Gefährden hohe Sozialausgaben die Zukunft Deutschlands?
Eine aktuelle Studie des IfW kommt zu dem Ergebnis, dass immer mehr Bundesmittel in Sozialausgaben fließen. Notwendige Investitionen in Zukunftsprojekte hingegen leiden darunter. Das könne im Zweifel den Wohlstand in Deutschland gefährden, warnen die Ökonomen.
Setzt der Staat seine finanziellen Mittel falsch ein? Das ist zumindest Ergebnis einer Studie, die das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) aktuell vorgelegt hat. Die Ökonomen haben sich angeschaut, wofür die Bundeshaushalte der letzten 21 Jahre ausgegeben wurden. Dominierender Posten seit dem Jahr 2000 seien demnach die Sozialausgaben mit bis zu über 40 Prozent der Gesamtausgaben. Hingegen sei im Jahr 2021 weniger als ein Viertel für produktive Zwecke in Gegenwart oder Zukunft eingeplant gewesen - gemeint sind hierbei Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder seine Institutionen.
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„Unsere Analyse zeigt, dass gerade die für einen hohen Lebensstandard nötigen Investitionen in Bildung und Forschung nur eine sehr untergeordnete Rolle in Deutschlands Haushaltspolitik spielen", kommentiert Claus-Friedrich Laaser, Subventionsexperte am IfW Kiel. Und weiter: "Auch für den Standort wichtige Ausgaben für die Infrastruktur fallen vergleichsweise eher gering aus – was sich an ihrem teils besorgniserregenden Zustand anschaulich widerspiegelt." Als Beispiel genannt wird die Verwaltung, wo digitale Prozesse noch immer nicht etabliert sind und vieles von Hand bearbeitet und eingelesen werden muss.
269,5 Milliarden Euro für „Umverteilung“?
Konkret rechnet der Kieler Ausgabenmonitor im Jahr 2021 57,5 Prozent des Bundeshaushaltes den sogenannten Umverteilungsausgaben zu - dies entspricht 269,5 Milliarden Euro. Hier muss man jedoch beachten, was die Studienmacher alles hinzuzählen. Etwa fließen auch Ausgaben für den Länderfinanzausgleich hier rein - also Gelder, die den weniger finanzkräftigen Bundesländern und Kommunen helfen sollen, ihre Pflichtaufgaben zu finanzieren - und somit auch mehr Geld für Investitionen vor Ort zu haben.
Bundesausgaben mit Produktionseffekten beziffern sich laut den Ostseestädtern auf 76,2 Milliarden Euro, was 16,3 Prozent des Bundeshaushaltes entspricht. Davon entfallen 41,6 Milliarden Euro auf die äußere und innere Sicherheit (Verteidigung und Polizei) und 4,2 Milliarden Euro gehen an Exekutive, Legislative und Judikative.
Die Bundesausgaben mit Produktionseffekten für die Zukunft machten hingegen nur rund 30,2 Milliarden Euro aus, was 6,4 Prozent des Haushaltes einschließt. Hierzu zählen Mittel für Grundlagenforschung und Bildung. Zusätzlich werden noch Bundesausgaben für Produktionsleistungen in der Vergangenheit erhoben, wozu Pensionen sowie Zinsausgaben zählen. Diese machen 21,6 Milliarden Euro bzw. 4,6 Prozent des Haushaltes aus.
20 Milliarden Euro Corona-Ausgaben versteckte Investitionen?
Die Forscher kritisieren auch die hohen Ausgaben für die Coronahilfen des Bundes. Fast 20 Milliarden Euro "sind zwar als Corona-Hilfen deklariert, dienen aber gar nicht der unmittelbaren wirtschaftlichen Bewältigung der Krise", sagt Mitautor Laaser. Stattdessen hätten die Ausgaben Subventionscharakter - etwa für die Entlastung der Strompreise oder Absatzhilfen für Elektrofahrzeuge.
Ob diese Ausgaben zum Teil indirekt auch die Zukunftsfähigkeit fördern können, kann zumindest gefragt werden - etwa, wenn ein vermehrter Absatz von E-Fahrzeugen auch die Innovationsfreudigkeit der Hersteller fördert. Die Autoren beklagen aber Marktverzerrungen durch derartige Stützen. 57,4 Milliarden Euro wurden 2021 zudem für gesundheitspolitische Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung ausgegeben, etwa für Impfstoff oder Zuschüsse an Krankenhäuser.
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"Der Staat steht gegenüber seiner Bevölkerung in der Pflicht, seine knappen Mittel so einzusetzen, dass Wohlstand erhalten oder vermehrt wird und kontraproduktive Effekte durch öffentliche Ausgaben vermieden werden", mahnt Laaser. Die komplette Analyse kann auf der Webseite des IfW Kiel heruntergeladen werden.