PKV der Zukunft - Wo Krankenversicherer Chancen und Risiken sehen
Wie müssen sich private Krankenversicherer künftig aufstellen, um eine Zukunft zu haben? Mit dieser Frage hat sich aktuell das Beratungshaus Deloitte auseinandergesetzt. Drei Hauptaktivitäts-Felder machte es dabei aus: und die Notwendigkeit, mehr zu sein als bloßer „Kostenerstatter“.
- PKV der Zukunft - Wo Krankenversicherer Chancen und Risiken sehen
- Fokusthemen für die Zukunft
Das Markt- und Wettbewerbsumfeld der privaten Krankenversicherer wandelt sich stetig: das ist eine Binsenweisheit. Das Beratungshaus Deloitte hat nun erneut Interviews mit Entscheiderinnen und Entschiedern der Branche geführt, um zu schauen, wie sich die privaten Krankenversicherer derzeit positionieren - und wie sie sich zukünftig positionieren wollen.
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Pflegezusatzversicherung: 79 Prozent unzufrieden
Ein Ergebnis: Mit dem Geschäftsjahr 2021 sind die privaten Krankenversicherer „größtenteils zufrieden“, wie es in der Studie heißt. Hinter dieser Formulierung versteckt sich ein durchwachsenes Bild. Beispiel private Krankenvollversicherung: Hier sind 21 Prozent „eher zufrieden“, 37 Prozent „zufrieden“ und 26 Prozent sogar „sehr zufrieden“. Tatsächlich hatte die Branche auch 2021 netto mit Verlusten zu kämpfen. Nach Zahlen des PKV-Verbandes waren zum Jahresende 2021 genau 8.716.776 Personen vollversichert: 7.124 Versicherte weniger als im Vorjahr. Hier ist auch die Frage, welche Vorstände man fragt.
Doch der Blick auf andere Geschäftsbereiche zeigt ein weniger erfreuliches Bild. In der Krankenzusatzversicherung äußert sich mehr als jeder Vierte (27 Prozent), dass er „unzufrieden“ oder „eher unzufrieden“ sei. Noch krasser sieht es in der Pflegezusatzversicherung aus. Hier ist die Mehrheit der Befragten (79 Prozent) mit der Geschäftsentwicklung unzufrieden.
Ausgaben bleiben ein wichtiges Thema
Erwartungsgemäß hatten die Versicherer im Jahr 2021 noch immer mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen: und damit auch mit erhöhten Krankheitskosten. Der Lockdown habe einerseits Digitalisierungsprojekte beschleunigt und dazu beigetragen, dass Betriebsprozesse modernisiert wurden, berichtet Deloitte: das betrifft auch Kundenansprache und Vertrieb.
Bei den Ausgaben habe es divergierende Effekte gegeben. Mehrkosten entstanden durch höhere Hygienepauschalen, Krankentagegeld und pandemiebedingte Erkrankungen. Dem entgegen sind Untersuchungen weniger in Anspruch genommen worden und OPs mussten ebenfalls verschoben werden, wodurch Kosten eingespart werden konnten. Diesbezüglich stellt sich aber die Frage nach den Folgekosten: etwa für psychische Krankheiten, die sowohl durch die Kontaktbeschränkungen und auch Long Covid begünstigt sein können. Oder aufgrund von Nachholeffekten. So mussten und müssen nicht nur viele OPs nachgeholt werden: werden Krankheiten später erkannt und behandelt, kann dies ebenfalls Mehrkosten verursachen. Immerhin: „Auf Prämieneinnahmen, Prämienstundungen und Stornoquoten hatte COVID-19 bisher keine bzw. geringe Auswirkungen“, schreibt Deloitte.
Erwarteter Einfluss von „Veränderungstreibern“
Mit Blick auf das Markt- und Wettbewerbsumfeld fragen die Studienmacher, welchen Einfluss verschiedene Veränderungstreiber auf die Krankenversicherer in den nächsten fünf Jahren haben werden. Geantwortet werden konnte auf einer sechsstufigen Skala von „sehr gering“ bis „sehr stark“. Die Antworten sind durchaus aufschlussreich. Die am häufigsten genannten Veränderungstreiber sind „digitalisierte Prozesse“ und „digitale Kundenschnittstellen“, was vermuten lässt, dass die Versicherer hier noch Nachholbedarf haben. 37 Prozent sehen in „digitalisierten Prozessen“ einen „sehr starken“ Veränderungstreiber, 42 Prozent einen „starken“.
