Ein Lebensversicherer gibt seine hochverzinsten Altverträge an einen Dienstleister, der keine andere Aufgabe hat, als die Bestände kostengünstig abzuwickeln. Dieses Modell sorgt spätestens bundesweit für Schlagzeilen, seit die Generali im April 2019 ihre Konzerntochter Generali Leben an die Run-off-Gesellschaft Viridium verkauft hatte. Und die Diskussion erlebt in 2022 eine Renaissance: Ende Juni kündigte die Zurich Gruppe Deutschland an, sich von einem Bestand mit rund 720.000 traditionellen Lebensversicherungsverträgen trennen zu wollen. Nach Übertragung der Verträge an eine neu gegründete Gesellschaft soll diese an die Abwicklungsplattform der Viridium Gruppe veräußert werden (Versicherungsbote berichtete).

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Zudem will die Axa den Bestand der ehemaligen DBV-Winterthur Leben an den Finanzinvestor Apollo Global Management abgeben – eine Tochter dieses Investors ist die Run-off-Plattform Athora. Etwa 20 Prozent der Leben-Policen gehen dann an die Run-off-Spezialisten (Versicherungsbote berichtete). Umso wichtiger ist es, Vorurteile gegen Run-off-Versicherer anhand von Fakten und Kennzahlen zu prüfen. Und diese Überprüfung leisten – nun schon zum wiederholten Male – die Analyse-Experten von Assekurata. Neben externen Run-off-Unternehmen werden aber erneut auch interne Run-off-Versicherer analysierst (wie die Bayerische Beamten Leben oder die Ergo Leben).

Viele Stornierungen wären für Run-offs ein Problem

Neben einer Analyse zur Überschusshöhe und -beteiligung oder zur Kostenstruktur vergleicht die Studie auch Stornoquoten der Run-off-Versicherer mit jenen der Lebensversicherer mit Neugeschäft. Wird doch oft unterstellt, dass enttäuschte und sich „verkauft“ fühlende Kunden in großer Zahl den Bestandsabwicklern den Rücken kehren. Für die Run-off-Versicherer wäre das ein Problem, wie die Experten aus Köln erklären.

Denn insbesondere das Geschäftsmodell des externen Run-offs rechnet sich unter anderem durch Skaleneffekte, hierfür müssen sich die Bestände gleichmäßig entwickeln (bzw. nach Plan reduzieren). Massenhafte Stornierungen würden der Kalkulation einen Strich durch die Rechnung machen. Auch nimmt bei einem übermäßigen Storno die Risikoentmischung in den (Teil-)Kollektiven überproportional zu, erklären die Experten. Zumal ohnehin mit auslaufenden Beständen das Schwankungsrisiko sukzessive steigt. Zu viele Stornierungen können also auch Run-off-Versicherer nicht kalt lassen.

Vergleich Markt versus Run-off: Bis 2015 hat der Markt die Nase vorn

Um die Storno-Häufigkeit zu vergleichen, bilden die Experten die durchschnittliche Stornoquote für zehn Run-off-Versicherer:

  • Athora Leben
  • Bayerische Beamte Leben
  • Entis Leben
  • Ergo Leben
  • Frankfurter Leben
  • Frankfurt Münchener Leben
  • Heidelberger Leben
  • Proxalto Leben
  • Skandia Leben
  • Victoria Leben

Der Durchschnitt dieser Quoten wird verglichen mit der durchschnittlichen Quote der Unternehmen mit Neugeschäft (der "Markt"). Die Stornoquote gibt hierbei den vorzeitigen Abgang der laufenden Jahresprämien (Rückkäufe, Beitragsfreistellung und sonstige vorzeitige Abgänge) in Prozent des mittleren Bestands an laufenden Jahresprämien an. Was aber zeigt der Vergleich?

