Pflegeheim: Eigenanteil steigt erneut deutlich
Wer stationär in einem Pflege- oder Altenheim betreut werden muss, zahlt immer mehr aus eigener Tasche. Der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE), stark vereinfacht die reinen Pflegekosten, sind gegenüber dem Vorjahr im Schnitt um ein Fünftel angestiegen. Das ist Rekord - ohnehin explodieren die Kosten seit Jahren.
Wer im Pflegeheim untergebracht ist, muss immer höhere Eigenanteile für die reinen Pflegekosten zahlen. Laut der Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) liegen die sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteile (EEE) Mitte November 2022 um durchschnittlich 21 Prozent höher als rund ein Jahr zuvor. Das berichtet der AOK Bundesverband auf seiner Webseite. Schon in den letzten fünf Jahren sind die Eigenanteile massiv angestiegen, wenn auch weniger stark: Sie verteuerten sich pro Jahr zwischen elf und 14 Prozent.
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Im Schnitt 2.001 Euro Pflegeheim-Kosten monatlich
Im Bundesschnitt liegen die monatlichen pflegebedingten Kosten laut der Auswertung aktuell bei 697 Euro, berichtet die AOK weiter. Doch dies ist nicht alles, was Pflegebedürftige im Heim aus eigener Tasche zahlen müssen. Hinzu gesellen sich Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von durchschnittlich 836 Euro sowie die Investitionskosten von durchschnittlich 468 Euro. Pflegeheim-Bewohner müssen somit in der Summe durchschnittlich 2.001 Euro monatlich finanzieren: zusätzlich zu dem, was die Pflegekasse übernimmt. Stichtag für die Zahlen ist der 15. November 2022.
Um Pflegeheim-Bewohner zu entlasten, hat die frühere Bundesregierung unter Federführung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang 2022 sogenannte Leistungszuschläge eingeführt. Ihre Höhe richtet sich danach, wie lange ein Pflegebedürftiger in einer vollstationären Einrichtung wohnt. Bewohnerinnen und Bewohner, die bis zu einem Jahr in der Einrichtung leben, zahlen dadurch nach Erhalt der Zuschläge durchschnittlich 1.135 Euro selbst, Pflegebedürftige mit einem Wohnaufenthalt von einem bis zu zwei Jahren 896 Euro, bei zwei bis drei Jahren sind es 657 Euro. Ab einem Aufenthalt von mehr als drei Jahren fallen dann nur noch 358 Euro an. Doch auch hier gilt: gedeckelt werden lediglich die reinen Pflegekosten. Die Aufwendungen für Unterbringungen und Investitionen müssen weiterhin selbst voll aufgebracht werden (siehe Grafik).
Ein Grund für die Teuerungen: Seit dem 1. September 2022 sind die Pflegeeinrichtungen in Deutschland verpflichtet, ihre Beschäftigten in Pflege oder Betreuung mindestens auf Tarifniveau zu bezahlen. „Aufgrund der Konstruktion der Pflegeversicherung als Teilleistungssystem werden etwa 60 Prozent der zusätzlichen Kosten infolge der höheren Löhne an die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen weitergereicht, den Rest trägt die finanziell ohnehin angeschlagene Soziale Pflegeversicherung über die neu eingeführten Zuschläge“, kommentiert Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.
Mit den steigenden Kosten verfehlt die Spahn-Reform das Ziel, die Bedürftigen stärker zu entlasten. Trotz der Anfang des Jahres eingeführten Leistungszuschlags-Regelungen haben die von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst zu tragenden Pflegekosten nach der Analyse des WIdO schon jetzt wieder das Niveau von Ende 2018 erreicht. „Die Politik ist gefordert, hier wirksam gegenzusteuern. Eine Entlastung kann erreicht werden, indem die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen herausgenommen werden. Diese Maßnahme ist im Koalitionsvertrag vereinbart und sollte zeitnah umgesetzt werden“, fordert Reimann.
Darüber hinaus fordert die AOK, dass die Investitionskosten der Einrichtungen, die zurzeit den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden, als Teil der Daseinsvorsorge vollständig von den Ländern übernommen werden. „Zudem sollten die Pflegeleistungen jährlich dynamisiert werden. Damit könnten die steigenden Eigenanteile der pflegebedürftigen Menschen ebenfalls verringert werden“, so Reimann. Ansonsten reichten die nach Aufenthaltsdauer gestaffelten Zuschläge nicht aus, um die Pflegebedürftigen mittel- und langfristig wirksam zu entlasten.
Auch bei ambulanten Pflegediensten Kostensteigerungen erwartet
Und ein Ende der Teuerungsspirale ist nicht in Sicht. Zum 1. September 2022 sei der Pflegemindestlohn sprunghaft angestiegen, auch die allgemeine Preisentwicklung werde sich in den Tariflöhnen niederschlagen. Ohnehin belasten Inflation und steigende Energiekosten auch die Pflegeheime. „Die Ausweitung der Wohngeld-Ansprüche für Bewohner in Einrichtungen ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus, um die Pflegebedürftigen nachhaltig zu entlasten.“ Auch bei den Pflegediensten werde es zu weiteren Kostensteigerungen kommen, warnt Reimann: „Das wird in der ambulanten Pflege ebenfalls zu höheren Zuzahlungen oder zu Leistungseinschränkungen führen.“
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Die Soziale Pflegeversicherung trägt über die Anfang 2022 eingeführten Zuschläge für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen einen Teil der zusätzlichen Belastungen, die durch die steigenden Preise entstehen. Um diese wachsenden Belastungen meistern zu können, sei eine grundsätzliche und dauerhafte finanzielle Stabilisierung der angeschlagenen Pflegeversicherung notwendig, fordert die AOK-Vorständin: "Trotz des jüngsten Bundeszuschusses aus Steuermitteln erwarten wir am Jahresende ein Defizit von etwa 1,5 Milliarden Euro. Kurzfristige Darlehen aus Bundesmitteln, mit den die Löcher gerade notdürftig gestopft werden, sind keine dauerhafte Lösung, denn Einnahmen und Ausgaben gehen immer weiter auseinander".