Doch bereits auf Rang drei platziert sich der „Fachkräftemangel“. Fast jeder Zweite (47 Prozent) sieht in diesem einen „starken“ und weitere 26 Prozent bewerten ihn gar als „sehr starken“ Veränderungstreiber. Hier spiegelt sich die Befürchtung der Versicherer, selbst nicht mehr genug qualifiziertes Personal für bestimmte Aufgaben zu finden. Was insofern nicht verwundert, da IT- und Kundenschnittstellen auch technisch qualifizierte Mitarbeiter erfordert, sofern man diese Aufgaben nicht von außen einkauft.
Der „demografische Wandel“ landet auf Rang vier der Veränderungstreiber. Nicht von ungefähr: auch wenn dies in der Studie nicht näher spezifiziert wird, so haben auch die Privatversicherer -trotz Alterungsrückstellungen- mit der alternden Gesellschaft zu kämpfen. Viele ältere Menschen in den Tarifen treiben die Krankheits- und Pflegekosten. Zudem leidet das Neugeschäft darunter, dass die Zielgruppe von jungen und gesunden Menschen kleiner wird. 26 Prozent sehen im demographischen Wandel einen „sehr starken“ Veränderungstreiber, elf Prozent einen „starken“.
Auch das Thema Nachhaltigkeit (ESG) wird relevanter für die PKV. Hier liegt der Fokus vor allem auf dem Aspekt „Umwelt“ bei Kapitalanlagen und Prozessen sowie dem Aspekt „Sozial“ bei den Produkten.
"Die Digitalisierung von Prozessen, IT- und Kundenschnittstellen bleiben weiterhin wichtige Maßnahmen, um sich im Markt- und Wettbewerbsumfeld zu positionieren und dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Predictive Analytics, Künstliche Intelligenz und andere Datenanalysemethoden werden in den nächsten Jahren vermehrt bei der Optimierung von Serviceangeboten, im Leistungsmanagement und im Antragsprozess eingesetzt", schreibt Deloitte.
Fokusthemen für die Zukunft
Viele der Herausforderungen, die nun von den PKV-Entscheidern in der Studie genannt wurden, sind keineswegs neu. "Die Digitalisierung, sich verändernde Kundenerwartungen und die gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen beeinflussen die strategische Ausrichtung der PKV-Unternehmen bereits seit einigen Jahren. Mit dem stärker werdenden Fachkräftemangel und Nachhaltigkeitsbewusstsein kommen zwei weitere Trends hinzu", ist das Fazit der Studie.
Eine Tendenz, die die Branche ebenfalls schon seit Jahren begleitet: Die Krankenversicherer wollen sich vermehrt als Gesundheitsdienstleister positionieren und nicht als bloße Kostenerstatter. Aber hier gibt es sowohl regulatorische Hürden -etwa die strengen Regeln für Datenschutz und Telemedizin- als auch ein Imageproblem:
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"Regulatorische Vorgaben und das „Kostenerstatter“-Image stellen für private Krankenversicherer Herausforderungen bei der Positionierung als Gesundheitsdienstleister dar", schreibt Deloitte. Und weiter: "Kunden vertrauen in Gesundheitsfragen Ärzten und binden Krankenversicherer erst spät in den Prozess ein. Laut den Versicherern werden bereits angebotene Gesundheitsservices von Kunden zwar häufig als wichtig erachtet, dennoch werden diese bislang wenig genutzt. Dabei variiert die Annahme der Angebote je nach Krankenversicherer. Auch die Erfolgsmessung von Gesundheitsmanagementaktivitäten ist nicht einfach und beschränkt sich meist auf Nutzerzahlen und Befragungen."
Ein Hauptaktivitätsfeld bleibe zudem die Einführung von neuen Produkten vor allem im betrieblichen Bereich. Viele Krankenversicherer haben in den letzten zwei Jahren neue betriebliche Krankenversicherungsprodukte eingeführt. Gleichzeitig steigt der Wettbewerb in diesem Marktsegment. Im Pflegebereich agieren die Krankenversicherer zurückhaltender. Soll heißen: Hier sind weniger Produktoffensiven geplant.
Hintergrundinformationen: Die Studie „PKV der Zukunft – neue Chancen, neue Herausforderungen“ verfolgt das Ziel, einen breiten Überblick über die Herausforderungen und Chancen im privaten Krankenversicherungsmarkt zu verschaffen sowie Zukunftspotenziale für das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherung zu identifizieren. Dazu wurden im Zeitraum von Mai bis August 2022 fragebogengestützte Interviews mit Entscheidungsträgern von 19 deutschen privaten Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt. Gemessen an den Bruttoprämien erreicht die Studie eine Marktabdeckung von circa 66 Prozent des PKV-Marktes. Die Studie kann auf der Webseite von Deloitte heruntergeladen werden.
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