Versicherungsbote: Die gesetzliche Krankenversicherung steuert auf ein riesiges Finanzierungsloch von 17 Milliarden Euro zu. Hand aufs Herz: Welche Risiken erwachsen denn den privaten Krankenversicherern durch Inflation, Energiekrise und eine drohende Rezession? Müssten Sie zum Beispiel die steigenden Kosten bei Kliniken und Gesundheitsdienstleistern nicht auch merken?

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Frank Kettnaker: Das riesige Finanzierungsloch der GKV hat seine Ursache vor allem in der demografischen Entwicklung, die für die meisten umlagefinanzierten Sozialsysteme eine enorme Herausforderung darstellt. Die PKV hingegen ist durch ihr Finanzierungssystem gegen demografische Entwicklungen im Grund immun: circa 300 Milliarden Euro an Alterungsrückstellungen sprechen eine eindeutige Sprache. Für beide Systeme – GKV wie PKV - kommen Kostensteigerungen der medizinischen Leistungen hinzu, die natürlich auch an der PKV nicht spurlos vorbei gehen können. Diese Kostensteigerungen gibt es aber seit jeher – und selbstverständlich nicht nur im Bereich der medizinischen Versorgung. Bislang hat das weder die GKV noch die PKV vor unlösbare Probleme gestellt.

Haben Sie bereits eine Prognose, wie sich die Prämien in der privaten Krankenvollversicherung entwickeln werden? Müssen sich Versicherte 2023 auf Beitragsanpassungen einstellen - und in welchem Umfang?

Für viele unserer Tarife ändert sich der Beitrag 2023 nicht. Andere hingegen werden wir anpassen, zumeist in einem sehr moderaten Umfang. Als Hallesche folgen wir seit Jahrzehnten dem Prinzip: lieber früher und moderat anpassen als notwendige Anpassungen auf die lange Bank schieben. Das hat viel mit Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit zu tun, der wir uns auch in diesem Bereich absolut verpflichtet fühlen.

Mit Blick auf das PKV-Neugeschäft stellt sich die Situation aus meiner Sicht zwiespältig dar. Steigende Lebenshaltungs-Kosten könnten die Zielgruppe verkleinern, explodierende Zusatz-Beiträge und Probleme bei den Krankenkassen die Wechselbereitschaft erhöhen. Wie schätzen Sie den PKV-Markt für die kommenden zwei bis drei Jahren ein?

Der Leistungsumfang in der GKV ist nicht garantiert – er wird von der Politik nach Kassenlage bestimmt. Durch die bekannte demografische Entwicklung wird der Leistungsumfang der GKV tendenziell eher zurückgehen. Das sehen auch sehr viele Kunden und Vermittler so. Für wen also lebenslang garantierte Leistungsqualität ein wichtiger Aspekt ist, der wird nur in der PKV eine befriedigende Lösung finden. Für uns als Hallesche kann ich dabei sagen: Das Jahr 2022 läuft sehr gut. Und wir gehen davon aus, dass sich daran in den nächsten Jahren nichts ändert.

Gerade für Unternehmer könnten die kommenden Monate oder gar Jahre schwierig werden - zumal viele Branchen noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie kämpfen. Befürchten Sie, dass sich mehr Kundinnen und Kunden in die PKV-Sozialtarife verabschieden? Wie sieht hier der bisherige Trend aus?

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Insgesamt gibt es drei Sozialtarife in der PKV, die jeweils einem bestimmten Zweck dienen. Für die von Ihnen beschriebene Zielgruppe kommt vor allem der Notlagentarif in Frage, der Menschen über die Zeit extremer Liquiditätsengpässe hinweghelfen kann. Wir fürchten uns nicht vor einer möglichen Inanspruchnahme unserer Sozialtarife. Letztendlich haben wir damit ein sehr wirksames Sicherheitsnetz in der PKV. Dieses hilft unseren Kunden in schwierigen Situationen. Auch wenn tatsächlich nur ein ganz geringer Bruchteil der PKV-Kunden die Sozialtarife in Anspruch nimmt, ist es für die anderen Kunden beruhigend zu wissen, dass es sie gibt. Aktuell sehen wir keine signifikante Veränderung des Bedarfs.

