Pünktlich zum Jahresanfang machte eine Meldung die Runde, die für den deutschen Vermittlermarkt weitreichende Folgen hätte. Die EU-Kommission, so berichteten übereinstimmend mehrere Medien, treibt ein Provisionsverbot voran, zumindest für bestimmte Produkte. Präsentiert werden sollen die Pläne im Rahmen einer neuen Kleinanleger-Strategie im ersten Quartal des Jahres. Die FAZ zitiert ein Schreiben der Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness an den CSU-Abgeordneten Markus Ferber, mit dem das Vorgehen begründet wird. Anders als gewollt, habe die Finanzmarktrichtlinie MiFID II nicht zu mehr unabhängiger und provisionsfreier Beratung geführt. Die Pläne werden im EU-Parlament und von den europäischen Aufsichtsbehörden teils unterstützt.

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Gegen ein mögliches Provisionsverbot hat sich am Freitag der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) positioniert. Während die EU-Gremien aktuell vor allem Anlageprodukte im Blick haben, befürchtet der Verband sogar, der Vorstoß könnte in ein Provisionsverbot für alle Versicherungsprodukte münden. Positiv hebt der Verband hervor, dass es in der deutschen Politik eine starke Unterstützung für ein Beibehalten der Provisionsberatung gebe. Nicht nur die Union und die FDP sprechen sich für einen Erhalt aus: ebenfalls in der SPD gebe es hierzu eine klar positive Haltung.

Kleinanleger von Beratung ausgeschlossen?

Der AfW macht sich in seiner Argumentation gegen das Provisionsverbot den Verbraucherschutz zu eigen. „Binnen kürzester Zeit würden gerade die auf eine Beratung angewiesenen Kleinanleger keine persönliche Beratung mehr erhalten, wie unter anderem das Beispiel Großbritannien drastisch zeigt. Die vorhandene, aber keine breite Akzeptanz findende Honorarberatung wird das nicht auffangen können. Selbsternannte Experten ohne Qualifikation im Internet oder den Verbraucherzentralen würden noch mehr Zulauf erhalten“, sagt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW.

In Großbritannien ist 2013 die sogenannte Retail Distribution Review (RDR) in Kraft getreten: Sie sieht ein Provisionsverbot für bestimmte Anlageprodukte vor. Über die Folgen wird seither auch im Königreich viel debattiert. Wie sich das Verbot auswirkt, soll mit Hilfe wiederkehrender Berichte evaluiert werden, den „Financial Advice Market Reviews“ (FAMR). Die Ergebnisse sind komplex und zum Teil widersprüchlich. So heben die Verbraucherzentralen hervor, durch das Provisionsverbot habe sich die Qualität der Beratung verbessert. Der AfW hingegen verweist darauf, dass gerade einkommensschwache Haushalte von der Finanzberatung ausgeschlossen werden könnten. Denn auch auf der Insel gibt es Hinweise, dass Haushalte mit weniger Geld sich seither auch weniger zu Finanzen und Vorsorgethemen beraten lassen.

„Auch der soziale Auftrag an die Finanz- und Versicherungsbranche – Risikoabsicherung, Altersvorsorge – würde nicht mehr erfüllt werden können", argumentiert Wirth weiter. "Dass ein Provisionsverbot zu erheblichen Verwerfungen am Markt, dem Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen und der Vernichtung von Existenzen von vielen Gewerbetreibenden und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen würde, ist absehbar“, so der Jurist.

Fehlende Beratung? EU-Kommissarin verweist auf Chatbots

Tatsächlich hatte auch der CSU-Abgeordnete Ferber in seinem Schreiben argumentiert, dass künftig viele Kleinanleger im Falle eines Provisionsverbotes darauf verzichten werden, einen externen Berater zu beauftragen. Je nach Umfang der Beratung kann ein Honorar schnell mehrere tausend Euro verschlingen, die dann bar oder über Kredit abgezahlt werden müssen. Brisant: Laut FAZ antwortete McGuiness, es gebe andere preiswerte Möglichkeiten, etwa über Roboter. „Privatanleger zu automatisierter Beratung im Internet zu treiben ist für mich kein Beitrag zu mehr Verbraucherschutz“, sagte Ferber der F.A.Z.

Während die Befürworter eines Provisionsverbotes mögliche Interessenskonflikte ins Feld führen: Vermittler vermitteln demnach bevorzugt Anbieter, die hohe Provisionen zahlen, haben Gegner wiederholt auch auf die Schwächen der Honorarberatung verwiesen. Anders als ein Makler und Vertreter, haftet ein Honorarberater nicht mit Teilen der Abschlusssumme, wenn der Kunde nach kurzer Zeit vom Vertrag zurücktritt. Auch wenn Kunden schlecht beraten werden und sich vom Vertrag trennen, müssen sie weiter Honorar zahlen.

Der Versichererverband GDV fordert deshalb seit 2021 eine Stornohaftung von fünf Jahren auch bei Honoraren. Anlass war der Skandal um einen Cottbuser Finanzdienstleister, der seinen Kundinnen und Kunden für Leben-Policen das Doppelte der sonst marktüblichen Provisionen als Honorar berechnet hatte. Auch die Verbraucherzentralen mussten bereits vor einem Honorarberater warnen: Er hatte für eine Geldanlage im Umfang von 49.000 Euro ein Honorar von 21.000 Euro verlangt.

BVK befürchtet „Vermitlersterben“

Mit ähnlichen Argumenten wie der AfW meldet sich auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) zu Wort. Und nennt Zahlen: Nach Ansicht des BVK würde ein EU-weites Provisionsverbot das Aus für rund 200.000 Versicherungsvermittler in Deutschland bedeuten. Denn mit einem Verbot der Provisionsvergütung würde ihnen die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen. Hier lässt sich zumindest entgegenhalten, dass in Großbritannien laut britischer Finanzaufsicht kein großer Vermittlerschwund zu beobachten gewesen sei - trotz des Provisionsverbotes, das aber umgangen werden kann, wenn der Kunde explizit einer Provision zustimmt.

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"Schlimmer noch: Dem vermeintlichen Verbraucherschutz würde ein Bärendienst erwiesen, denn Kunden sind kaum bereit, vorab für eine Beratung ein dreistelliges Honorar zu bezahlen“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. „Die Folge wäre, dass viele auf die nötige Absicherung verzichten würden oder sich ohne Beratung im Netz um eine Absicherung bemühen müssten. Diese Entwicklung beobachten wir in den Niederlanden und in Großbritannien, wo bereits ein Provisionsverbot existiert".