Das Ende des billigen Geldes
Zu Beginn der Coronakrise stand die ganze Welt kurz still. Auch Finanzierungen lagen auf Eis. Schon kurz darauf wurden jedoch insbesondere im Startup-Bereich Rekordfinanzierungen angestoßen. Wie sieht es in der aktuellen Krise aus? In einer dreiteiligen Serie stellt Versicherungsboten-Kolumnist Dr. Philipp Kanschik die Auswirkungen der Coronakrise und der aktuellen Krise auf die Assekuranz gegenüber. Im 3. Teil geht es um Finanzierungsthemen für Startups, InsurTechs und Bestandskäufer. Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2.
2021 war weltweit ein Rekordjahr für Startup-Finanzierung, insbesondere in der Technologiebranche. Bei Unternehmensbewertungen wurden Multiples von 10 und mehr auf wiederkehrende Umsätze – im Jargon auch Annual Recurring Revenue (kurz ARR) – zur Normalität. Teilweise lagen die Multiple sogar wesentlich höher. So waren bei schnell wachsenden Startups Bewertungen bis zu 100x ARR möglich. Richtig gehört, bis zu 100x wiederkehrender Umsatz als Unternehmenswert!
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Philipp Kanschik
Philipp Kanschik
Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.
Auch In der Assekuranz sah man in dieser Phase große Finanzierungsrunden z.B. bei Wefox, Clark und Getsafe. Wichtigstes Kriterium für solche Runden war ein schnelles Umsatzwachstum mit starker Technologiekomponente. Profitabilität war für die Investoren nicht entscheidend.
Entlassungen statt Rekordfinanzierungen bei den Startups
Das Umfeld für Finanzierungen hat sich 2022 sehr eingetrübt. Die Umsatzmultiples liegen mittlerweile selbst für schnell wachsende Technologiewerte häufig unter 10x Umsatz und Investoren fragen viel häufiger als früher, ab wann ein Geschäftsmodell profitabel wird. Wer eine Finanzierung nicht unbedingt braucht, zögert den Moment hinaus. Auch mit großen InsurTech-Finanzierungen ist in nächster Zeit kaum zu rechnen. Stattdessen sehen wir in der Branche nun eher Private-Equity-Investments in etablierte Unternehmen, die bereits profitabel sind.
Entscheidend wird für viele InsurTech-Startups in diesem Umfeld die sogenannte „Runway“. Diese bezeichnet den Zeitraum, den defizitäre Startups ohne weitere Finanzierung überstehen. Zur Steigerung der Runway entlassen viele (nicht alle!) Startups Mitarbeiter, die im 2021er-Boom eingestellt wurden. Aus der großen Euphorie ist somit vielerorts ein großes Rechnen geworden. Gewinner sind in dieser Situation junge InsurTechs, die bereits profitabel wachsen, sowie InsurTechs, deren Runway so groß ist, dass sie aktuell keine Finanzierung benötigen.
Klar ist aber auch: wer diese Krise übersteht, geht sehr gut gerüstet in die nächste Boomphase. Die kommt mit Sicherheit, denn an den langfristig großartigen Perspektiven für InsurTechs hat sich nichts geändert. Die Frage ist nur wann.
Maklerkonsolidierung: Nur die Großen sitzen noch am Tisch
Parallel zur Startup-Finanzierung gab es in den letzten Jahren auch einen Boom bei der Konsolidierung von Deutschlands 46.000 Versicherungsmaklern. Ein wesentlicher Faktor für diesen Boom waren die niedrigen Zinsen. Unter anderem wegen günstigen Finanzierungsmöglichkeiten gab es viele neue Markteintritte von Käufern, sowohl von großen Aggregatoren als auch von kleineren Spielern, die in regionale Zukäufe investierten. Das alles führte auch mitten in der Corona-Krise anders als von vielen erwartet zu insgesamt steigenden Preisen und einer größeren Auswahl potenzieller Nachfolger für Bestandsverkäufer. Waren früher Faktoren unter 2x Bestandsprovision üblich, konnten einige Makler deutlich höhere Faktoren bei Bestandsverkäufen erzielen.
Die Zinswende hat den Markt jedoch fundamental verändert. Die Zinsen für die Käufer haben sich zuletzt mehr als verdoppelt. Entsprechend sieht der Business Plan für Käufer komplett anders aus. Zum einen müssen die zukünftigen Umsätze stärker abdiskontiert werden, zum anderen höhere Kapitalkosten eingerechnet werden. Auch die Banken sind vor diesem Hintergrund zurückhaltender.
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Größere, ausreichend durchfinanzierte Käufer haben natürlich auch in dieser Situation keine Probleme. Kleinere Anbieter scheiden jedoch zunehmend aus. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein sich stärker ausdifferenzierender Markt für Bestände und auch Unternehmen, in dem es insgesamt weniger Käufer und gleichzeitig aus demografischen Gründen mehr Verkäufer gibt. Erstklassige Firmen und Bestände erzielen in diesem Umfeld weiterhin dieselben hohen Preise wie vor 1-2 Jahren. Alle anderen müssen ihre Erwartungen nach unten korrigieren.