GKV-Zusatzbeitrag: Sonderkündigungsrecht mit Hürden
Gesetzliche Krankenkassen müssen ihre Versicherten nicht individuell über steigende Zusatzbeiträge informieren. Doch an den Fristen für das Sonderkündigungsrecht bei erhöhtem Zusatzbeitrag wurde nichts geändert. Was das für GKV-Versicherte bedeutet.
Das GKV-Stabilisierungsgesetz sieht u.a. vor, dass Krankenkassen, die ihre Zusatzbeiträge erhöhen, ihre Versicherten nicht mehr wie bisher per Brief darüber informieren müssen (Versicherungsbote berichtete). Stattdessen sollen Verlautbarungen auf den Unternehmenswebseiten der Krankenkassen und den jeweiligen Mitgliederzeitschriften ausreichend sein.
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Doch wie wirkt sich das auf das Sonderkündigungsrecht aus, das den Versicherten zusteht, wenn ihre Krankenkasse den Zusatzbeitrag erhöht? Das wollte Versicherungsbote vom GKV-Spitzenverband wissen. Die Antwort des Verbands: „Wenn eine Krankenkasse ihren Zusatzbeitragssatz erhöht, erhalten die Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht. Darauf müssen die Kassen ihre Mitglieder bis zum Ablauf des vorangegangenen Monats hinweisen, in dem der Zusatzbeitragssatz erhoben wird – nun befristet bis Mitte 2023 aber nicht mehr zwingend mit einem individuellen, gesonderten Schreiben, sondern auch auf anderem Wege etwa auf ihrer Homepage oder im Mitgliedermagazin. Dieser allgemeingültige Hinweis hat hierbei unverändert bis spätestens einen Monat vor Ablauf des Monats, für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird, zu erfolgen. Die Kündigung der Mitgliedschaft wiederum kann in diesen Fällen bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitragssatz erstmals erhoben bzw. erhöht wird. Wirksam wird sie dann zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt.“
Mit anderen Worten: An den bisherigen Regeln zum Sonderkündigungsrecht ändert sich nichts.
Zudem wollte Versicherungsbote vom Verband wissen, wieviele Personen jährlich aufgrund des Zusatzbeitrags ihre Kasse wechseln und wie sich dieser Anteil nach den neuen Informationspflichten seiner Einschätzung nach entwickeln würde. Der Verband antwortete, dass ihm solche Daten aus den amtlichen Statistiken nicht vorliegen. Außerdem würden solche Angaben das wettbewerbliche Handeln der Kassen berühren - deshalb könne der wettbewerbsneutrale Verband solche Daten nicht nach außen geben. Eine Einschätzung, ob und inwieweit das Wechselverhalten der Versicherten aufgrund anderer Kommunikationswege für die Informationen zu den Zusatzbeiträgen beeinflusst wird, wäre rein hypothetisch und sei daher seriös nicht machbar, so der GKV-Spitzenverband gegenüber Versicherungsbote.
Bezüglich der Daten über den Einfluß des Zusatzbeitrags auf die Wechselwilligkeit muss die Betonung in der Antwort des Spitzenverbands wohl auf ‚amtliche Statistiken‘ liegen. Denn das Wissenschaftliche Institut der AOK hat sehr wohl die Reaktionen auf Zusatzbeiträge in der GKV untersucht. Das war zwar bereits 2010/2011. Doch es ist zu erwarten, dass die wesentlichen Ergebnisse dieser repräsentativen Erhebung noch immer zutreffen. So heißt es im ‚WIdO monitor 1/2011‘, dass allein 2010 rund 600.000 Versicherte von Krankenkassen, die einen Zusatzbeitrag verlangten, von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machten. Die Umfrage zeigte damals auch, dass Versicherte, die über einen Kassenwechsel nachdenken, am häufigsten den Zusatzbeitrag als Grund nennen. Und: Die Wechselneigung bei Mitgliedern von Krankenkassen mit Zusatzbeitrag ist wesentlich höher als bei Mitgliedern von Kassen ohne Zusatzbeitrag.
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Es gibt also einen klaren Zusammenhang zwischen Kassenwechsel und Zusatzbeitrag. Wird nun ausschließlich auf der Webseite und der Mitgliederzeitschrift über die Erhöhung des Zusatzbeitrags informiert, dürften vor allem jene Gefahr laufen, Kündigungsfristen zu verpassen, die beispielsweise nicht internet-affin sind, keinen Internet-Anschluss haben, die Mitgliederzeitschrift ihrer Kasse abbestellt haben oder nicht lesen.