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Zunächst: zwischen 2012 und 2015 liegen Stornierungen bei Run-off-Versicherern tatsächlich höher als am Markt. Denn 2012 haben Run-off-Versicherer zum Beispiel eine Quote von 5,43 Prozent gegenüber 5,08 Prozent am Markt. In 2013 haben Run-off-Versicherer gar eine Quote von 5,46 Prozent gegen 4,94 Prozent am Markt. Jedoch nähern sich die Quoten immer mehr an, so dass in 2015 4,24 Prozent für die Run-off-Versicherer gegen 4,22 Prozent des Marktes stehen.

Überraschende Ergebnisse ab 2016

Ab 2016 aber überraschen die Ergebnisse. Denn nun sind es die Run-off-Versicherer, die regelmäßig bessere Stornoquoten aufweisen als der Markt. In 2016 hat der Markt eine Quote von 4,27 Prozent, hingegen haben die Run-off-Versicherer nur eine Quote von 3,98 Prozent. Das geht so weiter: In 2020 liegt die Quote des Marktes zum Beispiel bei 4,55 Prozent, die der Run-off- Versicherer hingegen bei 3,58 Prozent – und damit fast ein Prozentpunkt niedriger. Und in 2021 liegt die Stornoquote der Run-off-Versicherer bei 3,24 Prozent und jene des Marktes bei 4,27 Prozent. Nun beträgt der Vorteil der Run-off-Versicherer sogar mehr als einen Prozentpunkt.

Die beste Stornoquote in 2021 hat die Entis Leben: diese liegt bei 1,92 Prozent. Es folgt die Bayerische Beamten Leben mit einer Stornoquote von 2,03 Prozent. Unterhalb von drei Prozent liegen ebenfalls die Heidelberger Leben (2,34 Prozent), die Victoria Leben (2,50 Prozent), die Frankfurter Leben (2,73 Prozent) und die Athora Leben (2,91 Prozent).

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Mit der Zeit schrumpfen die Quoten

Freilich lässt sich auch beobachten, dass bei einigen Versicherern die Quoten auffallend über die Jahre gesunken sind. So lag die Quote der Athora Leben in 2012 bei 6,33 Prozent, sank dann auf 3,19 Prozent in 2017 und sank auf bereits 2,80 Prozent in 2018. Die Quote der Frankfurter Leben sank von 4,44 Prozent in 2012 (damals aber besser als der Markt mit 5,08 Prozent) auf 2,99 Prozent in 2017 und auf 2,72 Prozent in 2018.

Frankfurt Münchener Leben und Proxalto teils schlechter als der Markt

Schlechtere Quoten als der Markt weisen in den letzten Jahren oft die Frankfurt Münchener Leben und die Proxalto auf. So liegt die Quote der Frankfurt Münchener in 2020 bei 5,13 Prozent (gegenüber 4,55 Prozent am Markt) und die Quote der Proxalto liegt in 2021 bei 5,98 Prozent (gegenüber 4,27 Prozent am Markt). Hierzu erklären die Assekurata-Experten aber: Beide Gesellschaften hätten bereits vor ihrem Run-off marktüberdurchschnittliche Stornoquoten ausgewiesen. Diese Stornoquoten wären nach dem Run-off nicht signifikant gestiegen (so dass diese schlechten Quoten eher durch den Bestand statt durch den Run-off begründet sind).

Als Fazit der Untersuchung schreiben die Experten: "Verbraucherschützer und Vermittler sprechen sich nicht selten gegen externe Run-offs aus, mit dem Argument, die Run-off-Plattform sei weniger leistungsfähig als der alte Versicherer und der Kunde dort vermeintlich schlechter aufgehoben. Dies erweist sich in der Praxis als Trugschluss, denn wie (...) ersichtlich, weisen die Kunden der meisten Run-off-Versicherer eine überdurchschnittlich hohe Vertragsbindung auf."

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Allerdings sollte bei Deutung der Daten auch bedacht werden, dass die Stornoquote bei geschlossenen Beständen bereits aufgrund des fehlenden Frühstornos strukturell geringer ausfällt. Dennoch sind Ängste unbegründet, dass es bei Run-offs zur massenhaften Vertragsflucht kommt. Die Assekurata-Studie mit vielen weiteren Daten kann kostenpflichtig auf der Webseite der Experten bestellt werden.

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