über das Telefon ein wesentlicher Faktor für die Zufriedenheit der Kunden. Hier sollten Versicherer weiter optimieren und die Bedeutung des persönlichen Kontakts nicht unterschätzen.“