Vom Kostenerstatter zum Gesundheitspartner

Die Mehrheit der Privatversicherten hat Beihilfe-Anspruch. Der jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spottete 2018, die PKV entwickle sich zur „Beamtenversicherung“. Selbst liberale Theoretiker wie Bernd Raffelhüschen forderten wiederholt, hier zu sparen. Hängt die PKV tatsächlich am Tropf der Beihilfen - und damit des Steuerzahlers? Oder ist das ein Vorurteil ihrer Gegner?

Frank Kettnaker: Wir schätzen die Zielgruppe der beihilfeberechtigten Kunden sehr, doch als Hallesche sind wir ganz besonders auf die Zielgruppen der Selbstständigen und Angestellten fokussiert. Andere Versicherer, deren Neugeschäft zu einem Großteil aus dem Beihilfebereich kommt, könnten unter staatlichen Eingriffen in dieses System mehr leiden. Etliche Bundesländer sind ja zuletzt dem Beispiel Hamburgs gefolgt und haben wahlweise die sogenannte Pauschale Beihilfe eingeführt, ein – wenn Sie so wollen – sehr GKV-nahes System. Allerdings scheint die Zielgruppe der Beamten von dieser Wahlmöglichkeit nur vereinzelt Gebrauch machen zu wollen. Die bewährte Kombination von PKV und Beihilfe überzeugt die deutliche Mehrzahl der Beamten. Die gute Nachricht für alle Bürger ist: Jeder kann bei der PKV ein ähnliches Leistungsniveau wie Beamte bekommen – entweder durch eine entsprechende Vollversicherung oder durch Zusatzversicherungen in einzelnen Segmenten.

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Die EZB passte gerade erneut den Leitzins nach oben an. Experten reden bereits vom Ende der Nullzins-Phase und prognostizieren dauerhaft steigende Zinsen. Aus Ihrer Sicht eine realistische Einschätzung? Sind steigende Zinsen eine gute Nachricht für Privatversicherer - oder sehen Sie auch Risiken?

Das Finanzierungssystem der PKV basiert sehr stark auf der Bildung von Alterungsrückstellungen, für die es kein Nachteil ist, wenn sie sich besser verzinsen.

Wo sehen Sie mit Blick auf die private Krankenversicherung künftig Reformbedarf? Beschleunigen Energiekrise und Inflation vielleicht die Notwendigkeit von Reformen?

Über sinnvolle Reformen in der PKV würden wir uns sogar freuen. Schon seit langem hat der PKV-Verband vorgeschlagen, die Regelungen zur Beitragsanpassung zu verändern. Heute ist es so, dass die Beiträge in der PKV nur dann angepasst werden dürfen, wenn sie über einem gewissen Schwellenwert liegen. Das kann dann dazu führen, dass die Beiträge in einem PKV-Tarif viele Jahre gar nicht angepasst werden und dann plötzlich sehr stark. Über den gesamten Zeitraum gerechnet ist die Anpassung im Vergleich zu anderen Tarifen und zur GKV aber oft unterdurchschnittlich. Das subjektive Empfinden ist allerdings anders. Eine solche Reform zur Verstetigung der Beitragsentwicklung würden wir begrüßen. Auch die Öffnung des Standardtarifs – ein sehr wirkungsvoller Vertreter der PKV-Sozialtarife – für alle Kundinnen und Kunden wäre aus unserer Sicht wichtig und richtig. Daneben reformieren wir uns selbst jeden Tag ein kleines Stück und sind auf unsere Reise vom Kostenerstatter zum Gesundheitspartner schon ziemlich weit gekommen. Diese spannende Reise ist aber noch nicht zu Ende. Und wir freuen uns darauf, die nächsten Schritte zu gehen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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