Wefox: Von Wachstumsdeals und Wahnsinns-Schadenquoten auf Sparflamme
Nach dem schnellen Wachstum bei Wefox sollen Investitionen, die sich erst in Zukunft auszahlen, „deutlich zurückgefahren“ werden. Das Startup soll 2023 profitabel werden. Der Frage, mit welchen Deals das Wachstum der Vergangenheit generiert wurde, widmeten sich Recherchen von Capital und Finance Forward.
Im Sommer 2022 steigerte Wefox den eigenen Unternehmenswert auf 4,5 Milliarden US-Dollar (Versicherungsbote berichtete). Doch weitere Finanzierungsrunden seien vorerst nicht geplant, so Wefox-Mitgründer Julian Teicke im Handelsblatt-Gespräch kurz vor dem Jahreswechsel.
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„Durch das schnelle Wachstum der letzten Jahre müssen wir die Prozesse anpassen, damit wir im Kundenservice und der Schadenbearbeitung effizienter werden“, so Teicke gegenüber dem Handelsblatt.
Von den ambitionierten Plänen, neben Polen, Österreich und den Niederlanden, in weitere europäische Märkte zu expandieren, nimmt Teicke vorsichtig Abstand: Ein schneller Markteintritt sei dort momentan nicht geplant. Investitionen, die sich erst in der Zukunft auszahlen, seien ebenfalls „deutlich zurückgefahren“ worden. „Wir investieren nur noch in Produkte, die im ersten Jahr profitabel werden können“, lässt sich Teicke im Handelsblatt zitieren. An den Plänen, 2023 eine Unfall- und eine Risikolebensversicherung einzuführen, hält er aber dennoch fest.
Insgesamt will Wefox die Umsätze in diesem Jahr um 50 Prozent auf 900 Millionen Euro steigern. „Der Druck, mit den gleichen Ressourcen mehr zu erreichen, erhöht sich daher deutlich“, so Teicke. Das wird auch nicht spurlos an den etwa 1.300 Mitarbeitern vorbeigehen. „Wir haben sehr transparent kommuniziert, dass wir künftig schneller agieren müssen, wenn Ziele nicht erreicht werden.“ Mitarbeiter, die nicht bereit seien, so viel für das Unternehmen zu geben, werden es möglicherweise verlassen, fasst das Handelsblatt Teicke zusammen. Dennoch liege der klare Fokus auf der schwarzen Null, so Julian Teicke.
‚Schwarze Zahlen‘ kennt man bei Wefox aus der Vergangenheit. Das Berliner Start-Up mit Schweizer Wurzeln meldete im Frühjahr 2021 Erfolge: Die Versicherungstochter habe immerhin 7.000 Euro Gewinn gemacht. Dieses Ergebnis sei „außergewöhnlich für ein schnellwachsendes Startup“ heißt es in einem Beitrag auf dem Portal Finance Forward. Gemeinsam mit Capital spürte das Portal dem Wefox-Erfolg nach.
Ergebnis der Recherchen: Hinter den Erfolgszahlen aus 2020 stecke eine Kooperation mit der Berliner Firma Expatrio. Ein Unternehmen, das ausländischen Studierenden den Start in Deutschland erleichtern will und u.a. notwendige Krankenversicherungen anbietet. Und eben auch eine Hausratversicherung von Wefox. Soweit nichts Ungewöhnliches.
Doch die Studenten scheinen kein gutes Gedächtnis zu haben. „Viele Studenten haben nicht realisiert, dass sie die Versicherung besitzen – oder es offenbar wieder vergessen“, zitiert Finance Forward einen ehemaligen Manager. Anders ließe sich nicht erklären, dass die Studenten so gut wie keine Schäden eingereicht hätten, so der Manager weiter.
Die Schadenquote im Bereich Hausratversicherungen habe bei sieben Prozent gelegen - ein „Wahnsinnswert“, wie Finance Forward schreibt. Tatsächlich: der Branchenmonitor 2020 wies für die Hausratversicherer eine Schadenquote von insgesamt 32,46 Prozent aus (Versicherungsbote berichtete).
Gegenüber Finance Forward betonen sowohl Expatrio als auch Wefox, dass Kunden „stets vor oder während des Kaufvorgangs über alle Marketinginitiativen gemäß gesetzlichen Vorgaben informiert“ worden seien. Dennoch wurde die Zusammenarbeit zwischen Expatrio und Wefox eingestellt.
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Mit welchen weiteren Deals die Berliner das eigene Wachstum angekurbelt haben sollen, wird in der kommenden Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Capital thematisiert.