Wie stark sind Versicherer noch in fossilen Energien engagiert? Das untersucht das Kampagnen-Netzwerk „Insure Our Future“ mit einer jährlich erscheinenden „Scorecard“. Diese bewertet die 30 weltweit führenden Versicherer im Bereich fossiler Energien nach der Qualität ihrer entsprechenden Richtlinien. Getrennt wird hierbei das Investment in Kohle und in Öl und Gas betrachtet, um dies dann zu einem Score zusammenzurechnen.

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Der aktuelle Stand: „62 Prozent der Rückversicherer haben jetzt Richtlinien für den Ausstieg aus Kohle, 38 Prozent haben Ausschlüsse für Öl und Gas“, schreibt die deutsche NGO Urgewald in einem Pressetext: sie gehört dem Klima-Netzwerk an. Mit Blick auf die in Kürze stattfindende UN-Klimakonferenz COP27 fordert Insure our Future, dass Versicherer nun die Expansion im fossilen Bereich endlich kategorisch ausschließen. Damit sollen sie sich dem 1,5-Grad-Ziel nach dem dem Übereinkommen von Paris verpflichten, um die globale Erwärmung auszubremsen.

Allianz führend beim Underwriting

Mit Blick auf deutsche Versicherungsriesen zeigen sich durchaus erfreuliche Ergebnisse. Die Studienmacher haben das Ranking demnach nach Underwriting und Investment aufgeschlüsselt - stark vereinfacht der Frage, welchen Branchen den Versicherern künftig noch Schutz gewähren und in welche Branchen sie das Geld der Kundinnen und Kunden investieren. Dabei belegt die Allianz im Gesamtranking Platz eins mit einem Score von 5,3 von zehn Punkten.

Beim Ausschluss von Kohle erreicht die Allianz satte neun von zehn Punkte und teilt sich damit den ersten Rang mit der französischen Axa. Bei Öl und Gas erreichen die Münchener zwar nur einen Score von 2.9 von 10. Weil hier aber Ausschlüsse im Versicherungs-Underwriting noch wenig etabliert sind, reicht dies für Rang vier im weltweiten Ranking. Bedeutet, dass der blaue Riese im Underwriting Rang eins der Gesamtwertung mit den strengsten Richtlinien belegt.

Dahinter folgen die Axa und die britische Aviva, die einen Score von 4.8 bzw. 4.4 erreichen. Die Swiss Re platziert sich auf Rang vier (4.2) des Gesamt-Rankings. Erfreulich ist aus deutscher Sicht, dass sich auch die Hannover Re und die Munich Re in den Top Ten platzieren: bei den Ausschlüssen für Öl und Gas haben sie gemeinsam mit Aviva sogar die strengsten Kriterien im Feld der 30 Versicherungs-Größen.

Ausschlüsse von Öl und Gas nehmen zu, Kohle außerhalb Chinas fast unversicherbar

"Zum Zeitpunkt der letztjährigen COP26 im schottischen Glasgow hatten nur Suncorp, Generali und AXA Beschränkungen für die Versicherung konventioneller Öl- und Gasprojekte eingeführt. Seitdem haben Allianz, Aviva, Fidelis, Hannover Re, KBC, Mapfre, Munich Re, SCOR, Swiss Re und Zurich nachgezogen. Damit ist die Gesamtzahl umfassender Öl- und Gasrichtlinien auf 13 gestiegen. Infolgedessen ist der Marktanteil der Rückversicherer mit Öl- und Gasbeschränkungen von drei Prozent auf 38 Prozent gestiegen und bei Erstversicherern von fünf Prozent auf 15 Prozent", schreibt Urgewald.

Kohle sei zudem außerhalb von China fast unversicherbar geworden. Die Zahl der Kohlerichtlinien in der globalen Versicherungsbranche sei im vergangenen Jahr von 35 auf 41 gestiegen, wobei sich die großen US-Versicherer AIG und Travelers dem Druck von Investoren und Zivilgesellschaft gebeugt hätten. Der Marktanteil der Versicherer mit Kohleausschlüssen habe nunmehr 62 Prozent in der Rückversicherung und 39 Prozent in der Erstversicherung erreicht.

2022 SCORECARD ON Insurance, Fossil Fuels and the Climate EmergencyInsure Our Future

Große US-Versicherer zögern bei Ausschlüssen

Am Ende der fossilen Versicherungsrangliste steht eine Gruppe von Versicherern, die sich noch keine Beschränkungen für die Deckung von Kohle-, Öl- oder Gasprojekten auferlegt haben. Dazu gehören die US-Giganten Berkshire Hathaway und Starr sowie Everest Re von den Bermudas. Ein Grund könnte sein, dass in den USA und Kanada die Förderung von Flüssiggas -auch als Fracking bekannt- etabliert ist.

Der Versicherungsmarkt Lloyd's of London aus Großbritannien schneidet ebenfalls sehr schlecht ab, weil er seine im Jahr 2020 veröffentlichte Kohlerichtlinie im Nachhinein für nicht bindend erklärt hatte.

Während die Anzahl der Richtlinien im Öl- und Gasbereich per se zunimmt, ist die Qualität sehr uneinheitlich. "Aviva und Hannover Re haben im Wettbewerbsvergleich die stärksten Öl- und Gasrichtlinien, sind aber keine großen Akteure im Öl- und Gassektor. Da ist es bedeutsamer, dass sich nun Munich Re, Swiss Re und Allianz ehrgeizige Richtlinien gegeben haben und insbesondere die Versicherung der meisten bzw. aller neuen Öl- und Gasförderprojekte (Expansion im Upstream-Bereich) ablehnen", schreibt die NGO.

Die Axa und Zurich, beides große Öl- und Gasversicherer, hätten dagegen nur halbherzige Schritte unternommen: "Sie haben sich lediglich dazu verpflichtet, die Versicherung für Ölexploration einzustellen, nicht aber für neue Ölförderung, geschweige denn für neue Gasexploration oder -förderung", berichtet Urgewald. Große Versicherer für fossile Energien wie AIG, Chubb, Lloyd's und Tokio Marine hätten dagegen noch gar keine Beschränkungen für konventionelles Öl und Gas eingeführt.

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Für gescheitert hält das Kampagnennetzwerk hingegen sogenannte Net-Zero-Allianzen. Das sind freiwillige Selbstverpflichtungen der Branche - die jedoch nicht das versprechen, was der Name hält. Trotz neuer UN-Kriterien sagte Renaud Guidée, Vorsitzender der Net-Zero Insurance Alliance, dass er nicht vorhabe, von den 29 aktuellen Mitgliedern der Allianz zu verlangen, die Deckung von Projekten für fossile Brennstoffe auszuschließen. Hier sei eine stärkere Regulierung notwendig, mahnt Urgewald.