IDD: In vier von fünf Fällen fragen Vermittler keine Nachhaltigkeits-Präferenzen ab
Seit dem 2. August müssen Versicherungsvermittler auch die Nachhaltigkeits-Präferenzen ihrer Kundinnen und Kunden abfragen, so sieht es eine Neuregelung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD vor. Doch in der Branche ist das noch nicht angekommen, wie eine EY-Studie zeigt. 78 Prozent der Vermittler führen bei ihren Kundinnen und Kunden noch keine Präferenzabfrage zu Nachhaltigkeit durch.
Seit dem 2. August müssen Vermittlerinnen und Vermittler von Versicherungs-Anlageprodukten auch abfragen, wie sich die Kundschaft zum Thema Nachhaltigkeit positioniert - auch wenn die Pflicht aktuell nicht für § 34f-Vermittler greift. So sieht es eine Neuregelung der Versicherungs-Vertriebs-Richtlinie (IDD) einschließlich der entsprechenden Delegierten Verordnung 2017/565 vor. Die Europäische Union will damit Versicherer und Altersvorsorge-Anbieter zwingen, bei der Geldanlage vermehrt Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen - konkret sogenannte ESG-Kriterien, die Faktoren der Umwelt (Environment), sozialen Verantwortung (Social) und verantwortungsvollen Unternehmensführung (Government) gewichten.
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Große Mehrheit der Beratenden verzichtet auf Thema Nachhaltigkeit
Doch wie sieht es derzeit in der Beratungspraxis aus? Hierzu hat das Beratungs- und Ratinghaus EY eine Studie vorgelegt, die zu einem wenig erfreulichen Ergebnis kommt. 78 Prozent der Vermittler führen demnach bei ihren Kundinnen und Kunden noch keine Präferenzabfrage zu Nachhaltigkeit durch. Für die Studie wurden per Mystery Shopping 85 telefonische und Online-Beratungsgespräche à ca. 50 Minuten durchgeführt, wobei aus dem Pressetext hervorgeht, dass es sich bei den Getesteten schwerpunktmäßig um Ausschließlichkeitsvertreter handelt. Denn sie lassen sich dem Vertrieb von 13 Versicherern zuordnen.
Hierzu berichtet Patrick Pfalzgraf, Partner bei EY EMEIA Financial Services: „Der benötigte Inhalt und Umfang der Präferenzabfrage ist in der IDD festgelegt und der Türöffner für den weiteren Gesprächsverlauf im ESG-Beratungsprozess. In etwa vier von fünf Fällen kommt es aber erst gar nicht dazu – das Thema Nachhaltigkeit wird, offenbar aus verschiedenen Gründen, eher vermieden. Dass ein Großteil der Branche geltendes Gesetz nicht einhält, ist sicherlich kein Vorsatz. Es zeigt aber, wie viele Hürden die Branche auch zwei Monate nach dem Tag X noch nicht überwunden hat. Und das trotz eines hohen vertrieblichen Potenzials und der hehren Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit.“
In den Beratungsgesprächen selbst hätten sogar 95 Prozent der kontaktierten Vermittlerinnen und Vermittler darauf verzichtet, Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen, berichtet EY per Pressetext. Die Kundinnen und Kunden sind folglich auf das Informationsmaterial der Versicherer angewiesen, um herauszufinden, welche Produkte entsprechende Kriterien erfüllen. Doch selbst hier zeigten sich große Lücken. Weit mehr als die Hälfte (65 Prozent) der zugesandten Unterlagen enthielten laut Testern keine Informationen zu nachhaltigen Produkten, geschweige denn Klassifizierungen.
"Es fehlt an geeigneter Unterstützung"
EY sieht hier die Verantwortung -auch- bei den Versicherern. Denn die Vermittler sind ebenfalls darauf angewiesen, dass die Anbieter überhaupt entsprechende Produkte bereitstellen und Informationen hierzu transparent kommunizieren.
„Wenn es keine ESG-konformen Anlageprodukte zu vertreiben gibt oder der Anbieter keine entsprechende Klassifizierung vorgenommen hat, hängen die Vermittler natürlich in der Luft“, so Pfalzgraf. „Aber die Gesamtproblematik geht tiefer. Häufig sind die Kenntnisse auf der Vermittlerseite für eine dezidierte Nachhaltigkeitsberatung noch nicht ausreichend. Zudem fehlt es an geeigneter Unterstützung durch strukturierte Prozesse in der Omnikanalberatung; obendrein sind Tools und klare Leitfäden oft Mangelware. Das schlägt dann irgendwann auch auf die Motivation der Beraterinnen und Berater.“
Ein Weg, hier die Beratungsqualität zu erhöhen, sind nach Ansicht des Experten Nachhaltigkeits-Kompetenz-Center. An Nachhaltigkeit interessierte Kundinnen und Kunden könnten so an spezialisierte Vertriebseinheiten oder zertifizierte Nachhaltigkeitsberater in der jeweiligen Organisation geleitet werden, argumentiert Pfalzgraf. "Mittelfristig führt jedoch an der intensiven und wiederkehrenden Schulung des gesamten Vermittlungspersonals kein Weg vorbei“, sagt der Diplom-Marketingwirt und Stratege. „Zudem sind die Einbettung des Beratungsprotokolls inklusive Präferenzen in die Antragsstrecke sowie geeignete Tools für die Gesprächsführung und für eine strukturiere Geeignetheitserklärung notwendig.“
Sieger der Herzen unter den 13 Probanden seien die Bayerische und die Gothaer. Auch wenn es noch Verbesserungsbedarf bei Beratungsstruktur und Umfang der Präferenzabfrage gebe, "konnten die Vermittler mit aktiver Ansprache zu Nachhaltigkeit, guter Fachkompetenz und hoher Kundenzentrierung punkten", berichtet EY. Klarer Gewinner sei aber Check24: das einzig getestete Vergleichsportal. Nachhaltigkeitspräferenzen würden bei dem Online-Makler grundsätzlich erfasst und der gewünschte Anteil nachhaltiger Fonds sei grob wählbar, berichtet EY. Verbesserungsbedarf gebe es aber auch dort bei der dezidierten inhaltlichen Beratung. Außerdem sei eine Aufteilung der Anteile auf die Faktoren E, S und G nicht möglich.
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