„Rente mit 63“ boomt - und erzeugt hohe Mehrkosten
Weit mehr Menschen als ursprünglich kalkuliert nutzen die sogenannte Rente mit 63, um ohne Abschläge vorzeitig in den Altersruhestand zu wechseln. Das treibt auch die Kosten in die Höhe. Allein im Juli mussten 3,4 Milliarden Euro allein für diese Renten ausgegeben werden.
Wer 45 Jahre Versicherungszeit in der Deutschen Rentenversicherung nachweisen kann, muss nicht bis zur Regelaltersgrenze warten, sondern kann seit 2014 zeitiger ohne Abschläge in den Ruhestand wechseln. Die entsprechende Reform wurde unter dem Begriff „Rente mit 63“ bekannt, auch wenn diese Bezeichnung streng genommen nicht korrekt ist. Das Renteneintrittsalter wird schrittweise angehoben, das trifft auch auf die „Rente mit 63“ zu. Nur Jahrgänge, die vor 1953 geboren sind, konnten tatsächlich mit 63 Jahren in Rente. Für alle anderen steigt das Renteneintrittsalter schrittweise auf 65 Jahre an.
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Mehr Menschen als erwartet nutzen "Rente mit 63"
Wie die BILD-Zeitung nun mit Berufung auf die Deutsche Rentenversicherung berichtet, machen weit mehr Menschen von der „Rente mit 63“ Gebrauch, als es die damalige Bundesregierung bei ihrer Einführung prognostiziert hatte. Demnach gab es Ende Juli bereits 1,99 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Das sind rund 400.000 mehr, als es 2014 erwartet worden war. Entsprechend stiegen auch die Kosten für diese Rentenart. Allein im Juli 2022 hätten hierfür 3,4 Milliarden Euro ausgegeben werden müssen.
Entsprechend stieg auch der Anteil der „Rente mit 63“ an allen neuen Ruhestands-Geldern. Laut dem Bericht entfielen 2021 genau 268.957 erstmals ausgezahlte Renten auf die „Rente mit 63“: mehr als jeder vierte Neurentner bzw. jede vierte Neurentnerin machte davon Gebrauch (26,3 Prozent).
Abschlagsfreie Rente bei Fachkräften besonders beliebt
Mehrere Studien haben bereits darauf hingewiesen, dass die „Rente mit 63“ sehr wahrscheinlich den aktuellen Fachkräftemangel verschärfe. Denn sie werde von Fachkräften überproportional in Anspruch genommen. So kam eine repräsentative Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2020 rund 7,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Erwerbstätige älter als 55 Jahre waren - und den Arbeitsmarkt voraussichtlich in den kommenden zehn Jahren verlassen werden. Rund zwei Millionen dieser Menschen sind in Berufen tätig, wo ohnehin Fachkräftemangel herrscht und Stellen nicht besetzt werden können: unter anderem auf dem Bau, in der Logistik oder in der Pflege.
Die Bundesregierung hat auf diesen Tatbestand reagiert, indem sie Anreize setzen will, auch im Alter weiter einem Job nachzugehen. Die Ampel-Koalition hat am 31. August 2022 das 8. SGB IV-Änderungsgesetz auf den Weg gebracht. Ziel des Gesetzes ist es, die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei vorgezogenen Altersrenten grundlegend zu reformieren. Bei diesen Altersrenten soll die Hinzuverdienstgrenze ganz entfallen - aktuell müssen Ruheständlerinnen und Ruheständler auch bei der „Rente mit 63“ noch Kürzungen bei der Rente akzeptieren, wenn sie die Hinzuverdienstgrenze von aktuell gut 46.000 Euro im Jahr überbieten. Die Änderungen sollen zum 1. Januar 2023 in Kraft treten.
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Eine repräsentative Umfrage des Demographie Netzwerks zeigt zugleich, dass der Wunsch nach einem zeitigeren Renteneintritt in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet ist. Demnach würde mehr als jeder zweite Beschäftigte (54,2 Prozent) gern mit 62 Jahren oder zeitiger in Rente gehen bzw. mit der Erwerbsarbeit aufhören. Hingegen will nur etwas mehr als jeder Zehnte (10,7 Prozent) bis zum Alter von 67 Jahren oder darüber hinaus arbeiten.