In jüngerer Vergangenheit kam es zu mehreren spektakulären Angriffen von Klimaaktivisten auch gegen Kunstwerke. Versicherungsbote nahm das zum Anlass, diesen Markt, der sonst weniger im Fokus des öffentlichen Interesses steht, genauer zu beleuchten. Versicherungsbote entwickelte Fragen und sandte sie an mehrere Kunstversicherer. Die Ergebnisse werden sukzessive veröffentlicht.

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Das jährliche Prämienvolumen im Bereich der Kunstversicherung in Deutschland wird mit 130 bis 150 Millionen Euro angegeben. Bedenkt man aber, dass allein der im Potsdamer Barberini Museum beschädigte Monet auf 111 Millionen geschätzt wird, führt das zur ersten Frage:
Klaffen Prämien und versicherte Werte zu stark auseinander?

Anette Schwarz, Komposit Industrie, Underwriter Fine Art bei der Gothaer:
Bedenkt man, dass in der Kunstversicherung eine sehr weitgehende Allgefahrendeckung die Regel ist, so kann man sagen, dass das Prämienniveau den anhaltend weichen Versicherungsmarkt widerspiegelt. Niedrige Prämiensätze sind solange durchsetzbar, wie das Geschäft ertragreich ist. Das ist in der Kunstversicherung bisher erfahrungsgemäß der Fall, trotz teils sehr hoher Einzelwerte. Im Falle einer Teilbeschädigung bleibt das Risiko der Wertminderung. Die Auflagen im Umgang mit Kunstwerken sind allerdings auch sehr umfassend: Verpackung, Art Handling, die Expertise der Spezialisten von der Restaurierung über Kunstspeditionen bis hin zu den Ausstellungsaufbauteams sind von einem hohen Standard geprägt und werden entsprechend vorausgesetzt.

Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversicherung bei der Allianz Versicherungs-AG:
Auch für die Kunstversicherung gilt, dass der „Risikoausgleich im Kollektiv und über Zeit“ ein auskömmliches Niveau der Versicherungsprämien voraussetzt – sonst geht diese Gleichung nicht auf. Verändern sich relevante Variablen (z.B. Schadendurchschnitte oder veränderte Schutzmaßnahmen der Museen – um nur zwei mögliche Einflussgrößen zu nennen) korrespondieren solche Veränderungen mit der jeweiligen Preisbildung im Markt. Aus unserer Sicht funktioniert diese Kalibrierungsmechanik in der Kunstversicherung bis dato vernünftig.

Julia Ries, Leiterin ERGO Art and Values:
In der Tat besteht in der Kunstversicherung eine hohe Diskrepanz zwischen Prämien auf der einen Seite und Versicherungssummen auf der anderen – dies wird als Prämien-Haftungsverhältnis bezeichnet.

Das gesamte jährliche Prämienaufkommen in Deutschland übersteigt daher u.U. nur unwesentlich den Wert eines Spitzenkunstwerks wie z.B. einem Monet oder van Gogh. Dies liegt darin begründet, dass die Prämienraten in der Kunstversicherung im Vergleich zu anderen Sparten sehr niedrig sind. Denn in der Kunst treten in der Regel wenig große Schadensereignisse ein und vor allem keine Totalschäden - ein Grund dafür, dass die Versicherungssparte hoch profitabel verläuft. Allerdings auch ein Grund für eine anhaltende Weichmarktphase.

Gäbe es Totalschäden in der Größenordnung eines Monet Gemäldes im Wert von 111 Mio. Euro, würde dies erhebliche Auswirkungen auf den Versicherungsmarkt haben. Vorstellbar ist, dass dann Versicherer ihre Kapazitäten deutlich zurückfahren würden („Derisking“) mit der Folge von Kapazitätsverknappung und steigenden Preisen.

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Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients, Hiscox:
Seit Jahren beobachten wir am Markt sehr niedrige Prämien, gerade im Museumsbereich, bzw. für öffentliche Ausstellungen. In Hinblick auf die internationalen Proteste in Kunstmuseen stellt sich die Frage inwieweit diese Marktkonditionen auf Dauer zu halten sind. Zum Glück betraf der Schaden, den der Kartoffelbrei an Monets Werk „Getreideschober“ verursachte vor allem den Rahmen des Gemäldes. Die Schäden, die Aktionen mit Kleber verursachen können, schätzen wir sehr viel höher ein. Leider sind diese Vorfälle nicht nur in Kunstmuseen zu beobachten, sondern auch auf Automobilausstellungen, wie jüngst auf der Paris Motor Show, bei der sich Aktivisten an drei Ferraris aus den 80ern festklebten.