Allianz-Chef Oliver Bäte ist bekannt für meinungsfreudige Statements - wenn zuletzt auch Äußerungen für Schlagzeilen sorgten, die eher nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, weil er gegen die eigene Digitalstrategie wütete. Meinungsfreudig gibt er sich nun auch in einem Interview mit dem „Focus“. Darin hat er vor allem die öffentlichen Finanzen im Blick: und sieht massive Probleme auf die öffentlichen Haushalte zukommen.

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EZB macht mit Anleihen 650 Milliarden Euro Verlust

„Bei Kommunen und Ländern, beim Bund, auf EU-Ebene. Da kommt einiges zusammen“, sagt Bäte mit Blick auf die öffentliche Schuldenlast. Und weiter: “Die Europäische Zentralbank (EZB) zum Beispiel wird in diesem Jahr aufgrund ihrer Anleihegeschäfte wohl 650 Milliarden Euro Verlust machen. Das ist die Quittung für die lange Zeit der lockeren Geldpolitik“. Nicht nur eine Folge der Corona-Pandiemie: Allein von 2015 bis 2018 hat die EZB rund 2,6 Billionen Euro in Anleihen investiert, um Staaten und Unternehmen in klammen südlichen Ländern zu stützen.

Nach Ansicht von Bäte trägt Deutschland dabei die höchste Schuldenlast: als wichtigster EU-Akteur werde man 20 bis 25 Prozent dieser Verluste tragen müssen, was in etwa 130 Milliarden Euro entspreche. Dabei sieht Bäte Deutschland selbst an den Grenzen seiner Belastungsfähigkeit. „Viele EU-Länder gehen davon aus, dass Deutschland immer ‚solidarisch‘ zahlt, wenn es eng wird. Schließlich konnten wir das in den vergangenen 10, 15 Jahren ja auch schultern“, so Bäte. „Für die Zukunft gilt das nicht mehr.“ Hier müsse Deutschland klar kommunizieren, was es sich in Zukunft leisten könne - und was nicht.

Was Bäte nicht sagt: Nach Einschätzung vieler Ökonomen hat Deutschland auch von der EU-Geldpolitik profitiert. Nicht nur, weil EU-Staaten wichtigster Handelspartner sind und ein Großteil der Exporte in EU-Staaten gehen: Hier hätte sich eine Destabilisierung von Euro-Ländern negativ ausgewirkt. Der Wert der Exporte in EU-Staaten bezifferte sich laut Statistischem Bundesamt 2020 auf 635,7 Milliarden Euro. Auch konnte sich der deutsche Staat über viele Jahre quasi zum Nulltarif verschulden und erzielte mit ausgegebenen Staatsanleihen sogar eine Milliarden-Rendite. Pointiert formuliert: Der Staat verdiente gutes Geld damit, Schulden zu machen. Doch das ändert sich in Zeiten steigender Zinsen wieder: für neu ausgegebene 10jährige Anleihen musste Deutschland zuletzt zwischen zwei und 2,5 Prozent Zins garantieren.

Mit Blick auf Deutschland bewertet Oliver Bäte auch den „Doppelwumms“ der Bundesregierung kritisch: Es sei zwar richtig, kurzfristig jenen zu helfen, die dringend Hilfe brauchen - aber auf Dauer könne das nicht funktionieren. „Es muss uns gelingen, die Energiekosten schnell und grundlegend zu senken... Am Ende hängt davon die Zukunft des ganzen deutschen Geschäftsmodells und unserer Exportwirtschaft ab“, sagt Bäte. Wie das geschehen soll, sagt er nicht.

“Es ärgert mich…“

Und was sagt Oliver Bäte mit Blick auf den eigenen Konzern? Hier greift er indirekt die Thesen seiner Wutrede auf: der Allianz-Chef hatte vor Mitarbeitern die eigene IT mehrfach mit „Crap“ bezeichnet, was sich frei als „Scheiße“ und „Mist“ übersetzen lässt. Auch sagte er bei der internen Online-Konferenz: „Ich denke, wir hatten in den vergangenen acht bis zehn Jahren wirklich eine falsche IT-Strategie“. Bemerkenswert: Er selbst stand in den letzten acht Jahren dem Konzern vor, hat also diese Strategie mit zu verantworten.

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Im aktuellen Interview greift er das Thema IT erneut auf: und fordert eine schnellere und umfassendere Digitalisierung. „Es ärgert mich, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseren Kunden so helfen wollen, wie diese es zu Recht erwarten, und es aufgrund technischer Einschränkungen nicht können“, sagt er dem „Focus“. Dennoch sei es Quatsch, alle Prozesse zu digitalisieren - nach einem Unfall würden die Versicherten bei einem Anruf immer noch einen Mensch am anderen Ende der Leitung erwarten statt eines Bots.